Veedels-CheckIn Porz-Eil lebt ein eigenes Völkchen mit Traditionen
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Porz-Eil – In Eil unterwegs zu sein, heißt Kilometer abreißen. Schließlich handelt es sich um Kölns flächenmäßig größten Stadtteil. Bedingt unter anderem durch die Areale hinter den Mauern von Gestüt Röttgen sowie von Grün und Wald, stehen hier stolze 16,25 Quadratkilometer zu Buche – da schwingt man sich für eine Erkundungstour am besten aufs Rad.
Erstes Ziel: Gut Leidenhausen. Morgens, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch die Äste der Bäume blitzen, langsam der Dunst aufsteigt und das Rot- und Schwarzwild in den Gehegen die Nachtruhe beendet, drehen schon die erste Sportler und Gassigänger ihre Runden.
Der Blick auf die Uhr über dem Torbogen des ehemaligen Rittersitzes ist wenig hilfreich, seit Jahren steht sie. Doch von Stillstand auf Gut Leidenhausen keine Spur. Dafür sorgen emsige Ehrenamtler, Vereine und Initiativen. Das Rad der Entwicklung auf Gut Leidenhausen dreht sich ständig weiter. Ein Portalmuseum zur Wahner Heide und zum Königsforst gibt es schon, das Haus des Waldes wird neu konzipiert.
„Im Aufbau begriffen ist auch ein Umweltbildungszentrum“, erklärt Frank Küchenhoff. Der Waldschullehrer bringt mit seinem Team den Pänz die heimische Flora und Fauna näher, besucht mit ihnen die Greifvogelschutzstation und nimmt ihnen die Angst vor dem einen oder anderen Krabbeltier. Rund 7500 Kinder sind pro Jahr zu Besuch. „An der Uni Köln ist durch die Kooperation mit der Fachdidaktik Biologie Leidenhausen auch bei Studenten als beliebter außerschulischer Lernort bekannt geworden“, sagt Küchenhoff. Auf sich warten lässt noch eine vernünftige Anbindung an den ÖPNV. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Über die Brücke, unter der die Fahrzeuge zu Stoßzeiten auf der Autobahn mehr stehen als fahren, geht es in der Leidenhausener Straße vorbei an den Clubheimen von Tennisverein und Schützen Richtung Zentrum. Bis zum Metzger heißt es schieben: Einbahnstraße. Die Stärkung mit einer hausgemachten Frikadelle fällt erst einmal flach. Gegenüber ein Beet, das die drei Damen der „Grün statt Müll“-AG pflegen, wie weitere andere im Stadtteil auch.
Es geht rechts die Frankfurter Straße entlang, der Eiler Schützenplatz liegt zur rechten. Neben seiner Funktion als Festplatz soll er zu einer öffentlichen Grünanlage mit Retentionsraum bei Starkregen umgestaltet werden. Ab August wird es dort auch den Besenbinderplatz mit einem Besenbinder-Denkmal, das der Künstler Shephard Madzikatire aus Simbabwe nach einem Entwurf des Eilers Franz Metzmacher fertigstellen wird, geben. Am 18. August ist Einweihung.
Für den Platz hat sich der Ortsring Eil stark gemacht. „Er soll an die Vergangenheit von Eil als das Dorf der Besenbinder erinnern“, berichtet Erwin Bäuml, Vorsitzender des Ortsrings. Er betont das Wort „Dorf“. Das hat für ihn etwas mit Gemeinschaft zu tun. In den vergangenen Jahren sei die besser geworden. „Die Eiler sind ein eigenes Völkchen. Doch wenn sie merken, man will etwas für das Dorf erreichen, ziehen sie nach und nach mit.“ Bäuml nennt in dem Zusammenhang die Verschönerungsaktionen in den Wohnstraßen und hofft auf das Nachahmerprinzip. Die Veranstaltungen zu „750 Jahre Eil“ in diesem Jahr sollen dabei helfen.
Rückbesinnung auf Geschichte
Der Blick zurück in die Geschichte sei wichtig, sagt Bäuml. Und man kann diesen Blick an einigen Stellen schweifen lassen: Auf Initiative des Ortsrings gibt es Fototafeln. Sie zeigen, wie schnell sich ein Veedel wandeln kann. Weitere Projekte wie ein Heimatmuseum sind in Planung.
Eckehard Backhausen kennt das. Seit Jahren beschäftigt er sich schon mit der Geschichte des Stadtteils, in dem er wohnt. Regelmäßig bietet er Führungen an. Drei Jahre lang hat er an der Chronik zum „Besenbinderdorf“ gearbeitet, pünktlich zu Beginn des diesjährigen Jubiläumsjahres hat er sie fertiggestellt.
Weiter geht es die Frankfurter Straße entlang. Autohäuser auf der einen, der leerstehende Baumarkt, in dem einst geflüchtete Menschen untergebracht waren, auf der anderen Seite. Hinter Bäumen ist schemenhaft der Umriss der riesigen Leinwand des Autokinos erkennbar. Dahinter der Supermarkt „auf der grünen Wiese“, der aufgrund seiner Randlage die Kaufkraft aus dem Zentrum geholt hat. „In der ,SB-Stadt Plaza“ sind Klein und Groß willkommen!“ – so der Werbespruch zur Eröffnung am 8. Oktober 1968. „In der Folge mussten einige Eiler Geschäftsleute ihre zum Teil seit Generationen betriebenen Geschäfte schließen“, weiß Backhausen. Das Eiler Gewerbegebiet zieht sich weiter. Rewe und Deutz AG sind prominente Vertreter.
Die Tour führt vorbei an Finkenberg, Kölns jüngstem Stadtteil, der früher teilweise zu Eil gehörte. Links Arbeitsagentur, Baumarkt, Freiwillige Feuerwehr, Discounter. Geradeaus die Humboldtstraße, die „Grenze“ zu Porz-Mitte – auch wenn in den Köpfen vieler Menschen Eil bis zur Bergerbrücke reicht.
Der Weg führt in die andere Richtung. Vorbei am Feuerzeugmuseum, das einst Edwin Preibisch eröffnete, der leerstehenden Videothek, an der seit gut zwei Jahren Werbung die Neueröffnung eines Ladens propagiert wird. Ein Stück weiter trifft die Bergerstraße auf die Frankfurter Straße. Der Blick ist auf den Pfarrer-Oermann-Platz gerichtet. Autos stehen hier, für Festivitäten müssen sie die Fläche räumen. Dann wird das Areal zum Dorfplatz. Auch hier hat der Ortsring seine Finger im Spiel.
Gegenüber liegt St. Michael. Entstanden 1904, erhielt die ursprünglich turmlose Kirche 1956 ihren Vierkantturm. Das heutige Aussehen mit Bleiverkleidung kam Ende der 1980er Jahre. Derzeit wird hier saniert.
Das Zentrum des Stadtteils ist erreicht. Im ehemaligen Spar-Markt ist ein Fachgeschäft für Elektro-, TV- und sonstige Geräte, im ehemaligen Discounter ein Kiosk mit Post, KVB-Karten, in der Tier- und Zoohandlung ein Schnell-Bäcker.
Der Falkenhorst ist von weitem erkennbar. Die Grenze zu Urbach. Rechts geht es durch ein kleines Gässchen in das Wohnviertel mit den Städtenamen. Ausnahme: Die Martin-Luther-Straße mit der Markuskirche und dem neuem Gemeindezentrum. Links hinter dem alten Friedhof und den „Neubauten“ von Eil schließen sich der Friedhof Leidenhausen, die Kleingartenanlage – und eben Gut Leidenhausen an.
Geschichte des Stadtteils
Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung von Eil stammt aus dem Jahr 1268. Laut einer Urkunde im Düsseldorfer Staatsarchiv verkaufte die Propstei der Benediktinerabtei zu Oberpleis Güter zu Eil an den Ritter Sibodo von Blegge. Es handelte sich um eine Parzelle, die fälschlicherweise als Altenberger Hof angesehen wurde. Der Kaufpreis betrug acht Mark in „gültigen Pfennigen“. In früherer Zeit war Eil eher unbedeutend. Es war von Tagelöhnern bewohnt, die gelegentlich auf den Gütern von Leidenhausen und Röttgen gearbeitet hatten. Ihr Vieh trieben die Bewohner in den Gemeindewald. Dort wurde auch Holz, Streu und Heidekraut geholt. Damit verdienten sich viele Eiler ihr Geld als Kranz- und Besenbinder.Ab 1920 wurde der Begriff „Eil, das sündige Dorf“ geprägt, wegen der im Vergleich zu den Nachbarorten vielen Kneipensäle inklusive „Knollibrändi“ zu einer Zeit, wo öffentliches Vergnügen nur zu Zeiten von Kirmes und Festen erlaubt war.
Offene Baustellen in Eil
Wie in so vielen Porzer Stadtteilen, spielt auch der Straßenverkehr in Eil eine große Rolle. Sind die Autobahnen voll, schlängeln sich etliche Blechlawinen über die Frankfurter Straße. Deren Ausbau – zumindest in einem Teilstück zu den Autobahnzubringern – lässt auf sich warten.Der Parkdruck in den Wohnstraßen ist enorm. Das wechselseitige Parken wird in etlichen Straßen ausgereizt – gewerbliche Transporter und Kleinlaster inklusive. Die Befürchtung: Rettungskräfte kommen im Notfall nicht schnell genug zu ihrem Bestimmungsort. Die fußläufige Nahversorgung im Stadtteilzentrum lässt zu wünschen übrig. Einem Überangebot an Läden, die Backwaren anbieten, steht eine Unterversorgung in Bereichen des täglichen Bedarfs entgegen. Das Problem: Baulich stößt man schnell an Grenzen. Platz für Supermarkt oder Discounter, wie es sie früher einmal gegeben hat, gibt es nicht mehr. Entwicklungen andernorts steht das Einzelhandels- und Zentrenkonzept in seiner jetzigen Fassung entgegen. Einen Supermarkt „auf der grünen Wiese“ will die Stadt vermeiden. Das sah 1968 anders aus: Da eröffnete noch ein Geschäft mit großem Warensortiment im Gewerbegebiet.