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Kommentar

Satirischer Wochenrückblick
Köln meine Perle

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Viele Menschen auf der Schildergasse

Die Fußball-EM lief an der Schildergasse vorbei. Die Besucherfrequenz lag nur unwesentlich höher als im Juni 2023.

Warum der 1. FC Köln zum Saisonauftakt in der Zweiten Liga gegen sich selber antreten muss.

Sollten Sie am Wochenende in die Ferien starten und deshalb weder Zeit noch Interesse an sinnlosen Nachrichten haben, müssen Sie jetzt nicht weiterlesen. Dann sind wir, die Zurückgebliebenen, die sich wie Bolle darauf freuen, dass Köln mehr als sechs Wochen lang nicht mehr aus Nähten platzen wird, schon mal unter uns. Und können uns in alle Ruhe einer unglaublichen News zuwenden.

Auf der Schildergasse waren im Juni 4,3 Prozent mehr Menschen unterwegs als im Juni 2023. Das hat ein Kölner Unternehmen herausgefunden, das nach eigenen Angaben wichtige Daten für den Handel „als unverzichtbaren Mehrwert“ aus 110 Städten in sechs Ländern liefert. Auch zu der Frage, wie quirlig es in Fußgängerzonen zugeht.

Na? Woran hat das wohl gelegen? Richtig. An der Fußball-EM.

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Allerdings, so räumen die Kundenzähler ein, seien die Steigerungsraten an anderen EM-Standorten deutlich höher als in Köln. Königstraße Stuttgart plus 36,6 Prozent, Kaufingerstraße München plus 17,2, Bahnhofstraße Gelsenkirchen plus 13,3, Westenhellweg Dortmund plus 11,7.

Belastbares gegen Bauchgefühl

Warum das so ist, darüber können die Experten nur spekulieren. Lag es am Wetter? An der Entfernung zum Stadion? Oder daran, dass die Schildergasse immer voll ist? Eines könne man aber mit Sicherheit sagen. In den Orten, in denen keine Spiele stattfanden, habe auch man keine Steigerung gemessen.

Wow! Das also ist das Ergebnis der Experten, die damit werben „Fakten gegen Vermutungen, Messungen gegen Meinungen, Belastbares gegen Bauchgefühl“ zu liefern. Das stimmt. Ich zum Beispiel war überrascht, dass es in Gelsenkirchen überhaupt noch eine Fußgängerzone gibt. Das letzte Mal, als ich dort war, erinnere ich mich an ein leeres Warenhaus mit einer Rolltreppe, die immer weiterfuhr. Weil der Pächter des Restaurants im obersten Stock nicht aufgeben wollte.

Genau das erwarte ich vom 1. FC Köln, der entgegen allen Gerüchten zum Auftakt die Zweitliga-Saison doch nicht gegen Fortuna Düsseldorf, sondern gegen sich selber antreten muss. Genauer gesagt gegen den Hamburger SV, dessen gesamter Trainerstab aus Ex-Kölnern besteht, nachdem Kevin McKenna nach Steffen Baumgart und René Wagner auch noch an die Elbe gewechselt ist.

Der Geißbock ist unverkäuflich

Nur den Geißbock haben die Fischköppe noch nicht auf dem Kieker. Hennes IX. ist unverkäuflich, selbst wenn er als EM-Orakel so kläglich versagt hat. Höchstens im Austausch gegen die Ingenieure, denen das Meisterstück gelungen ist, die Elbphilharmonie fertigzubauen.

Wenn ihnen das bei unserer Oper noch einmal gelingt, könnten wir in Erwägung ziehen, Lotto King Karl, den ehemaligen Stadionsprecher des HSV, zur Eröffnung unseres frisch renovierten Milliardengrabs eine kölsche Version seines Hits „Hamburg meine Perle“ singen zu lassen. Beim HSV steht das Lied seit dem Abstieg vor fünf Jahren auf dem Index, bloß weil Lotto King Karl darin Spieltag für Spieltag behauptet, dass es für Bremen in Hamburg nix zu holen gibt.

So etwas könnte in Köln niemals passieren. FC-Stadionsprecher Michael Trippel wird auch noch in 30 Jahren vor dem Verlesen der Mannschaftsaufstellungen die Auswärtsfans „in der schönsten Stadt Deutschlands“ willkommen heißen. Trippel ist in dieser Woche 70 geworden und wird – wenn gegen den HSV die neue Saison beginnt – seit 25 Jahren im Amt sein. Glückwunsch!