Veedels-CheckNippes – Stadtteil zwischen Trend und Tradition
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Nippes – Es ist ein sonniger Herbsttag. Auf dem Nippeser Wilhelmplatz tummeln sich die Menschen. Hier findet der einzige Wochenmarkt Kölns statt, der an jedem Tag außer sonntags geöffnet hat. Diverse Gerüche mischen sich zu dem unverkennbaren Duft nach Markt – zahlreiche Obstsorten, würziger Käse, frischer Kaffee. Textilien werden ebenfalls angeboten. So bunt wie das Angebot ist das Publikum. Menschen aller Altersgruppen und Herkunft treffen sich auf dem Wilhelmplatz. Die Nippeser sind stolz auf ihr kulturelles Miteinander, ob auf Kölsch, auf Türkisch oder in anderen Sprachen: Wenn auf dem Wilhelmplatz am frühen Morgen das Markttreiben beginnt, versteht man sich.
Das Veedel Nippes in drei Worten zu beschreiben ist schwierig. Anton Gerhard Düren und Michael Gerhold, der Geschäftsführer und der Literat der Nippeser Bürgerwehr, müssen eine Zeit lang überlegen. Das Traditionskorps – wegen seiner orangefarbenen Uniformen werden die Mitglieder auch „Appelsinefunke“ genannt – ist der älteste und größte Karnevalsverein in Nippes. Ihre Antwort lautet schließlich: „Einzigartig, familiär und kölsch.“ Was den Stadtteil so kölsch macht? „Sowohl der Werdegang des Veedels als auch die Gegenwart“, erläutert Düren, der in Nippes geboren und aufgewachsen ist. Viele Urkölner leben hier oder stammen sogar aus dem Veedel. „Es gibt nun mal alles, was man braucht“, sagt Düren – ob Einkaufsmöglichkeiten, Grünflächen oder Kneipen. Diese Mischung macht das Veedel so attraktiv für junge Leute und Menschen verschiedener Kulturen. Das kölsche Motto „Levve und levve losse“ wird großgeschrieben. „In Nippes wird niemand blöd angeschaut“, sagt Gerhold. Trend und Tradition bilden eine Symbiose.
Die Neusser Straße ist die pulsierende Ader des Veedels. Dort spielt sich der Alltagstrubel ab. Zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten, Supermärkte wie Inhaber geführte Läden, Restaurants und Cafés säumen die „Neusser“. Teestuben, Döner-Buden und türkische Geschäfte verleihen dem Stadtteil ein orientalisches Flair. Gleichzeitig finden sich nur wenige Meter entfernt Restaurants und Bistros zwischen malerischen Altbauten – gefühlt weit weg vom hektischen Leben auf der Neusser Straße.
Besonders stark wächst in Nippes momentan die Café-Szene. Mit dem „Timeless Art“ und der Patisserie „Törtchen-Törtchen“ kamen in den vergangenen Jahren zwei neue zu den bereits etablierten Adressen wie dem „Café Wohnraum“, dem „Café Orange“, dem „Café Pause“ sowie dem „Bistro Sonne“ hinzu. „Wir sehen die neuen Cafés nicht als Konkurrenz, sondern eher als Ansporn“, sagt Jennifer Neumann. Gemeinsam mit ihrem Partner Sofyen Ben Hamada führt sie seit 2016 das „Café Wohnraum“. Weil es in Nippes immer mehr Cafés gebe, habe man auch eine größere Motivation, das eigene gastronomische Angebot weiterzuentwickeln. Niemand will den anderen ausstechen, die Betreiber unterstützen sich sogar untereinander. „Wenn es bei uns an einem schönen Tag mal voll ist, empfehlen wir den Kunden, die keinen Platz mehr bekommen, auch andere Cafés in Nippes“, sagt Neumann. Bei größeren Veranstaltungen im Veedel wie dem „Blauen Abend“ sprechen sich die Gastronomen ab, zum Beispiel über Angebot und Öffnungszeiten.
Gemeinsam und miteinander geht es zu in Nippes – das macht das Veedel aus. Die Nippeser Bürgerwehr steht beispielhaft dafür. „Uns ist es wichtig, das Leben in Nippes über den Karneval hinaus mitzugestalten“, sagt Michael Gerhold. Das lebe der Verein mit diversen Veranstaltungen in und auch abseits der Karnevalszeit, getreu dem Motto „von Nippesern für Nippeser“. Zum Beispiel organisiert der Verein jedes Jahr das Nippeser Bürgerfest. „Dass man sich in Nippes kennt, vereinfacht das ungemein“, sagt Düren, „gerade was die Finanzierung angeht.“
Für Familien mit Kindern ist Nippes ebenfalls anziehend. Mit 414 Geburten pro Jahr ist Nippes der Stadtteil im gleichnamigen Stadtbezirk mit der höchsten Geburtenrate. Die Familienfreundlichkeit soll weiter gefördert werden. 1200 Wohnungen entstehen auf dem gut 14,5 Hektar großen Industrieareal der ehemaligen „Gummiwarenfabrik Franz Clouth“ bis Ende 2021. 2012 hat der Stadt- und Projektentwickler „Moderne Stadt“ das Areal gekauft, das seit der Schließung der Fabrik 2005 leer stand. Inzwischen ist mehr als ein Drittel der neuen Wohnbebauung im Carré fertiggestellt und bezogen. „Um eine gute soziale Mischung zu gewährleisten, reicht die preisliche Spannbreite der Wohnungen vom geförderten Wohnraum bis hin zu hochwertigem Eigentum“, so ein Sprecher von Moderne Stadt.
Sowohl das vielfältige Angebot an Geschäften auf der Neusser Straße als auch das Bildungs- und Betreuungsangebot im Umfeld mache das Clouth-Quartier attraktiv für junge Familien.Viele Menschen ziehen neu nach Nippes und lernen das Veedel lieben, andere schätzen es bereits seit Jahrzehnten. Welcher Gruppe auch immer man angehört – man trifft sich „Em Golde Kappes“. Die Traditionskneipe an der Haltestelle Florastraße ist Dreh- und Angelpunkt. Hier feiern auch die „Appelsinefunke“ jedes Jahr am 11.11. den Beginn der Session – nach ihrer Open-Air-Feier an der Eigelsteintorburg und einem anschließenden Fackelzug durch die Straßen. Dass das Veedel sich momentan verändert, ist im „Kappes“ gut zu beobachten. Hier herrscht Wohnzimmeratmosphäre. Auch unter der Woche ist der „Kappes“ gut gefüllt. Geschliffene Holztische, Holzverzierungen und kleine Bleiglasfenster tragen zur urigen Atmosphäre bei.
Generell wandelt sich die Kneipenkultur, erzählt Restaurantleiter Detlef Thöning. Das Schöne: „Sie geht dabei nicht kaputt, sondern wird einfach erweitert“, sagt Thöning. Neue hippe Bars und Clubs seien ebenso Teil der Nippeser Szene wie die alteingesessenen Traditionskneipen. „Nippes ist, wenn ich abends durch den Kappes laufe, hier haben die Eltern ihren Stammtisch und eine Ecke weiter die Kinder“, freut sich Thöning. Und auch Anton Gerhard Düren von der Bürgerwehr findet: „Was Nippes und den Nippeser Karneval ausmacht ist, dass hier alle zusammen feiern. Egal ob jung, ob alt, ob aus Köln oder von ganz woanders – in Nippes is jeder zu Hus.“
Die Geschichte des Veedels Nippes
Erstmals urkundlich erwähnt wird Nippes 1549: „Johann van Wermißkirchen am Nippis“ wird in einem Pachtvertrag genannt. Die Ansiedlung Nippes liegt, wie Landkarten aus dem 17. und 18. Jahrhundert zeigen, im Bereich zwischen der Neusser Straße und der Kappesgasse. Der Ort entwickelt sich im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts immer mehr und wird bedeutender als das 1199 erstmals urkundlich erwähnte Mauenheim.
Bis heute ist die Bedeutung des Veedelsnamens Nippes nicht zweifelsfrei geklärt. Der Wortbestandteil „Nipp“ kommt wahrscheinlich von „Niep“, das altdeutsche Wort für eine feuchte Senke. Das erinnert daran, dass durch Nippes einst ein Rheinarm führte und der Untergrund sumpfig war. Wo der Rheinarm verlief, liegt heute die Grünanlage „Nippeser Tälchen“. Nippes war wegen seiner Brauhäuser sehr beliebt. Denn hier wurde das in Köln verbotene, untergärige Bier ausgeschenkt. Nippes unterstand jedoch ebenso wie Riehl damals nicht der Aufsicht des Brauamts, das das untergärige Bier 1603 verbot.
Die Baustelle des Veedels Nippes
Eines der größten Bauprojekte im Stadtteil Nippes ist der geplante Umbau der Neusser Straße. Die Neugestaltung steht in Zusammenhang mit dem städtischen Verkehrsprogramm „Alternative Betriebsformen“. Dessen Zielsetzung ist der Abbau von Ampeln und eine sichere und flüssigere Verkehrsführung an wichtigen Knotenpunkten.Ein weiteres Bauprojekt ist der Ausbau des Gürtels. Der beinhaltet im Wesentlichen einen durchgehenden Radweg zwischen dem Parkgürtel und der Mülheimer Brücke, eine zusätzliche Stadtbahnhaltestelle an der Niehler Straße und neue Grünanlagen unter der Hochbahntrasse der Linie 13 der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB).
Nennenswert ist zudem das Clouth-Quartier, das sich in der letzten Bauphase befindet. Auf dem ehemaligen Fabrikgelände sollen rund 1200 Wohnungen, 500 Arbeitsplätze, Künstlerateliers sowie gemeinnützig orientierte Einrichtungen für Kinder und Jugendliche und grüne Freiflächen entstehen. Die endgültige Fertigstellung soll bis 2021 erfolgen.