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Radfahren in Köln„Die Neusser Straße ist zur No-Go-Area geworden“

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Polizei und Ordnungsamt auf der Neusser Straße

  1. Zwar ist die Zahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrern in Köln zuletzt etwas gesunken, aber die Stadt registriert einen kontinuierlichen Anstieg an geahndeten Verkehrsdelikten.
  2. Polizei und Ordnungsamt haben an vielen Orten in der Stadt, darunter auf der Neusser Straße Schwerpunktkontrollen durchgeführt.
  3. Ein Radfahrer hatte die Behörden auf die Zustände auf der Straße aufmerksam gemacht. „Hier herrscht die absolute Gesetzlosigkeit“, sagt er.

Köln – Dass Köln für Radfahrer mitunter eine gefährliche Stadt ist, ist für Reiner Kolberg nichts Neues, was auf der Neusser Straße aber zuletzt immer wieder vor sich ging, ließ ihm keine Ruhe. „Es ist die absolute Gesetzlosigkeit. Die Lieferzonen werden konsequent zugeparkt, Autos und Lkws stehen dann oft in der zweiten Reihe auf dem Fahrradstreifen.

Wir Radfahrer sind dann dauernd gezwungen, in den fließenden Verkehr einzufahren, was eigentlich viel zu gefährlich ist“, sagt der Weidenpescher, der mit dem Rad die zentrale Achse in Nippes regelmäßig auf dem Weg zur Arbeit oder in die Stadt nimmt. Auch die Autos seien viel schneller unterwegs als die erlaubten 30 km/h. Von „Ampelsprints“ über wenige Meter berichtet Kolberg, der hier neulich „fast in einer Autotür gehangen“ habe, die jemand plötzlich vor ihm auf den Radweg öffnete. „Die Straße ist zu einer No-Go-Area geworden. Für Kinder ist die sowieso viel zu gefährlich, die fahren hier kaum noch“, sagt er. Deshalb hat er sich beteiligt an einer Umfrage der Polizei, die die Bürger gefragt hat, wo in Köln die gefährlichsten Orte sind. Die Neusser Straße ist von mehreren Radfahrern genannt worden.

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Für Polizei und Ordnungsamt war das am Dienstag ein Grund für Schwerpunktkontrollen an der Stelle. Allein bis zum Mittag sind hier 16 Wagen abgeschleppt worden, die den Verkehr behinderten. Zusammen mit Kontrollen an anderen Orten in der Stadt hat die Polizei 195 Verwarngelder gegen Autofahrer erhoben. Die meisten davon (92) wegen des Haltens oder Parkens auf Radstreifen. Auch 50 Radfahrer wurden erwischt, weil sie auf Gehwegen fuhren oder das Handy in der Hand hielten.

Weniger Unfälle, mehr Delikte

Zwar ist die Zahl der Verkehrsunfälle mit Radfahrern zuletzt leicht gesunken – 2018 waren es zwischen Januar und August 1467, im vergangenen Jahr im gleichen Zeitraum 1350. Doch die Stadt hat seit 2017 kontinuierlich einen Anstieg der geahndeten Verkehrsdelikte festgestellt. Im Jahr 2019 wurden stadtweit in Fahrradstraßen 178 Verstöße registriert, auf kombinierten Geh-/Radwegen 3824, auf reinen Radwegen 4963. „Es darf nicht das Gesetz des Stärkeren oder Schnelleren gelten, sondern das des gegenseitigen Respekts“, sagt Verkehrsdezernentin Andrea Blome, die sich enttäuscht zeigte, dass der neue Bußgeldkatalog, der in der bundesweit geltenden Straßenverkehrsordnung viele Strafgelder erhöht hätte, vom Bundesrat kurzfristig gekippt wurde.

So ist für das zu enge Überholen von Radfahrern mit einem Abstand von weniger als 1,50 Metern ein Bußgeld von 30 Euro vorgesehen – beim Schwarzfahren in der Bahn sind es 60 Euro. „Da steht einiges im Missverhältnis“, sagt der Leiter der Verkehrsdirektion der Polizei, Werner Gross, der sich auch für höhere Bußgelder etwa beim Parken auf Radwegen ausspricht. „Je tiefer die Betroffenen in den Geldbeutel greifen müssen, desto eher wird auch darüber nachgedacht“, sagt Groß, der aber verstärkte Kontrollen etwa auf der Neusser Straße und anderen Gefahrenpunkten ankündigt.

Voraussetzung dafür ist aber eine entsprechende Personaldecke bei Polizei und Ordnungsamt. Bei letzterem sind im Verkehrsdienst derzeit 45 Stellen unbesetzt, das Amt sucht wie viele andere städtische Stellen händeringend Mitarbeiter.