Köln – Der Machtkampf innerhalb der SPD hat am späten Mittwochnachmittag einen Höhepunkt erreicht – die neue Fraktion im Stadtrat wählte Amtsinhaber Christian Joisten mit einer deutlichen Mehrheit erneut zum Fraktionsvorsitzenden. Oberbürgermeister- und Spitzenkandidat Andreas Kossiski, der ihn am Sonntag nach der verlorenen Stichwahl herausgefordert hatte, unterlag ihm.
Joisten erhielt elf Stimmen, Kossiski sieben. Ein Ratsmitglied enthielt sich. Dass es überhaupt zum Zweikampf um den Fraktionsvorsitz kommen konnte, legt die nach wie vor tiefe Zerrissenheit der SPD deutlich sichtbar offen. Anderenfalls wäre das Thema der Besetzung des Spitzenpostens schon vor der Stichwahl geklärt gewesen. Es konnte kaum überraschen, dass Kossiski – der als zunächst völlig aussichtsloser OB-Kandidat in der Stichwahl mit 40 Prozent ein respektables Ergebnis ablieferte (hier lesen Sie mehr) – seinen Hut in den Ring werfen würde. Die Partei wählte ihn auf den Spitzenplatz der Reserveliste für die Kommunalwahl – das machte ihn automatisch zu einem Anwärter auf den Fraktionsvorsitz, wie ein Blick auf die Konkurrenz zeigt. Christiane Martin (Grüne) und Bernd Petelkau (CDU) waren ebenfalls Spitzenkandidaten ihrer Partei und sind jetzt Fraktionsvorsitzende.
Köln: Joisten wirft Kossiski Wortbruch vor
Die Grünen sind ein Beispiel dafür, wie ein Konkurrenzkampf so ausgetragen wird, dass Partei und Fraktion kein Schaden entsteht. Die bisherige Fraktionschefin Brigitta von Bülow suchte die öffentliche Auseinandersetzung mit ihrer Spitzenkandidatin Martin erst gar nicht. Sie verzichtete darauf, noch einmal als Kandidatin für den Vorsitz anzutreten.
Bei der SPD wollte Fraktionschef Christian Joisten seinen Platz hingegen nicht räumen. Er warf Kossiski vor, Wortbruch begangen zu haben. Der OB-Kandidat habe ihm versprochen, seinen Sitz im Stadtrat gar nicht erst anzutreten, geschweige denn, Fraktionschef werden zu wollen. Einen Beleg dafür konnte Joisten allerdings nicht liefern. Kossiski bestreitet, sich jemals so geäußert zu haben.
Die Art und Weise, wie die SPD interne Konflikte in aller Öffentlichkeit austrägt, hat sich seit dem Abgang des ehemaligen Fraktionschefs Martin Börschel nach der Stadtwerke-Affäre verfestigt. So haben sich zwei Lager gebildet, die sich nicht den politischen Richtungen zuordnen lassen. Dem einen Lager gehört unter anderem Joisten an, dem anderen Börschel. Die Rats- und Fraktionsmitglieder teilen sich allerdings nicht nur in diese Richtungen auf. Es gibt auch viele, die hin- und her wechseln oder versuchen, sich neutral verhalten. Es war daher zu erwarten, dass die Wahl des neuen Fraktionsvorsitzenden knapp ausgehen würde.
Nachdem Joisten den Zweikampf klar zu seinen Gunsten entschieden hat, muss er alles unternehmen, um die gespaltene Fraktion wieder zu einen. Die SPD wird sonst in der kommenden Ratsperiode erneut keine wichtige Rolle spielen, obwohl sie die zweitstärkste Fraktion hinter den Grünen ist. Angesichts dessen, dass eine Neuauflage des schwarz-grünen Bündnisses unter den umgekehrten Vorzeichen einer grünen Führungsrolle nicht von langer Dauer sein muss, wäre es aus Sicht der SPD umso wichtiger, im Rat wieder als verlässlicher Gesprächspartner wahrgenommen zu werden. Das war in den zurückliegenden anderthalb Jahren zunehmend nicht der Fall. Ein Neuanfang ist grundsätzlich denkbar, da die neue Fraktion auch über einige neue Mitglieder verfügt, die bislang nicht in den seit langer Zeit schwelenden Konflikten mit den anderen Fraktionen verstrickt sind. „Ich danke der Fraktion für ihr Vertrauen“, sagte Joisten am Mittwoch. Gemeinsam werde die SPD die Arbeit für ein soziales Köln fortsetzen und weiter für bezahlbares Wohnen, kostenfreie Bildung und die Verkehrswende kämpfen. Köln brauche eine starke Sozialdemokratie.
Joisten ist in Kölner SPD umstritten
Joisten gilt innerhalb der SPD als umstritten. So versuchten seine drei Stellvertreter im Frühjahr vergeblich, ihren Chef abwählen zu lassen. Der Fraktionsvorsitzende konnte das gerade noch abwenden, weshalb er sich seitdem in seiner Rolle bestätigt fühlt. Dennoch sieht er sich in regelmäßigen Abständen mit fraktions- und parteiinterner Kritik konfrontiert. So ist zu hören, dass es ihm nach wie vor nicht gelungen ist, die zerstrittene Fraktion wieder zueinander zu bringen. Es werden auch Vorwürfe laut, er habe die Konflikte noch weiter verschärft. Joisten weiß dennoch nach wie vor viele Parteifreunde hinter sich und ist bereit, einen erneuten Versuch zu unternehmen, die Fraktion wieder zusammenzubringen.
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Andreas Kossiski hat sich bis zu seiner Nominierung als SPD-Oberbürgermeisterkandidat aus der Kommunalpolitik weitgehend herausgehalten. Als Landtagsabgeordneter blickte er eher aus einer übergeordneten Perspektive auf die Stadt. Das hat sich während des Wahlkampfes geändert. Kossiski ist in die Ratspolitik eingetaucht. Ob er nach seiner Niederlage im Zweikampf um den Vorsitz nun trotzdem in der Fraktion bleiben wird, ist noch offen. „Ich wünsche Christian Joisten ein glückliches Händchen, die Fraktion besonnen zu führen und sie gleichzeitig für kommende Aufgaben aufzustellen“, sagte er.
Da die SPD in den kommenden Wochen verschiedene Posten in Aufsichtsräten städtischer Gesellschaften sowie im Stadtrat besetzen muss, wird Joisten Verantwortung übernehmen müssen. Es wird sich zeigen, ob beide Lager gleichermaßen berücksichtigt werden oder eine der beiden Seiten bevorzugt wird.