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Keine Lust auf StrickenWie die Kölner Omas gegen rechts Nazis die Stirn bieten

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  1. Warum sollte man unsichtbar sein, nur weil man alt ist? Es gibt Omas, die wollten nicht mit Stricken und Rezepten assoziiert werden, sondern mit politischem Widerstand.
  2. Bundesweit erregt die Bewegung „Omas gegen Rechts” Aufmerksamkeit. In Köln gibt es die Omas ebenfalls.
  3. Sie fallen sofort auf, wenn sie am Wochenende einmal in einen Zug steigen, um sich gegen rechte Aufmärsche zu stellen.
  4. Was erleben sie bei ihren Aktionen? Und was treibt sie an? Wir haben die Kölner „Omas” an einem Demotag begleitet.

Köln – Auf dem Bahnsteig in Hamm zieht es gewaltig, aber Evelyn lässt sich von der Kälte nicht beeindrucken, sie hat ja ihre Mütze dabei. Um 8:49 Uhr ist sie mit Petra und Renate am Kölner Hauptbahnhof in den RE 1 gestiegen.

Jetzt muss die Gruppe umsteigen. 20 Minuten Wartezeit vor den Gleisen, die Frauen haben den Anschluss verpasst. Es ist so ein Tag, an denen man jede dieser Minuten im Körper spürt. Der Himmel ist in ein helles Grau getaucht, der Wind pfeift durch die Kleidung hindurch und jeden Moment könnte es anfangen zu regnen. Ein guter Tag, um zu Hause zu bleiben. Aber es ist der 9. November und zu Hause bleiben, ist für Evelyn, Petra und Renate keine Option. Sie müssen nach Bielefeld. Die Partei „Die Rechte“ hat eine Kundgebung für die Freiheit der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck angekündigt, die dort im geschlossenen Vollzug ihre Haftstrafe wegen mehrfacher Volksverhetzung absitzt. Ausgerechnet zum 81. Jahrestag der Novemberpogrome wollen die Anhänger der Partei durch die Innenstadt ziehen.

Also hat Evelyn alles eingepackt. Die Buttons, die Liedtexte, das Manifest, die Schilder - und die pinkfarbene Mütze natürlich. Eigentlich sei sie überhaupt kein Pink-Fan, sagt Evelyn, aber die Mützen seien Teil der Symbolik und darum würde die Farbe schon in Ordnung gehen. Die Strickanleitung hat sie im Internet gefunden. Es ist der sogenannte „Pussyhat“, mit dem schon 2017 tausende Frauen beim „Women's March“ in den USA für ihre Rechte auf die Straße gegangen sind. Evelyn trägt ihn über ihren braunen, schulterlangen Haaren. Auch Renate und Petra haben ihre Mützen schon aufgesetzt. Drei Farbtupfer auf dem grauen Bahnsteig. Während Petra Schokopralinen aus einer Butterbrotdose hervorholt und an die Gruppe verteilt, fährt der Zug in den Bahnhof ein. Die Frauen steigen ein. Und fallen sofort auf.

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Die „Omas gegen rechts” in Köln

„Entschuldigung, wo haben Sie denn diese Mützen gekauft? Sind die selbst gestrickt?“, ruft ihnen ein Mann hinterher und lacht. „Scheiß auf die T-Shirts, ich will auch so eine Mütze“, grölt eine Frau, steht von ihrem Sitzplatz auf und schüttet sich noch etwas von dem Prosecco ihrer Junggesellen-Abschieds-Gruppe in den Plastikbecher. Evelyn, Petra und Renate gehen weiter durch den Gang, bis jeder einen Platz gefunden hat. Evelyn stellt sich ihren Rucksack auf den Schoß und öffnet ihre Jacke. Die Mütze lässt sie auf. Auffallen, sagt sie, sei heute besonders wichtig. Auch, wenn sie damit nicht die Reaktionen der Leute im Zug meint.

Denn den drei Frauen geht es um mehr als die bloße Belustigung ihrer Mitfahrer. Es geht ihnen – so steht es in ihrem Manifest – ums Ganze: um die Erhaltung der parlamentarischen Demokratie, den Einsatz für die gleichen Rechte aller und den Respekt gegenüber anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern unabhängig von ihrer Religion und ethnischen Zugehörigkeit. Oder – so drücken sie es auch aus – um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft ihrer und aller Enkelkinder.

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Die Schilder, das Manifest, die Mützen: All das Erkennungszeichen der „Omas gegen rechts“. Seit zwei Jahren gibt es die überparteiliche Initiative mittlerweile, ursprünglich kommt sie aus Österreich. Die Wienerin Monika Salzer hat sie in Form einer Facebook-Gruppe im November 2017 gegründet - als Reaktion auf die Nationalratswahlen, aus denen einen Monat zuvor eine Regierung mit Beteiligung der rechtspopulistischen FPÖ hervorgegangen war. Die Anzahl der Gruppenmitglieder stieg schnell. Seniorinnen verabredeten sich über Facebook zu Protestaktionen gegen die Regierungskoalition, liefen jede Woche in Wien bei den sogenannten Donnerstagsdemonstrationen mit. Es folgten die ersten Interviews und öffentlichen Auftritte. Die BBC berichtete, die „New York Times“, die französische Tageszeitung „Le Monde“. Seit Januar 2018 gibt es die Gruppe nun auch in Deutschland - mit mehreren Untergruppen für einzelne Städte und Regionen. Das nächste Ziel der „Omas gegen rechts“: die „Grannies international“. Eine weltweite Bewegung gegen den Rechtsruck. Evelyn, Petra und Renate sind drei von aktuell 41 Frauen, die sich auf Facebook in der Gruppe „Omas gegen Rechts Köln“ engagieren.

Parteitag der AfD in Köln

„Darf ich auch so einen Plan haben?“, fragt eine junge Frau mit dunklen Haaren und Kapuzenpullover, als sie im Zug an Evelyn vorbeigeht. Evelyn hat auf DIN-A3-Blättern den Streckenverlauf der Gegendemonstrationen ausgedruckt. „Geht ihr auch demonstrieren?“, fragt Evelyn. Die Frau nickt. „Super!“ Evelyn streckt ihre Faust in die Höhe und reicht der Anfang 20-jährigen einen der Pläne. Evelyn kennt sich mit Demonstrationen bereits aus. Sie ist schon vor den „Omas gegen rechts“ auf die Straße gegangen. Erst in der DDR, wo sie geboren wurde. Und zuletzt zum Beispiel 2017, als die AfD ihren Parteitag in Köln veranstaltete.

Wenn irgendjemand sagt, es gebe doch Wichtigeres, als demonstrieren zu gehen, kann Evelyn das nicht verstehen. „Was soll das schon sein?“ Die Proteste seien ihr auf Dauer aber zu einsam geworden. Für den schwarzen Block habe sie sich zu alt gefühlt, die Straße sei ihr für Sitzblockaden zu kalt, eine Alternative musste her. Jetzt mit den anderen Frauen sei alles viel besser. Evelyn ist 52 Jahre alt, hat weder Enkelkinder noch das Alter, das man allgemein mit einer Oma in Verbindung bringen würde. Alles egal: Mitmachen kann jeder. Denn was die „Omas gegen rechts“ eint, ist ihre Einstellung: Die großmütterliche Sorge um die zukünftigen Generationen.

„Stricken und Rezepte: Das findet man bei Google sofort, wenn man den Begriff 'Oma' eingibt. Da ist es gut, wenn man jetzt auch mal was anderes sieht“, sagt Petra - schwarze Brille, graue Haare, eleganter Kleidungsstil.

Für den Demonstrationstag hat sie sich drei Salami-Brötchen geschmiert. Eines davon packt sie jetzt aus. „Endlich ist man nicht mehr unsichtbar“, sagt Petra. „Warum soll man denn auch unsichtbar sein, nur weil man alt ist?“ Petra hat ihre Examensarbeit über Frauen in der Politik des Nationalsozialismus geschrieben und bis vor zwei Jahren in Köln-Mülheim Politik und Geschichte unterrichtet. Heute bei der Demonstration mache sie sich auf alles gefasst. „Das sind ja Holocaust-Leugner, richtig stramme Nazis“, sagt sie.

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Demonstration gegen rechte Gruppen in Duisburg am 17. November 2019

Doch Petra ihre eigene Methodik entwickelt, sollte es gefährlich werden. Einfach die Brille abnehmen, damit sie im Fall der Fälle nicht zerbricht. Alte Gewohnheit von den Schlägereien auf dem Schulhof, in die sie als Lehrerin eingreifen musste. Petra sagt, sie wisse sich schon zu verteidigen. Sie habe sich schließlich von der Polizei in Selbstverteidigung ausbilden lassen. „Pass op. Ich kann Mikado“, sagt Petra und lacht. Um kurz vor zwölf rollt der Zug in den Bahnhof ein. Die Gruppe steigt aus. „Jetzt wird es episch“, sagt Evelyn.

In der Bahnhofshalle haben sich Polizisten mit Helmen und Schlagstöcken aufgestellt. Der Vorplatz ist bereits mit Demonstranten gefüllt. Fahnen wehen, Pfiffe und Rufe sind zu hören. Eine Rede wird gehalten, aber die Worte verhallen mit dem Dröhnen der Lautsprecher im Wind. Petra klappt ihr Schild mit der Aufschrift „OMAS GEGEN RECHTS“ auf. Das sei schwer, sagt sie, aber wenigstens werde man gesehen.

Jetzt ist auch die 69-jährige Renate wieder dabei, die im Zug etwas abseits gesessen hat und zumindest unter den Kölner Frauen die einzige ist, die mit sechs Enkelkindern auch nach der ursprünglicher Definition eine Großmutter ist. „Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal auf Demonstration gehen würde“, sagt Renate. Sie sei zwar bereits als junge Frau der 68er Generation politisch aktiv gewesen, was dann aber irgendwann auf der Straße abgegangen sei, sei „einfach nicht mehr ihr Fall“ gewesen. Darum habe sie sich lieber zurückgezogen – erst einmal sich selbst verändern, bevor der Rest der Welt dran ist. Seit sie bei einer Demonstration die „Omas gegen rechts“ auf der Domplatte stehen gesehen habe, ist sie wieder dabei. Aber was heißt das jetzt? Rechts? Evelyn überlegt. „Richtig böser Rassismus. Wenn jemand gegen Ausländer ist und sich aufregt, wenn jemand nur eine andere Hautfarbe hat“, sagt sie.

Wer sich im Internet Beiträge über die Initiative anschaut, findet darunter jede Menge Hass. Es sind Kommentare mit vielen Ausrufezeichen und Großbuchstaben und Sprüchen wie „Da hat sich ein Pfleger einen Scherz erlaubt und die Tabletten vertauscht.“ In Bielefeld, wo die 230 Teilnehmer der Kundgebung und die 14.000 Gegendemonstranten von der Polizei aneinander vorbei geleitet werden, sieht die Lage anders aus. Überall wo die Frauen hinkommen, werden sie mit einem Lächeln begrüßt. Eine junge Frau fragt nach einem Flyer für ihre eigene Oma. „Darf ich mich einreihen?“, fragt eine Passantin und hat kurze Zeit später selbst ein Schild in der Hand. Ein Polizist fragt, wo die Frauen hin möchten, erklärt, dass die Polizei die Kundgebung zum Jahrestag der Novemberpogrome ja selbst verhindern wollte und ruft ihnen zum Abschied ein „Sie schaffen das!“ hinterher. Evelyn verteilt währenddessen Kekse in Tüten an Sanitäter, Kinder und alle, die sie nett findet. Die „Omas gegen rechts“ wollen auf Demonstrationen auch zur Deeskalation beitragen. Wer will schon Gewalt provozieren, wenn nebenan „Omas“ mit selbstgestrickten Mützen Kekse verschenken? Um 14.45 Uhr geht die Demonstration etwas verspätet los. Petra schießt mit ihrem Handy ein Foto nach dem anderen. Im Zug schauen sich die drei Frauen später die Bilder an. Und sehen, während sie mit ihren pinken Mützen in einem Vierer sitzen, auch zum ersten Mal die schwarz-weiß-roten Flaggen der Kundgebung vorbeiziehen.

Kölner Stammtisch der Omas gegen Rechts

Fünf Tage später im Bürgerzentrum „Alte Feuerwache“ in der Kölner Innenstadt. Alle vier Wochen findet dort der Stammtisch der „Omas gegen rechts“ statt. Neben Evelyn, Petra und Renate sind noch fünf andere Frauen da. Evelyn bastelt aus Karteikarten kleine Namensschilder für sie und stellt sie auf den Tisch. Da ist Jutta, die mit ihrem Mann beim Auswärtigen Amt arbeitet, das politische Geschehen in Deutschland in den vergangenen Jahren aus dem Ausland betrachtet hat und nun wieder hier Fuß fassen möchte. Hanna, die in einem Wohnheim für Geflüchtete arbeitet und es Leid ist, dass „die Rechten in der Tagesschau, auf den Demos und in den Kneipen so viel Raum bekommen.“

Andrea, die es nicht verstehen kann, warum eine Freundin von ihr die AfD wählt und darum vor kurzem ein Argumentationstraining gegen rechte und diskriminierende Sprüche besucht hat. Helga, die extra aus Rheinland-Pfalz angereist ist, weil es in ihrer Umgebung noch keine Lokalgruppe gebe und sie sich „wohl kaum alleine mit einem Schild irgendwo hinstellen könne, ohne für bekloppt gehalten zu werden“. Und Wally aus der Eifel, die verschiedene Zeitungsartikel und einen sogenannten Ahnenpass aus der NS-Zeit dabei hat, dessen Vorwort man nur einmal lesen müsse, um zu verstehen, warum sie hier sei.

Evelyn zeichnet gerade auf einem Blatt Papier den Treffpunkt auf, an dem sich die Gruppe am 29. November zum globalen Klimastreik der „Fridays for Future“-Bewegung treffen will.

Omas für den Klimaschutz

Neben „Omas gegen rechts“ also auch „Omas für mehr Klimaschutz“? „Natürlich“, sagt Wally. „Wir schützen unsere Kinder nicht nur, wir unterstützen sie auch. In der Schule bekommen sie ja meistens nur noch: Druck, Druck, Druck. Da braucht es eine Oma, die sagt: Ich hab dich lieb. Damit sie den Mut haben, auf die Straße zu gehen.“ Sie habe das ja alles in den 60ern schon selbst durchgemacht, sagt Wally. „Heute wollen wir zeigen, dass wir nicht zum Ende der Gesellschaft gehören, sondern immer noch mittendrin stehen“, sagt Hanna.

Plötzlich meldet sich Renate zu Wort. Es sei doch so bitter, sagt sie, dass sie nichts in der Hand habe - gegen den Rechtsruck, gegen die Gewalt, gegen das Vergessen. Es bleibt nicht lange still im Raum. Wally widerspricht. „Doch das hast du“, sagt sie. „Du hast dein Schild in der Hand. Und das ist schon sehr viel.“