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Wahlkreis 95 in KölnDröge und Manderla treten gegen den Platzhirsch an

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BTW Mützenich

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bei einer Rede im Bundestag

Köln – In den vergangenen Jahren segelten die Sozialdemokraten durch bundespolitisch raue See. Ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat zurzeit mit hanseatischem Stoizismus die Wogen in Zustimmungswellen verwandelt. Aber es ist noch nicht lange her, da war vom Ende der Volkspartei SPD die Rede. Am Wahlkreis 95 Köln III, der die Stadtbezirke Ehrenfeld, Nippes und Chorweiler umfasst, ist dieser Sturm bislang vorübergegangen.

Hier gewinnt die SPD bei der Bundestagswahl seit Jahrzehnten. Und zwar bei den Erst- wie bei den Zweitstimmen. Doch so sicher wie es scheint, ist der Hafen namens Wahlkreis 95 für die Sozialdemokraten nicht mehr. Die anderen Parteien holen auf.

Im Kölner Nordwesten wechselt die politische Vorliebe der Wähler von grün in Stadtzentrumsnähe über rot in den Veedeln dahinter und wird bis zur nördlichen Stadtgrenze immer schwärzer. Rolf Mützenich ficht das nicht an. Seit 2002 ist er für die SPD im Bundestag. Damals schlug er in diesem Wahlkreis mit Rolf Bietmann (CDU) einen der zu der Zeit einflussreichsten Kölner Politiker. Seitdem hat er bei jeder Bundestagswahl das Direktmandat geholt. Auch jetzt gilt der Vorsitzende der Bundestagsfraktion hier als Favorit. Und das, obwohl er in Köln im Grunde nur auf Wahlplakaten und kaum persönlich präsent ist.

Mittel gegen den Klimawandel fördern

„Ich habe als Fraktionsvorsitzender natürlich viele bundespolitische Aufgaben“, sagt Mützenich etwas entschuldigend. Die, wie er sagt, „Herausforderungen“ seines Wahlkreises habe er dennoch im Blick. Da wäre die E-Mobilität, die es als eines der Mittel gegen den Klimawandel zu fördern gelte und damit die Ford-Werke. Der Autokonzern will den Kölner Standort zu seinem europäischen Zentrum der Elektromobilität machen.

Die anderen Bewerber im Wahlkreis

13 Direktkandidaten treten im Wahlkreis 95 an, so viele wie in keinem anderen Kölner Wahlkreis. Neben den drei Favoriten sind das Michael Weisenstein (Linke), Volker Görzel (FDP), Jochen Haug (AfD), Stefan Pott (Die Partei), Norbert Theiß (Freie Wähler), Reiner Dworschak (MLPD), Christopher Peterka (Volt), Songül Schlürscheid (Die Basis), Maciej Podjaski (Artgerecht) und Christoph Goldbeck (parteilos). (og)

Mehr preiswertes Wohnen müsse mit mehr sozialem Wohnungsbau, Mehrgenerationenhäusern und der Förderung von Genossenschaften ermöglicht werden. „Wir haben auch Armut in unseren Stadtteilen, wie zum Beispiel in Bilderstöckchen oder Chorweiler“, die es zu bekämpfen gelte, formuliert Mützenich, der in Berlin als versierter Außenpolitiker parteiübergreifend einen guten Ruf genießt.

Dennoch: „Katharina Dröge und Gisela Manderla sind ernstzunehmende Konkurrentinnen. Das wird wieder ein beachtlicher Dreikampf“, sagt Sportsmann Mützenich. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte er tatsächlich das Direktmandat holen. Denn der 62-Jährige steht zwar auf Platz eins der NRW-Landesliste der SPD. Sollten die Demokraten jedoch im Bundesland so viele Direktmandate holen, wie es manche Prognosen derzeit für möglich halten, könnte es sein, dass die Landesliste nicht zieht. Das wäre bitter für die Bundes-SPD, die auf die Verhandlungsfähigkeit des besonnenen Mützenich bei den sicherlich komplizierten Sondierungsgesprächen nach der Wahl wohl kaum verzichten möchte.

Gisela Manderla war Mützenichs schärfste Konkurrentin

Die CDU-Abgeordnete Gisela Manderla war bei der Bundestagswahl 2017 Mützenichs schärfste Konkurrentin, auch wenn sie bei den Erststimmen dann doch fünf Prozent weniger holte. Sie sitzt seit 2013 – mit einem Jahr Unterbrechung – im Bundestag. Die 63-Jährige ist im Verteidigungs- und im Auswärtigen Ausschuss. Sie ist überdies eine gewichtige Stimme der Frauen-Union in der CDU.

Gisela Manderla

Ihre Chancen stehen gut, über die Landesliste der CDU ihren Job in Berlin zu behalten. Die Förderung von Familien liegt ihr ebenso „am Herzen“ wie Generationengerechtigkeit. Sie möchte Bahn, Rad und Fußgänger fördern, solle aber die, „die auf das Auto angewiesen sind, nicht vernachlässigen“. Bis 2045 solle Deutschland zum „klimaneutralen Industrieland“ werden.

Katharina Dröge (Grüne) ist wie Manderla seit 2013 Mitglied des Bundestags. Damals war sie 30 Jahre alt. Dröge geht forsch in den Wahlkampf und glaubt, Mützenichs jahrelange Dominanz im Wahlkreis durchbrechen zu können. „Ich halte das Direktmandat für realistisch“, sagt sie, auch wenn sie 2017 bei den Erststimmen noch fast 20 Prozent hinter dem Sozialdemokraten lag.

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Katharina Dröge 

Doch selbst wenn das nicht gelingt, dürfte ihr Landeslistenplatz für einen erneuten Einzug in den Bundestag reichen. „Der Wahlkreis ist heterogen, es gibt innenstädtische und eher ländliche Bereiche“, weiß sie. Jedes Gebiet habe unterschiedliche Anforderungen, die es zu unterstützen gelte. In Ehrenfeld etwa ächzten die Menschen unter Lärm und Abgasen von Autos, im hohen Norden sei der Ausbau des immer noch dürftigen Öffentlichen Nahverkehrs ein wichtiges Thema.

Verkehrswende in Köln ankurbeln

Unter anderem mit einem „Fahrradgürtel“ wolle sie die Verkehrswende in Köln ankurbeln, mit einer Mietpreisbremse gegen explodierende Mieten vorgehen. Ob Stadt oder Land, eines verbinde die Bewohnerinnen und Bewohner des Wahlkreises: „Ich treffe überall offene Menschen“, sagt Dröge, die sich im Gegensatz zu ihren Konkurrenten von SPD und CDU durchaus öfter in der Stadt blicken lässt. Dass Platzhirsch Mützenich der ist, den es zu schlagen gilt, ist ihr bewusst.

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„Ich schätze ihn als Mensch. Aber ich stehe inhaltlich für etwas anderes: Für mich gehören Klimaschutz und Gerechtigkeit zusammen.“ Mitunter sprechen die Grünen auch von „sozialer Gerechtigkeit“, also einst das Schlagwort der Sozialdemokraten, dass sie aber seit der viel kritisierten Agenda 2010 unter der Kanzler Gerhard Schröder immer öfter galant umschiffen. SPD-Kanzlerkandidat Scholz hat es durch den Kampfbegriff „Respekt“ ersetzt. Der Begriff ist also vakant, die Grünen übernehmen gern.

Im Wahlkreis 95 treten also drei arrivierte Bundestagsabgeordnete an. Die Wählerinnen und Wähler wissen, was von ihnen zu erwarten ist. Alle drei haben realistische Chancen, ihre Berliner Karrieren fortzusetzen. Bei den Zweitstimmen, mit denen Parteien gewählt werden, lag die SPD 2017 nur hauchdünn vor der CDU. Die damaligen Grünen-Wähler aus den zentrumsnahen Vierteln konnten der Ökopartei nur zu 14 Prozent der Zweitstimmen verhelfen.