Raderthal – Die Schranken am Eingang zum Gelände des Großmarktes an der Bonner Straße wirken wie die Schlagbäume einer Grenze. Wer sie passiert, erreicht einen fremdländisch anmutenden Ort, eine geheimnisvolle Stadt in der Stadt, ein Gewirr von Lagerhallen und Verkaufsräumen. Türkische oder osteuropäische Schriftzüge, Marken- und Inhabernamen werben für Südfrüchte, Gemüse, Bier oder Fisch. Einer der wenigen weithin sichtbaren Orientierungspunkte ist die alles überragende große Markthalle, die von 1937 bis 1940 gebaut wurde und mittlerweile unter Denkmalschutz steht.
Um Günter Wevering vom Amt für Stadtentwicklung haben sich rund zwanzig Kölner geschart und lauschen seinen Ausführungen. Denn die Stadt hat Großes vor mit dem insgesamt 100 Hektar großen Areal: Nach dem Umzug des Großmarktes im Jahr 2020 nach Marsdorf soll auf den dann verwaisten Flächen und dem angrenzenden ehemaligen Güterbahnhof Bonntor ein neues Stadtviertel entstehen – das Parkviertel Südstadt. Das ambitionierte Nutzungskonzept sieht dabei nicht nur die Schaffung von bis zu 1500 Wohnungen und Arbeitsstätten für mehr als 4000 Menschen vor. Auch der Kölner Grüngürtel soll auf einer Breite von 150 Metern bis zum Rhein verlängert werden. „26 Hektar neue öffentliche Parkanlagen – wann hat es in Köln schon einmal so einen Plan gegeben?“, fragt Wevering.
Um den Ortstermin gebeten hatte das kommunalpolitische Themenforum „Lobby für die Südstadt“. Die Mitglieder sind daran interessiert, dass das Gelände in Zukunft genutzt wird, um die Lebensqualität des Stadtteils zu steigern, erklärt Sprecher Karl-Heinz Walter. „Es gibt viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum, besonders für Familien.“ In diesem Punkt kann Günter Wevering die Gruppe allerdings beruhigen. Ein Ratsbeschluss garantiert, dass mindestens 35 Prozent der geplanten Wohnungen öffentlich geförderter Wohnungsbau sein müssen, also nicht nur Luxusbauten entstehen.
Um die Dimensionen des Projektes und die aktuellen städtebaulichen Missstände dort besser verstehen zu können, führt er die Gruppe in einem zweistündigen Kurs durch die Anlagen. Die alte Versteigerungshalle könnte er sich gut als Aula eines Grundschulkomplexes vorstellen. „Abgesehen von den wenigen Baudenkmälern gibt es aus unserer Sicht aber keine weiteren erhaltenswerten Gebäude“, fasst der Beamte zusammen. Abgerissen werden müsse nicht zuletzt wegen des vielen verschenkten Bauraums. Mehr als 20 Prozent des Geländes bestehen aus Frei-, Rangier- und Stellflächen.
Eine wesentlich größere Herausforderung, das klingt während der zweiten Hälfte des Rundganges an, dürfte der Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs werden. Der ist zwar formell seit 2010 aus der Bahnnutzung entlassen worden. Einige Liegenschaften wurden von der DB-Tochter Aurelius jedoch über das Jahr 2020 hinaus verpachtet. Die Schienen hingegen wurden bereits vor ein paar Monaten entfernt, so dass die Gruppe vom alten Bahnsteig aus auf ein besenreines Gleisbett blicken kann. Alexander, ein junger Geograf, ist fasziniert: „Ich wohne seit acht Jahren fast um die Ecke und wollte schon immer einmal wissen, wie das hier alles aussieht.“ Aus seiner Sicht hält das Areal mit seiner Größe schier grenzenlose Möglichkeiten bereit. „Ich denke, dass die bisherigen Entwürfe in die richtige Richtung gehen. Es wird aber letztlich auf die Details ankommen.“
Sollte der Rat im Herbst den Beschluss fassen, das Gelände als Sanierungsgebiet auszuweisen, würde voraussichtlich 2014/2015 ein städtebauliches Wettbewerbsverfahren starten, um konkrete Bebauungspläne zu generieren. „Bei der Formulierung der Auslobungstexte wird ebenfalls über eine Bürgerbeteiligung nachgedacht“, ergänzt Wevering.