Köln-Rodenkirchen – Die E-Mail, die ein Kölner am 17. Mai an das Büro des Fahrradbeauftragten der Stadt Köln schickt, endet mit den Worten: „Es wäre super, wenn Sie sich mal die Stelle anschauen könnten und dort vor Ort etwas ändern, bevor schwere Unfälle mit Radfahrern passieren.“ Aus heutiger Sicht lesen sich die Zeilen wie eine düstere Vorahnung. Denn gemeint ist die Stelle unterhalb der Rodenkirchener Autobahnbrücke – jene, wo am Montag ein 57-jähriger Fahrradfahrer ums Leben gekommen ist.
Präzise beschreibt der Absender der Mail vor zwei Monaten, warum er täglich „gefährliche Situationen“ unter der Brücke erlebe, wenn Radfahrer von der Rampe der Autobahnbrücke kommend die Straße überqueren wollen, um den gegenüber liegenden Radweg am Rheinufer zu erreichen. Schlecht beleuchtet sei die Stelle, es sei eine 50er-Zone, Warnschilder fehlten. Einen Zebrastreifen oder Ähnliches gebe es auch nicht. Stattdessen trennt bloß eine so genannte „Querungshilfe“ die Fahrbahn, also eine schmale Verkehrsinsel in der Mitte der Straße.
Andere Radler, der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC), aber auch Autofahrer beklagen sich am Dienstag im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die unübersichtliche Situation: Wer – wie jener Autofahrer, der den 57-jährigen Pedelec-Fahrer am Montag übersehen hatte – in Richtung Rodenkirchen unterwegs ist, muss mit dem plötzlichen Wechsel von Sonnenlicht zu Schatten zurechtkommen. „Je nachdem, wie die Sonne steht, ist es so, als fährst du in ein dunkles Loch“, sagt einer.
Zusätzlich behindern eine Beton- und eine Litfaßsäule am Straßenrand die Sicht auf der leicht verschwenkten Straße. „Radfahrer sehen zwei Sekunden lang kein Auto, und Autofahrer die Radfahrer nicht“, klagt ein Radler.
Lichtverhältnisse untersucht
Aus dem weiteren Mail-Verkehr zwischen der Stadt und dem Kölner Bürger geht hervor, dass Stadtverwaltung und Rhein-Energie seinem Hinweis vom Mai durchaus nachgegangen sind. Zumindest haben sie die Lichtverhältnisse unter der Brücke geprüft – geändert wurde allerdings nichts. Einige Meter hinter der Unfallstelle steht zwar eine Laterne. Die leuchtet aber nur nachts. Eine „Zuschaltung am Tage“ halte man nicht für ratsam, antwortet das Amt für Verkehrsmanagement am 8. Juni per Mail ohne nähere Begründung. Gegebenenfalls könne die Situation „anderweitig entschärft“ werden. Derzeit werde geklärt, ob es andere Möglichkeiten gebe, die Situation zu verbessern, heißt es in jener Antwort-Mail fünf Wochen vor dem folgenschweren Unfall.
Auf Anfrage teilte eine Stadtsprecherin am Dienstagabend mit, die betreffende Stelle unter der Rodenkirchener Brücke sei nicht als Unfallhäufungspunkt bekannt. Nächste Woche werde sich die Unfallkommission aus Experten von Stadt und Polizei den Ort anschauen und „verkehrstechnische Optimierungsmöglichkeiten“ prüfen.
Laut Polizei steht noch nicht fest, wie genau sich der Unfall am Montag zugetragen hat. Unterdessen will der ADFC am Mittwochabend eine Mahnwache unter der Rodenkirchener Brücke abhalten.
Generell stellt die Polizei in Köln eine wachsende Beteiligung von Pedelecs an Unfällen fest – Elektrofahrrädern also, bei denen der Fahrer von einem Elektroantrieb unterstützt wird, wenn er gleichzeitig selbst in die Pedale tritt. Bei einer Geschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde schaltet sich der Motor automatisch ab. Rechtlich gelten Pedelecs als Fahrräder.
Vermehrt Unfälle mit Pedelecs
Ein Grund für die vermehrten Unfälle ist schlicht die stetig wachsende Verbreitung von Pedelecs, ein anderer die laut Polizei fehlende Übung der Fahrer. Pedelecs oder so genannte S-Pedelecs, die Geschwindigkeiten jenseits von 25 km/h erreichen und als „motorisierte Zweiräder“ gelten, hätten ein anderes Fahrverhalten, betont ein Polizeisprecher. „Damit machen sich manche nicht immer hinreichend vertraut, bevor sie das Rad nutzen.“ Besonders häufig sind Senioren an Unfällen mit Elektrorädern beteiligt.