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So wohnt KölnPaar schafft sich in Zollstocker Indianersiedlung ein eigenes Reich

Lesezeit 5 Minuten
KS_Die Bewohner2

Bernhard Weitzell und Annette Kolschewski

Köln-Zollstock – Wir sind mitten in der Stadt und dennoch in einer völlig anderen Welt. Kein Geschäft, kein Straßenlärm. Enge Straßen, auf denen gerade ein Auto Platz findet, versetzen einen in Staunen und Verwunderung. Wir sind in der Indianersiedlung. Man sieht Gärten, Gartentore, Pferde, Wohnwagen, kleine, alte, verkommene, angebaute, umgebaute, aber auch große, auf Hochglanz polierte Häuser.

Als ich das Anwesen betrete, hat Annette Kolschewski gerade den Besen in der Hand, um den Hof zu kehren. Abends erwartet sie ihre Kollegen der Christophorusschule in Bonn. Die fast 64-Jährige lacht die ganze Zeit, wenn sie spricht und deshalb erklärt sie auch lachend, dass sie überhaupt nicht aufhören möchte zu arbeiten. Ihre Arbeit macht ihr einfach viel zu viel Spaß. Die studierte Sozialpädagogin und Sonderschullehrerin wohnt seit Anfang der 1990er hier auf 280 Quadratmetern Fläche, die im Laufe der Jahre auf 120 Quadratmeter Wohnfläche angewachsen sind.

„Das ist genau mein Platz"

Kennengelernt hat diese quirlige Frau die Siedlung schon von 40 Jahren. Sie arbeitete in einem Studentencafé am Höninger Weg „Siedler“ luden sie eines abends zu Besuch ein. Sie dachte: „Super. Das ist genau mein Platz.“ Ihr Gefühl: „Hier musst du wohnen.“ Zehn Jahre später hat es sich dann ergeben. 1989 kaufte sie für 120 Deutsche Mark einen alten Bauwagen aus Holz in Ehrenfeld und ließ ihn in die Siedlung bringen, wo zu der Zeit eine Bekannte wohnte. Sie zog, alleinerziehend, auf das Grundstück mit ihren damals zwei- und sechsjährigen Töchtern.

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KS_Stämme markieren den ehemaligen Wohnwagen

Baumstämme markieren den ehemaligen Eingang in den ursprünglichen Wohnwagen.

Die Küche war in einem 40 Quadratmeter großen Nachbarhaus untergebracht, in der besagte Freundin mit einem Kind in zwei Zimmern wohnte. Im Rückblick sagt sie: „Es war eine tolle Zeit. Meine Kinder und ich haben uns das große Bett geteilt. Im Winter war es so eisig, dass wir mit Schlafmützen ins Bett gingen. Am Morgen haben wir an den Fensterscheiben die Eissterne betrachtet. Draußen liefen die Gänse über das Gelände. Das war süß. Und wild.“

Freunde schenkten Baumaterialien

Das „Süße und Wilde“ störte ihre Töchter dann irgendwann. „Sie wollten ein richtiges Haus und ich sagte, dann baue ich euch eins“, erzählt Kolschewski. Sie erweiterte den Bauwagen um einen Anbau. Baumstämme markieren, wo früher der Bauwagen anfing und die damalige Terrasse begann. Das war in den Sommerferien 1994/95. In sechs Wochen schaffte sie es mit Freunden und Bekannten, den Erweiterungsbau, der den alten Bauwagen völlig integriert, fertig zu stellen. Baumaterialien verdankt sie Freunden und Bekannten und zuweilen auch dem Zufall. „Plötzlich hatte ich so viele Fenster, dass ich sie auch im Dach eingebaut habe. Wir bekamen auch einen alten Tanzboden geschenkt.“

Siedlung für Kinderreiche

Die Indianersiedlung entstand Ende der 1920er Jahre zwischen dem Güterbahnhof Zollstock und dem Südfriedhof. Sie wurde durch eine Notverordnung vom damaligen Oberbürgermeister Konrad Adenauer kinderreichen Familien von Arbeitslosen unter geringen Auflagen zur Bebauung überlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich zunächst Flüchtlinge, später Aussiedler und Hippies an. 1978 drohte das Aus der Siedlung durch Erweiterungspläne für den Südfriedhof. Die Genossenschaft Kalscheurer Weg kaufte das Gelände Ende der 1990er der Deutschen Bahn ab. Der Name der Siedlung geht auf den Journalisten Hans Conrad Zander zurück, der sie als ebenso eigenwillig empfand wie Indianerreservate in Nordamerika.

Immer wieder kämpft sich die Natur ihren Weg zurück. Durch das Dach über dem Bett dringt das Efeu von außen ein. „Wir lassen die Natur bohren“, sagt sie, denn es passe zu ihrem Gedanken ökologischer Nachhaltigkeit.

Paar durfte im Tatort mitspielen

Das Bauen hat sie in der Zeit gelernt – es sei einfach großartig, wenn etwas entstehe. Und in der Anbau-Phase lernte sie ihren Mann Bernhard Weitzell kennen. Der Musiker und ehemalige Gesamtschullehrer zog 1999 mit seinem Flügel und Büro ein – und brauchte Platz. Der Anbau wurde Weitzells Reich. Auf 1,5 Quadratmetern gönnte sich Weitzell ein Bad mit WC, Dusche und Waschbecken.

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WC, Dusche und Waschbecken passen auf 1,5 Quadratmeter.

„Sein Reich“ teilt sich Bernhard Weitzell auch schon mal mit einem Filmteam, wenn „Vadder“ Herbert Thiel aus dem Tatort Münster das Wohnzimmer zu seinem Spielort erklärt. Vier Tatorte wurden hier bereits gedreht. Auch die Schauspieler Jan Josef Liefers und Axel Prahl waren zu Besuch. „Vaddern hatte hier letztes Mal seine Hanfplantage“, erklären die beiden, die auch schon im Tatort mitspielen durften. Das wiederum wundert nicht. Weitzell hat mit „Pan & Syrinx“ seine eigene Theatershow. Wenn nicht gerade Corona ist, führen die zwei auch Stücke in der Siedlung auf.

KS_Tatort Wohnzimmer

Vier Tatorte wurden hier bereits gedreht.

Doch nicht nur der Anbau hat sich verändert. Auch das „Haupthaus“, das auf der anderen Seite des Hofs liegt. Annette übernahm das kleine Haus von den Vorbesitzern. Seit 1997 gehört das gesamte Siedlungsgelände, also der Grund, der Genossenschaft Kalscheurer Weg. Die Aufbauten gehören den Eigentümern, der Grund allen gemeinsam. Eine Eigenart in dieser Siedlung. Die beiden zahlen monatlich 268 Euro Pacht.

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„Bis 2002 konnte hier recht wild gebaut werden“, erklärt Weitzell. Die beiden haben das kleine 40 Quadratmeter große Haus nicht nur von Grund auf saniert. Man ahnt es schon: Sie haben es auch erweitert. Auch hier kam altes, gefundenes und geschenktes Material zum Einsatz, so dass keiner wirklich beziffern kann, was der Bau irgendwann gekostet hat. Die Küche wurde ganz nach ihren Vorstellungen eingerichtet. Zwischenzeitlich wohnten sie hier mit Tochter und Enkelin in drei Generationen. Es ist sicherlich nicht die letzte Veränderung für das Haus am Kalscheurer Weg.

Was den beiden hier so gut gefällt? „Jeder gestaltet sich hier seinen Grund anders. Es ist grün, es ist großartig. Es ist ein Privileg, hier zu wohnen“, erklären sie unisono. Ansonsten sei es wie überall: „Man grüßt eben nicht jeden, es gibt Streitigkeiten wie überall.“