Köln – Ein ohrenbetäubender Knall jagt den Ehrenfeldern an einem Freitagmorgen vor 29 Jahren einen gewaltigen Schrecken ein. Der Boden erzittert wie bei einem Erdbeben, eine Staubwolke hüllt die Venloer Straße ein. Das Haus Nummer 354 wird in seinen Grundfesten erschüttert. Risse jagen die Fassade hinauf, Wände stürzen ein, das Dach fällt in sich zusammen, als sei eine Bombe eingeschlagen.
17 Menschen wurden verletzt
17 Menschen werden bei der Gasexplosion am 15. April 1988 verletzt. Dass in dem Mehrfamilienhaus niemand ums Leben kam, grenzt an ein Wunder. Bei Bauarbeiten für die neue U-Bahn-Strecke hatte ein Bagger eine Gasleitung beschädigt. Als Techniker die Leitung absperren wollten, kam es zur Detonation.
Das Unglück war zugleich die Geburtsstunde der Polizeiwache an der Venloer Straße, gleich neben dem Bahndamm – „der Urknall“, wie es ein Ehrenfelder Polizist ausdrückt. Denn in das neu aufgebaute Haus zog vier Jahre später, im April 1992, die Polizei als Mieter ein – und blieb bis heute. In den Zeitungen erntete die Behörde seinerzeit auch heftige Kritik: „Während die Opfer der Explosion nicht wussten, wo sie hin sollten, sicherte sich eine Kölner Polizei-Delegation das Gelände für ihr neues Zuhause“, schrieb der „Express“.
Fakt ist: Die neu errichtete Wache in Ehrenfeld war damals die modernste in ganz Köln, nebenbei auch die erste, die von vornherein als Polizeiwache konstruiert wurde. Bis dahin hatte die Behörde bestehende Bürohäuser genutzt und sie den eigenen Erfordernissen notdürftig angepasst – zum Ärger der Beamten, denn die Umbauten waren häufig nicht alltagstauglich.
Peter „Fritz“ Laßka bricht heute noch der Schweiß aus, wenn er an die enge Treppe denkt, die in der ehemaligen Polizeiwache am Melatener Weg in den Keller hinab zu den Zellen führte. In dem Gebäude an der Ecke zur Vogelsanger Straße waren die Ehrenfelder Polizisten bis zu ihrem Umzug 1992 untergebracht. „Das waren ungefähr 20 Stufen“, erinnert sich Laßka (58), damals junger Hauptwachtmeister, heute erfahrener „Dorfsheriff“ in Ehrenfeld. „Wir haben die Leute immer zu zweit runtergebracht. Wenn ein Gefangener betrunken war und sich wehrte, konnte es schwierig werden.“ Der ein oder andere sei die Treppe eher hinabgefallen als -gestiegen.
Die Treppe gibt es heute immer noch, auch die Toiletten im Keller, aber aus den Zellen wurden Lagerräume. Auch sonst erinnert in dem Gebäude am Melatener Weg nichts mehr an die Polizei. „Da ist nichts übrig geblieben“, bestätigt Seyfi Ögütlü, Generalsekretär des Verbands der Islamischen Kulturzentren e.V. Dem 1973 in Köln gegründeten VIKZ sind bundesweit mehr als 300 Moscheevereine angeschlossen. Der Verband hat das Haus 1992 von der Polizei übernommen und gekauft, hat es saniert, renoviert, ein bisschen umgebaut und seinen Hauptsitz dort eingerichtet.
Von außen erkennt man noch heute die niedrige Zufahrt zum Hinterhof. „Da haben die jungen Kollegen immer die Blaulichter von den VW-Bullis abgefahren“, erinnert sich Hauptkommissar Laßka. Heute ist die Einfahrt zum Gelände videoüberwacht. Davon konnte die Polizei damals nur träumen. „Wir hatten nicht mal eine gesicherte Tür, geschweige denn eine Schleuse wie heute. Wer rein ging, stand direkt vor dem Wachhabenden.“
Manchmal, wenn Laßka als Funker im so genannten Cebi-Raum Dienst hatte (benannt nach der Einsatzbearbeitungssoftware Cebius), ließ er die Eingangstür der Wache gleich ganz offen stehen – damit wenigstens ein bisschen Luft reinkam. „Der Raum war sehr klein, hatte nur ein Fenster, das sich nicht öffnen ließ, wo aber die Sonne draufknallte. Und damals rauchten ja auch noch alle. Die Luft da drin war schlimm.“
Zusätzlich ratterte stundenlang der Fernschreiber. „Wenn man nach einer Nachtschicht nach Hause fuhr, hatte man Kopfschmerzen.“ Mit frischer Luft auf der Wache war das offenbar generell so eine Sache. Laßka erinnert sich an seinen Kollegen, der den Fuhrpark verwaltete. Dessen Arbeitsplatz war in der Tiefgarage, ganz hinten durch. „Der arme Kerl saß den ganzen Tag im Abgas-Nebel.“
Erste Frauen bei der Polizei sorgten für Hektik
Ein bisschen Hektik kam Mitte der 80er Jahre auf, als in NRW die ersten Frauen zur Polizei kamen. Vier fingen damals gleichzeitig am Melatener Weg an: eine pro Dienstgruppe. Auch räumlich war man am Melatener Weg nicht auf die Revolution vorbereitet: Den knapp hundert männlichen Beamten diente ein Raum als Umkleide, Aufenthaltsraum und Ort für das Feierabendbierchen zugleich. Und nun musste plötzlich eine Umkleidemöglichkeit für die neuen Kolleginnen geschaffen werden.
Aber auch das hat geklappt. Dennoch – dem Melatener Weg trauert Laßka nicht nach. Der alte Standort liegt zwar nur 500 Meter Luftlinie von der jetzigen Wache entfernt. Für die Beamten aber war es 1992 ein Quantensprung.