Sie sind wieder daDie „Propheten“ sind ins Kölner Rathauses zurückgekehrt
Lesezeit 4 Minuten
Köln – Sie sind wieder da! Die acht Propheten stehen wieder an der Nordwand des Hansasaals und gemahnen aus drei Metern Höhe mit ihrem Rat an eine moralisch einwandfreie Führung der Amtsgeschäfte. „Ich habe sie wirklich vermisst“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker am Freitag. „Es ist auch höchste Zeit, dass sie zurück sind, denn ihren Rat und ihre Mahnungen haben nichts von ihrer Aktualität verloren.“
„Du sollst nicht aus dem Rat schwatzen“, steht auf einer Banderole, und „ich habe mir schon so manches Mal gewünscht, dass das beherzigt würde“, so Reker. Oder: „Das gemeine Beste ist dem Persönlichen immer vorzuziehen.“
Kunststoff statt Eiche
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges befinden sich die Figuren an der mit Maßwerk gegliederten Wand des Saals. Um 1430 wurden sie wohl aus Anlass der Fertigstellung des hochmittelalterlichen Rathausturmes von einer Kölner Bildhauerwerkstatt gefertigt, aus Eiche, etwa einen Meter hoch und 30 Kilo schwer. Ursprünglich standen sie auf einer Treppe Spalier, die hoch in den Ratssaal führte, in der 1448 erstmals erwähnten „camera prophetarum“. Jeder Ratsherr musste sie also passieren und sein Gewissen prüfen.
Seitdem hat sich viel geändert: die Ratsdamen und -herren tagen längst in anderen Räumen und passieren infolgedessen die alten Herren gar nicht mehr. Überhaupt täuscht der Schein: Die Propheten auf dem hohen Podest sind auch nicht mehr aus fester deutscher Eiche geschnitzt, sondern aus Kunststoff gespritzt. Sie haben auch im wörtlichen Sinne an Gewicht verloren, denn sie wiegen nicht mehr 30, sondern gerade drei bis vier Kilo.
„Wenn man’s nicht weiß, sieht man es nicht“, sagt Moritz Woelk, Direktor des Museum Schnütgen, „jedenfalls nicht von hier unten.“ Nein, von den echten Figuren sind sie für den Laien nicht zu unterscheiden. Woelk muss es wissen, denn sein Haus stellt inzwischen die Originale aus, auf Augenhöhe, unter wohlklimatisierten, lichtgedimmten Glasvitrinen. Im Hansasaal konnten sie nicht mehr bleiben, denn die Luftfeuchtigkeit und Temperaturschwankungen im heute nur noch repräsentativ genutzten Hansasaal setzten den alten Herren zu.
Reker wollte die Skulpturen in einem der schönsten Säle des Rathauses nicht missen und schlug vor, originalgetreue Repliken anfertigen zu lassen. Also wurden die 600 Jahre alten Skulpturen per Scanner exakt erfasst und die gewonnenen Daten für den 3D-Drucker aufgearbeitet – 30 Stunden Rechnerei für eine Figur. In Augsburg erstand die äußere Hülle der Repliken aus PET-Kunststoff neu, im Spritzguss-Verfahren, aber im tristen Plastikgrau.
Kunstmaler Hans Wäckerlin verlieh dem Plastik die alte Aura
Die Handarbeit und ein wahres Kunststück lieferte Hans Wäckerlin ab. Der Kunstmaler verlieh dem Plastik die täuschend echte, 600 Jahre alte Aura. Immer wieder glich der Kunstmaler seine Farben mit den originalen Vorbildern ab. Keine Farbe sei eindeutig, so Museumsdirektor Woelk, denn die Figuren wurden im Lauf der Jahrhunderte mehrmals übermalt, verschiedene Farbschichten liegen übereinander. Wäckerlin aber hauchte ihrem Kunststoffherzen Leben ein.
So stehen nun acht funkelnagelneue, aber namenlose Propheten den original-erhaltenen „Neun Guten Helden“ im gotischen Fialwerk der Südwand gegenüber: Alexander der Große, Hektor und Julius Cäsar; Judas Maccabeus, David und Josua sowie Gottfried von Bouillon, König Artus und Kaiser Karl der Große – die Vertreter der heidnischen, jüdischen und christlichen Geschichte, Repräsentanten des Rechts.
Ursprünglich waren auch diese Figuren aus Tuffstein mit bunten, lebensechten Farben bemalt gewesen. Beide Figurengruppen stammen aus zwei Phasen der Stadtgeschichte, erklärte Woelk. Die Könige sind eine Referenz an die ritterlich-höfische Zeit. Die später entstandenen Propheten gehören der Zeit der regierenden Patrizier an. „Das sind sozusagen Vertreter des demokratischen Prinzips“, so Reker. Die Oberbürgermeisterin bemüht sich derzeit noch um Spenden für die Replikate, deshalb sei noch nicht zu sagen, welchen Anteil des geschätzt 150 000 Euro teueren Projekts die Stadt übernimmt.
Könige und Patrizier
Und natürlich ist es ein frommer Wunsch: Unter den acht üppig gewandeten Altvorderen ist auch eine glattwangige Figur mit rosigen Bäckchen. Und da kommt die erste Oberbürgermeisterin der altehrwürdigen Stadt Köln nicht umhin, augenzwinkernd zu bemerken: Könnte ja auch eine Frau sein.
Wenn man will. Rein wissenschaftlich gesehen und kunsthistorisch korrekt: Definitiv nicht. Eine „Prophetin“ hätte es Mitte des 15. Jahrhunderts wohl nicht vor die Tür des Ratssaals geschafft, meint Museumsdirektor Woelk. „Auch hätte sie gewiss Frauenkleider getragen.“ Zweifellos aber hätte den Mannsbildern ordentlich ins Gewissen geredet.