Köln – Der Schwan sah aus, als würde er schlafen. Sein Kopf war in den weißen Federn vergraben, die klaffende Bisswunde am Hals nicht zu sehen. Vermutlich hat ein Hund das Tier am Fühlinger See am vergangenen Samstag angegriffen. Das Küken schwamm um die tote Mutter herum. „Der Vater wurde ein paar Tage vorher tot gebissen“, sagt Dino Marcotullio. Der 35-jährige Lokführer kümmert sich in seiner Freizeit um verletzte Wasservögel – und manchmal auch um verwaiste Küken. Er hat Anzeige gegen unbekannt erstattet. Dem Hundehalter droht ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz.
Marcotullio fährt mit seinem Kumpel Andreas Hofmann los, wenn Enten auf Balkonen brüten oder Küken alleine durch die Stadt watscheln. Sie fangen Gänse ein, die Angelhaken im Kopf haben, und Enten mit ölverschmiertem Federkleid. „Es kümmert sich ja sonst keiner darum“, sagt Andreas Hofmann (42). Die Tierschützer werden oft von der Stadt oder der Feuerwehr benachrichtigt. Sie haben immer ein paar Katzentransportkörbe in ihren Autos, in denen sie die Vögel zu einer Aufzuchtstation nach Hattingen bringen. Pro Strecke sind das mehr als 70 Kilometer. „Klar, es ist viel Zeit, Arbeit und Geld“, sagt Dino Marcotullio. Aber er könne ja auch nicht einfach nichts tun. Andreas Hofmann sagt: „Einerseits möchten wir die Tiere retten, andererseits bleibt das Privatleben natürlich manchmal auf der Strecke.“
Seine Frau bleibt gelassen, wenn sie ins Bad kommt und ein Entenküken vorübergehend in der Wanne schwimmt. Und sie wartet, wenn ihr Mann ein verletztes Tier mit Toastbrot anlockt, um es im richtigen Moment zu packen – auch, wenn das Paar eigentlich nur einen ganz normalen Sonntagsspaziergang ohne Tierrettung geplant hatte. „Aber manchmal ist sie schon genervt“, sagt Hofmann, der auch bei der Deutschen Bahn arbeitet, als Fahrdienstleiter.
Die schönsten Momente sind für Hofmann und Marcotullio, wenn sie die Vögel wieder aussetzen können. Sie stellen dann die Katzentransportkisten ans Ufer, öffnen die Türen und schauen zu, wie die Enten zurück in die Freiheit stürmen. Kaum eine verlässt die Kiste zögerlich, die meisten rennen ins Wasser. Neulich gab es einen Notfall bei RTL in Deutz. Eine Entenmutter hatte sich mit ihren acht Jungen in den Innenhof verirrt. Hofmann schaffte es, sieben Küken und die Mutter einzufangen. Nachmittags rief er seinen Kumpel an: „Komm, Dino, lass uns noch mal nach dem Küken schauen!“ Sie fuhren wieder nach Deutz. Keine Spur vom Küken. Hofmann spielte seinen Handyklingelton ab – das Geschnatter einer Ente. Und da kam das Entchen aus einem Gebüsch gesaust.
Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Grünflächenamts, kennt Kölns Entenretter. „Die machen einen guten Job“, sagt er. Das Amt hat den beiden eine Bescheinigung ausgestellt, die es ihnen erlaubt, Wasservögel einzufangen. Denn manchmal werden sie von Spaziergängern beschimpft, wenn sie die Vögel davontragen.
Frei laufende Hunde sind vor allem während der Brutzeit an allen Weihern ein Problem. Vor allem, wenn die Vögel keinen Schutzraum haben oder nicht aufs Wasser fliehen können. So wie am Weiher im Mülheimer Stadtpark und am Klettenbergparkweiher. Die Stadt musste beide Gewässer leer pumpen, um den Boden reinigen zu können. „Ein Hauptproblem ist, dass Spaziergänger die Enten füttern“, sagt Bauer. Trotz Verbotsschildern landet zu viel Brot in den Weihern, zusammen mit dem Kot der Vögel verändert sich dadurch der Sauerstoffgehalt des Wassers. Das Gewässer kann umkippen, so wie 2010 der Aachener Weiher. Damals starben viele Fische und Dutzende Enten. „Seitdem haben wir das Problem stärker im Bewusstsein“, sagt Bauer. 300 000 Euro kostet allein die Sanierung des Weihers in Klettenberg.
Dem Schwanenküken vom Fühlinger See geht es gut. Marcotullio hat sich am Montag noch nach ihm erkundigt. Es wird in der Aufzuchtstation aufgepäppelt, bis es kräftig genug für die Auswilderung ist.
Zeugen, die am 17. oder am 22. Juni am Fühlinger See (Aufwärmbecken Regattabahn) gesehen haben, dass ein Hund die Schwäne angegriffen hat, können sich bei der Polizei unter Telefon 0221/229-0 melden.