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Veedels-CheckIn Niehl kann man noch das Grün atmen

Lesezeit 7 Minuten
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Die „Patrizia Höfe“

Niehl – Hält man im Jahr 2018 zusammen in den Veedeln? Gibt es sie noch, die typisch kölschen Veedel? Mehr als 30.000 Kölner haben sich an unserer nicht repräsentativen Umfrage beteiligt und Noten für Ihre Stadtteile verteilt. Alle 14 Tage veröffentlichen wir die Ergebnisse von fünf weiteren Veedeln.

Die Ergebnisse zu den bislang veröffentlichten Stadtteilen mit Bewertungen zu den Themen Verkehr, Einkaufen, Sicherheit und vielem mehr finden Sie hier.

Niehl – das Porträt

Was ist außergewöhnlich an Ihrem Stadtteil? Wer die Niehler das fragt, erhält meist ungewöhnliche Reaktionen: Verwunderung. Ratlosigkeit. Einige lachen etwas verlegen. Was soll hier schon so besonders sein, lautet die Gegenfrage. Immerhin ist die Rede von Niehl, nicht vom hippen Nachbarn Nippes.

In dem früheren Fischerdorf im Kölner Norden macht man sich über dieses Thema selten Gedanken. Nette Ecken, lokale Eigenheiten und ja, eben Besonderheiten – sie fallen erst auf den zweiten Blick auf. Selbst die Einwohner müssen zuerst darüber nachdenken. Dann aber folgen lange Aufzählungen: die gute Infrastruktur und Anbindung an die Stadt. Die wunderbare Nähe zum Rhein, der direkt an den Häusern Alt-Niehls vorbeifließt. Der eigene Karnevalszug. Oder das Dömchen aus dem 13. Jahrhundert, die kleinste romanische Kirche in Köln. Das Veedel, so scheint es, hat ein bisschen von Allem.

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Das Hochhaus mit Köln-Skyline an der Friedrich-Karl-Straße.

Niehl ist ein Dorf. Und zwar ein richtiges. Eine Urkunde aus dem 10. Jahrhundert gibt das früheste Zeugnis für eine Siedlung an dieser Stelle ab. Für lange Zeit lebten die Bewohner hauptsächlich von der Fischerei. Erst 1888 wurde es offiziell zum Kölner Stadtgebiet. Mit dem Einzug der Ford Werke 50 Jahre später mauserte sich das Dorf zum Industriestandort, im Vergleich eine kurze Zeitspanne.

Kaum verwunderlich, dass die Niehler ein ambivalentes Verhältnis zu Köln haben. So mancher fährt zum Einkaufen mit der Straßenbahn „in die Stadt“. Doch das „Land“ – angefangen bei Fühlingen oder dem Worringer Bruch – ist ebenso nah. Niehl ordnet sich irgendwo dazwischen ein: ein dörfliches Veedel oder halt ein kölsches Dorf. Auch einen Kirchplatz direkt an der Hauptstraße, der Sebastianstraße, hat Alt-Niehl vorzuweisen. Ein Wahrzeichen im neueren Teil des Veedels ist an der Friedrich-Karl-Straße die moderne, 1964 vollendete Backsteinkirche St. Clemens mit ihrem hohen, runden Glockenturm samt gefaltetem Dach.

Historisches Fischerdorf

Diese Unterscheidung zwischen altem und neuerem Teil prägt den Stadtteil noch heute. Neu-Niehl oder Niehl-Süd kam schließlich erst mit der Angliederung an Köln stückweise hinzu. Heute erstreckt es sich auf einem Areal von den Gleisen an der Niehler Straße/Ecke Scheibenstraße, der Amsterdamer Straße bis zur Hochbahn der Linie 13. Das historische Fischerdorf bildet das Dreieck zwischen Pastor-Wolff-Straße, Sebastianstraße und Niehler Damm: hier lebt Alt-Niehl. „Früher fing Niehl für mich stadtauswärts kommend mit den Schienen an. Vom Gefühl her waren die Gleise für Alt-Niehl eine gewisse Einkreisung“, erläutert Anwohner Richard Stabe. Zu Neu-Niehl hat er keine enge Verbindung. „Ich bin in Alt-Niehl verwurzelt. Ich weiß nicht, ob das auf der Friedrich-Karl-Straße zum Beispiel auch so möglich wäre“, sagt Stabe. „Neu-Niehl tendiert mehr in Richtung Nippes“, stimmt ihm seine Frau Anny zu.

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Der neu gestaltete Spielplatz am Rhein in Alt-Niehl.

Das Ehepaar verbrachte bereits seine Kindheit in Alt-Niehl. Richard Stabe kann davon unzählige Geschichten erzählen. „Damals kanntest du jeden in Niehl“, sagt er und berichtet, wie er mit den anderen Jungs auf der Hillesheimstraße Fußball spielte. Mit Steinen als Tore. In einem extrem kalten Winter sei einmal die Straße in der Siedlung zugefroren, erinnert sich seine Frau. Sie sei darauf Schlittschuh gelaufen.

Als wahre Legende gilt die ehemalige Personenfähre zwischen Niehl und Stammheim. Lange, so erzählen die Alteingesessenen, transportierte sie Badegäste nach Flittard. „Ich bin in den 1960er Jahren als Kind da rüber gefahren“, sagt Bernd Valjeur, der Vorsitzende des ansässigen Bürgervereins. Ins Innere des Kahns hätten 20 oder 30 Leute gepasst, berichtet Richard Stabe. „Das war unser Strandurlaub auf der anderen Rheinseite.“ Heute erinnert nur noch die Anlegestelle am Niehler Damm daran.

Noch immer leben die Stabes samt Familie in Alt-Niehl – mittlerweile in der dritten Generation. Doch das Dorf hat sich verändert. Mit rund 12,06 Quadratkilometern Fläche ist Niehl der fünftgrößte Stadtteil Kölns. Etwa 8,6 Prozent davon ist Erholungsfläche. Das klingt zunächst nach wenig Grün. Doch viele Niehler empfinden genau das Gegenteil. Im Sommer tummeln sich Familien und Freundesgruppen in den angrenzenden Rheinauen. Die Promenade des Niehler Damms ist ebenfalls beliebt. Dort können Kinder auf einem Spielplatz mit Rheinblick toben. Daneben wird derzeit ein Boule-Platz angelegt. Dass unterscheidet das Veedel eben von seinen hipperen Geschwistern. „In Niehl haben Sie noch die Möglichkeit, ein bisschen Grün zu atmen“, fasst es Bernd Valjeur zusammen.

Rückkehr eines Supermarktes

Neben den Grünflächen entstehen immer wieder neue Wohnungen und Kindergärten, junge Familien ziehen hinzu. Der Fußballverein CfB Niehl kickt mittlerweile auf Rasenplätzen. Auf einem neuen Plätzchen an der Sebastianstraße hat eine Bäckerei-Kette ein Café mit Sonnenterrasse eröffnet. Ein aktuelles Highlight – nach der Rückkehr eines Supermarktes vor einigen Jahren ins Dorf.

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Alt St. Katharina am Rheinufer

Denn Neueröffnungen feiert man auf der Alt-Niehler Hauptstraße inzwischen selten. Stattdessen schlossen nacheinander die Apotheke, die Sparkasse und viele kleine Geschäfte und Gaststätten. Zum Einkaufen gibt es hier nur das Nötigste, einige verbleibende Lokale servieren noch Kölsch und Hausmannskost. Die Kinder werden in der Dorf-Eisdiele versorgt. Erzählungen zufolge soll es hier früher allein fünf Metzgereien gegeben haben. Mittlerweile dient die Straße oft nur noch als Parkfläche, nicht als Aufenthaltsort. Den Alt-Niehlern fehlt ein Treffpunkt. „Dadurch, dass die Straßen mittlerweile so stark befahren sind, findet da kaum noch etwas statt“, berichtet Richard Stabe.

Dieses Problems hat sich der Bürgerverein angenommen. Nach einem entsprechenden Beschluss der Bezirksvertretung setzte er sich dafür ein, dass alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt werden. „Wir wollen nicht, dass die Sebastianstraße weiter ein großer Parkplatz bleibt“, sagt Valjeur. Wenn sich das ändere, werde dies den Ortskern beleben, ebenso die Geschäfte. „Die Leute gehen dorthin, wo ein nettes Umfeld ist.“ Auch in der Gastronomie verändert sich einiges. Der neue Pächter der Bio-Konditorei Schomdorf’s etwa, Peter Preuß, setzt alles daran, sein Lokal zum Treffpunkt für Anwohner zu machen. In Zukunft sollen Ideen wie ein Frühstücksbuffet am Wochenende, Weinproben oder kleine Konzerte Gäste anlocken, so der Gastronom.

Fischerdorf, Industriestandort, Einzelhandelssterben – irgendwo ist das alles Niehl. Doch der Stadtteil ist im Umbruch. Und was bleibt von den Niehler Besonderheiten? Jürgen Hilger vom Bürgerverein trifft es wohl genau, wenn er antwortet: „Alles.“ Niehl sei nicht die Stadt Köln. „Niehl ist Niehl und bleibt immer Niehl.“

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Veedelsgeschichte

Die Niehler verbindet eine wechselhafte Beziehung mit dem Rhein. Er war mal Segen, mal Fluch für die Bewohner des Fischerdorfs. Mehrere schlimme Hochwasser im 18. Jahrhundert ließen ganze Häuser und Landzungen des Dorfgebietes verschwinden und schufen ein neues Flussbett. Seitdem fließt der Rhein direkt an den Häusern am Niehler Damm vorbei. Wenn wieder neue Fluten drohten, suchten die Niehler Schutz beim Heiligen Nepomuk. Seine Statue ziert noch heute die Außenmauer des Niehler Dömchens. Doch im Jahr 1882 half auch dieser nicht. Deshalb retteten die Fischer kurzerhand selber das Dorf, indem sie rechtswidrig einen Deich am Südende durchstachen und so aus Niehl eine Insel machten. Gleichzeitig bot der Rhein für lange Zeit eine Lebensgrundlage – Fisch in rauen Mengen. Im Jahr 1432 etwa bahnten sich so viele Lachse ihren Weg durch den Rhein, dass sie die Kapazität des Flussbettes sprengten.

Baustellen im Veedel

Niehl ist im Umbruch. Überall entsteht auf brachliegenden Flächen neuer Wohnraum. Und auch auf der Straße wird gearbeitet: Seit Mai wird der südliche Niehler Damm zwischen Sebastian- und Amsterdamer Straße saniert. Gegen Ende des Jahres soll an der Straße Im Grund eine Flüchtlingsunterkunft gebaut werden.

Auch der Bürgerverein plant Großes für den Stadtteil. Ein eigener Kulturpfad soll dort entstehen – für Fußgänger oder Radler. „Wir stellen uns sogar eine Niehl-App vor. Man muss ja modern werden“, berichtet Jürgen Hilger. Doch das überschreite die technischen Fähigkeiten der Ehrenamtler. „Da müssen uns andere helfen“, so der 68-Jährige. Im Grunde braucht der Bürgerverein eben diese jungen Familien, die gerade auch nach Niehl ziehen.

„Wir wünschen uns, dass wir irgendwann junge Leute haben, die sich um das Veedel kümmern.“ Im Südteil von Niehl macht vor allem die Verkehrslage auf der Friedrich-Karl-Straße Sorgen. Die vierspurige Strecke ist Ausweichroute für die zwischen Mauenheim und Mülheimer Brücke fehlende Gürtelstraße. Mit dem Ausbau des Gürtels steht und fällt eine Verkehrs-Beruhigung der Niehler Ost-West-Achse, einem eventuellen Rückbau auf zwei Spuren sowie Kreisel statt Ampeln. In ganz Niehl Thema ist zudem der Fluglärm: Hier beginnt die Einflugschneise zum Flughafen Köln/Bonn; je nach Windverhältnissen sieht und hört man die Flieger fast im Minutentakt.