Köln – Im Fall der angezeigten Vergewaltigung einer Joggerin im Stadtwald scheint sich eine überraschende Wendung anzubahnen. Neuesten Erkenntnissen der Polizei zufolge hat diese Tat womöglich gar nicht oder anders als angegeben stattgefunden.
Nach Auswertung der bisher vorliegenden Beweismittel schließen die Ermittler inzwischen nicht mehr aus, dass das vermeintliche Opfer die Vergewaltigung oder zumindest Teile des angeblichen Geschehens erfunden haben könnte. Polizei und Staatsanwaltschaft teilten mit, dass Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts des Vortäuschens einer Straftat aufgenommen wurden. „Wir haben die Angaben des mutmaßlichen Opfers mit objektiven Beweismitteln abgeglichen und haben, zum Beispiel anhand rechtsmedizinischer Erkenntnisse, Abweichungen festgestellt“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Es werde aber „weiterhin in alle Richtungen ermittelt“.
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Am Mittwoch hatte eine Joggerin der Polizei berichtet, sie sei vormittags gegen neun Uhr in der Nähe des „Haus am See“ im Unterholz vergewaltigt und übel bedroht worden. Die Kölnerin hatte eine ziemliche genaue Beschreibung des angeblichen Täters abgegeben. Zunächst waren die Ermittler fest davon ausgegangen, dass alle Angaben der Wahrheit entsprechen. Zu plastisch, zu detailliert sollen die Schilderungen des mutmaßlichen Opfers zum vorgeblichen Tatablauf gewesen sein, heißt es. Darüber hinaus schienen objektive Spuren am Tatort die Angaben zu bestätigen.
Lesen Sie hier den Kommentar zum Thema: „Zweifel machen das Opfer nicht zur Täterin“.
Die Polizei gründete eine Ermittlungsgruppe, es galt, bei der Fahndung nach dem Täter keine Zeit zu verlieren. Einzelheiten zur Tat oder zu den Umständen gab die Behörde bewusst nicht preis, um das Opfer zu schützen und um keine Informationen zu veröffentlichen, die zu dem Zeitpunkt nur Täter und Opfer kennen konnten. Dies sollte helfen, ihn später zu überführen.
Erste Zweifel am Freitag
Am Mittwochabend veröffentlichte die Polizei eine erste Pressemitteilung zu dem Fall. Am Donnerstag wurden die Medien zu einem Ortstermin am Tatort eingeladen: Begleitet von Journalisten suchte eine Hundertschaft dabei das Waldstück ein zweites Mal nach Spuren ab und verteilte Fahndungsplakate an Spaziergänger. Auch am Freitagmorgen sprachen Polizisten erneut mögliche Zeugen in der Nähe des Tatorts an – nichts sollte unversucht bleiben, um den als besonders gefährlich eingestuften Täter so schnell wie möglich zu fassen.
Bei der Befragung wandte sich eine Spaziergängerin an die Polizisten und wies sie auf einen verdächtigen, dunkel gekleideten Mann am Decksteiner Weiher hin. Die Beamten kontrollierten denjenigen, nahmen ihn zur Identitätsfeststellung sogar mit auf die Wache, entließen ihn aber kurz darauf wieder, weil er nachweislich nichts mit der angeblichen Tat zu tun gehabt haben konnte.
Die mögliche Wende in den Ermittlungen deutete sich dann am Freitag an: Ein Gutachten ließ plötzlich ernste Zweifel an den Aussagen der Frau aufkommen: Der geschilderte Tatablauf passt den Untersuchungen zufolge nicht hundertprozentig mit der Spurenlage überein. Das mutmaßliche Opfer beharrt auch weiterhin darauf, dass ihre Angaben der Wahrheit entsprechen. Sie hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet.