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Universität KölnAmirpur bundesweit erste Beauftragte für Rassismuskritik

Lesezeit 6 Minuten
Uni Köln dpa

Die Kölner Universität

Köln – Die Universität zu Köln hat als erste in Deutschland eine Beauftragte für Rassismuskritik. Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur übernimmt für zunächst zwei Jahre den neu geschaffenen Posten, der auf der Ebene des Prorektorats für akademische Lehre und Chancengleichheit angesiedelt.

Katajun Amirpur

Im Gegensatz zu den Ansprechpersonen für diskriminierende oder rassistische Vorkommnisse im Kontext der Universität soll sie sich um „eine konstante Haltung der Reflexion“ bemühen, wie man Rassismus in der eigenen Institution und in der Gesellschaft bekämpfen und verhindern könne, erklärt die 50 Jahre alte Wissenschaftlerin im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Auf ähnlichem Level wie Pädophilie“

Sie spricht von einem „komplizierten Prozess“. Schließlich seien die meisten Menschen – nicht nur an der Universität - davon überzeugt, dass das Problem sie persönlich gar nicht betreffe. „Rassismus rangiert auf einem ähnlichen Level wie Pädophilie“, sagt Amirpur: Der Vorwurf löst sofort massive Abwehr-Reflexe aus. Trotzdem und umso mehr sei festzustellen: „Rassismus gibt es überall, auch an der Universität, und er verschwindet nicht durch die Behauptung, ‚dafür sind wir doch alle zu intelligent‘“, sagt Amirpur.

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Zur Person

Katajun Amirpur, geboren 1971 in Köln, ist die Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter. Sie hat in Bonn Islamwissenschaft und Politologie, in Teheran schiitische Theologie studiert. In ihrer Doktorarbeit und ihrer Habilitation befasste sie sich mit iranischen Reformtheologen.

Nach einer Assistenzprofessur in Zürich wurde sie 2011 Professorin für Islamische Studien an der Universität Hamburg. Dort wurde sie auch Vize-Direktorin der Akademie der Weltreligionen. Im Sommersemester 2018 übernahm sie den Lehrstuhl für Islamwissenschaft mit Schwerpunkt iran- und schia-bezogene Studien an der Universität zu Köln.

Amirpurs Buch „Reformislam. Der Kampf für Demokratie, Freiheit und Frauenrechte“ ist im Verlag C. H. Beck erschienen, 256 Seiten, 16,95 Euro. (jf)

Rassismuskritik ziele weniger auf die Neonazis mit den Springerstiefeln. „Das sind die ‚leichten Fälle‘, weil man sie direkt erkennt“. Vielmehr gehe es um den unterschwelligen, aber breit gestreuten Rassismus, der subjektiv oftmals gar nicht sofort als solcher wahrgenommen werde. „Das ist so ähnlich, wie wenn jemand einem anderen auf den Fuß tritt – und dann sagt, ‚war doch nur ein Versehen‘. Der Fuß tut trotzdem weh, und ein ‚tut mir leid‘ allein hilft da nicht weiter. Vielmehr muss man sich den Schmerz bewusst machen, den man einer anderen Person hat – und dann eben stärker darauf achten, wo man hintritt.“

Stereotype benennen

Nicht jede rassistische Bemerkung mache jemanden gleich zum waschechten Rassisten, betont Amirpur. „Aber es werden Stereotype bedient – und das muss man benennen.“ Für Alltags-Rassismus in Forschung und Lehre zu sensibilisieren, sei umso wichtiger an einer Universität, an der mehr ein Viertel aller Studierenden selbst Migrationshintergrund hat, sagt Amirpur.

Verglichen damit, sei der Lehrkörper immer noch „unglaublich weiß“, sagt sie. „Es ist ja vielsagend, dass die Aufgabe Rassismus-Kritik bei mir gelandet ist. Eigentlich bin auch viel zu weiß. Immerhin heiße ich anders. Aber im Grunde geht es bei einer solchen Stelle ja auch um das Sichtbarmachen von Vielfalt.“ Wie die Menschen einem anderen begegneten, habe sehr viel mit dem Aussehen zu tun, findet die Deutsch-Iranerin. „Schwarze Studierende können viel davon erzählen, wie es ist, wenn sie in der U-Bahn stehen und ihr Gegenüber plötzlich seine Tasche umklammert.“

Große Aufmerksamkeit des Rektorats

Das Rektorat habe sich des Themas angenommen – nicht etwa, weil die Universität zu Köln ein ausgeprägtes Problem mit Rassismus hätte, sondern weil die Aufmerksamkeit größer, die Sensibilität höher geworden sei. „Die Uni Köln stellt sich entschieden gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsvergessenheit", sagt Rektor Axel Freimuth dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die neu geschaffene Beauftragtenstelle sei daher "ein wichtiger Baustein für ein tolerantes und reflektiertes Miteinander an unserer Universität“.

Ungeachtet ihrer Herkunft, so Amirpur, liege ihr das Thema Rassismus-Kritik auch als Wissenschaftlerin am Herzen und sei – mit dem Fokus auf anti-islamischem Rassismus – auch Teil ihrer Studien, erklärt Amirpur. Sie sehe sich selbst in einer Scharnierfunktion zwischen Universitätsleitung, Lehrkörper und Studierendenschaft.

Werkstatt Rassismuskritik

Als erstem Projekt im neuen Amt will sich Amirpur der nächsten „Werkstatt Rassismuskritik“ widmen, die zur Frage „Was ist rassismuskritische Lehre?“ geplant ist. Zu diesem Thema will die Universität auch eigene Leitlinien entwickeln. Beispiel: Die Ächtung des N-Wortes für schwarze Menschen (People of Color, PoC).

Was das konkret bedeuten kann, schildert Amirpur mit Hinweis auf den Philosophen Immanuel Kant, der das N-Wort in seinen Schriften verwendet, ebenso wie rassistische Stereotype. Es genüge nicht, sich in der Lehre auf den Standpunkt zu stellen: „Das ist ein Quellentext, und da steht das nun mal so. Da ist nichts zu machen.“ Amirpur skizziert die Alternative: „Wenn solch ein Wort bei Betroffenen etwas auslöst, dann ist es ratsam, das ernst zu nehmen.“ Und wie? „Zum Beispiel, in dem das N-Wort nicht ausgesprochen und seine Verwendung problematisiert wird.“

War Immanuel Kant nur ein Kind seiner Zeit?

Wenn zum Beispiel die philosophische Fakultät eine Kant-Professur besetzt, sollte man die Bewerberinnen und Bewerber schon mal fragen: „Wie wollen Sie das eigentlich machen?“ Man könne nicht so tun, als wäre ein Kant auch nur „Kind seiner Zeit“ gewesen und als hätten rassistische Stereotype nichts mit seinem Denken zu tun.

Als ein weiteres Projekt nennt Amirpur die von Freimuth angestoßene Provenienzforschung: die Frage nach der Herkunft bestimmter Archivalien der Universität und einem kolonialistischen Kontext ihres Erwerbs. Freimuth hat bereits die – hier besonders berufenen – Historiker gebeten, genauer hinzuschauen.

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Die Besetzung mit einer Professorin und die Anbindung an das Prodekanat für Chancengleichheit signalisieren die Bedeutung, die die Universitätsleitung der neu geschaffenen Position beimisst. Weisungsrechte oder disziplinarische Befugnisse sind damit nicht verbunden. „Das ist an der Universität immer ganz schwierig“, sagt Amirpur. Es könne aber auch nicht darum gehen, eine rassismuskritische Kultur von oben zu erzwingen. „Das funktioniert sowieso nicht. Dass wir jetzt in der Universität darüber sprechen, ist schon für sich genommen gut. Häufigeres Reden flacht die Erregungskurven ab, macht die Themen alltagstauglicher.“

Überhitzungen und Übertreibungen seien wenig sachdienlich, betont Amirpur. „Wenn ich höre, dass Helen Mirren in ihrem neuen Film ‚Golda‘ nicht die israelische Politikerin Golda Meir spielen solle, weil sie keine Jüdin ist; oder wenn darüber diskutiert wird, wer welches Gedicht von welchem Autor übersetzen darf – dann denke ich mir schon, ‚Hilfe, jetzt übertreibt doch nicht so! Das führt doch nur zu Abwehrreaktionen bei denen, wie wir überzeugen wollen‘.“