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Wahlkampf in KölnErstmals könnte eine Frau im Wahlkreis 93 das Direktmandat gewinnen

Lesezeit 5 Minuten
Kandidierende Wahlkreis 93

Karsten Möring, Sanae Abdi (r.) und Lisa-Marie Friede kandidieren bei der Bundestagswahl für Wahlkreis 93

Köln – Er muss gejubelt haben in dieser Nacht im Jahr 2013. Lauthals. Denn nachdem Karsten Möring mit 402 Stimmen weniger als sein SPD-Konkurrent Martin Dörmann das Direktmandat im Wahlkreis 93 verpasst hatte, stand um kurz vor drei Uhr fest: Alle Kölner CDU-Kandidaten sind Dank der Reserveliste im Bundestag vertreten. Auch Möring – und das, obwohl er lediglich auf Platz 46 der Landesliste geführt wurde.

Vier Jahre später dann weniger Aufregung: Der ehemalige Gymnasialschulleiter erhält das Direktmandat, setzt sich diesmal gegen die SPD durch, darf in Berlin bleiben. Doch wie geht es kommenden Sonntag bei der Bundestagswahl für ihn weiter? Der 72-Jährige zeigt sich selbstbewusst. Mit Blick auf die anderen Kandidierenden gehe er davon aus, dass seine Chancen am besten seien. „Aber es wird auf jeden Fall ein knappes Ergebnis sein“, sagt er.

Duell oder Triell im Wahlkreis 93?

Das glaubt auch Sanae Abdi. Die 35-Jährige tritt ebenfalls in dem Wahlkreis an, der die Altstadt-Nord, Deutz, Neustadt-Nord sowie die Stadtbezirke Porz und Kalk umfasst – und will das Direktmandat zurück in SPD-Hand holen. Ihrer Meinung nach zeichne sich ein Duell zwischen Rot und Schwarz ab, das in einem Kopf-an-Kopf-Rennen enden werde.

Das ist durchaus möglich. Schließlich ist genau das in den vergangenen Jahren immer wieder passiert. Bei der Bundestagswahl 2017 konnte sich die CDU etwa mit lediglich 0,6 Prozentpunkten Unterschied bei den Erststimmen das Direktmandat sichern. 2013 gewann hingegen die SPD mit einem Unterschied von nur 0,3 Prozentpunkten.

Doch wird es tatsächlich diesen Zweikampf geben? Nein. Jedenfalls dann nicht, wenn es nach Lisa-Marie Friede geht. Sie trete nach eigenen Angaben „sehr selbstbewusst“ zur Wahl an, rechne sich für sich und die Grünen realistische Chancen aus. Jenes Selbstbewusstsein ziehe die 29-jährige Soziologin aus den Ergebnissen der vergangenen Europa- und der Kommunalwahl, bei denen die Grünen jeweils stärkste Kraft wurden.

„Bei der Kommunalwahl konnten wir einige Wahlkreise direkt gewinnen, die zum Teil auch auf der Fläche meines Bundestagswahlkreises liegen. Deswegen ist das Rennen weiterhin offen“, sagt Friede. Gute Chancen könnte sie vor allem in den Stadtteilen Altstadt-Nord, Deutz und Neustadt-Nord haben, die nach der Kommunalwahl im vergangenen Jahr grün eingefärbt wurden. Die Stadtbezirke Porz und Kalk konnte hingegen die SPD für sich gewinnen.

Keine vielversprechenden Plätze auf der Landesliste

Doch egal ob Duell oder Triell – für alle drei gilt: Das Nichterreichen des Direktmandats, egal wie knapp es auch sein mag, könnte das Aus bedeuten. Alle drei haben keinen vielversprechenden Listenplatz. Friede steht mit Platz 30 im Vergleich zu Möring (42) und Abdi (40) noch am besten dar.

Die anderen Kandidierenden im Wahlkreis

Neben den drei Favoriten treten in Wahlkreis 94 auch noch Reinhard Houben (FDP), Rebekka Müller (Volt) und Madeleine Eisfeld (Die Linke) an. Ebenfalls zur Wahl stellen sich am 26. September Fabian Jacobi (AfD), Aaron Baron von Kruedener (Die Partei), Detlef Hagenbruch (Partei der freien Wähler), Elisabeth Höchtl (MLPD/Internationalistische Liste), Ralf Schäfer (die Basis) und Martin Josef Przybylski (Einzelkandidat). (kle)

Darum gilt es zu kämpfen. Um jede einzelne Stimme. In einem Wahlkreis, der laut der drei Kandidierenden vor allem deshalb so besonders sei, weil er so heterogen, so divers ist. „Es gibt Stadtteile, die fast schon ländlich geprägt sind – im Gegensatz zu einem sehr urbanen Innenstadtbereich. Dieser Zusammenschluss birgt, dass es unterschiedliche Herausforderungen gibt, die im Wahlkreis angegangen werden müssen“, sagt Sanae Abdi.

Hinzu kommen laut Lisa-Marie Friede soziale Gefälle, Stadtteile mit hohem Migrationsanteil, teilweise Armutsbereichen. „In Köln ist die Armutsgefährdung über dem Bundesdurchschnitt“, sagt sie. Daher sei es ihr wichtig, „Menschen über gute Beschäftigungsverhältnisse mit fairen Löhnen abzusichern. Daneben müssen wir mit einer Kindergrundsicherung auch die Kinderarmut bekämpfen“. Zudem müsse preisgünstiger Wohnraum im gesamten Wahlkreis gefördert werden.

Forderung nach bezahlbarem Wohnraum in Köln

Der Meinung ist auch die SPD-Politikerin. „Ich glaube, dass gerade die Frage nach bezahlbarem Wohnraum die sozialste Frage unserer Zeit ist. Denn es ist etwas, was die Menschen im Wahlkreis sehr stark beschäftigt“, sagt Sanae Abdi, die als Projektmanagerin in der Entwicklungszusammenarbeit arbeitet.

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Auch für Karsten Möring sind die Finanzierung des sozialen Wohnraums sowie die grundsätzliche Verstärkung des Wohnungsbaus in Köln zentrale Themen. Wichtig sei bei letzterem vor allem, dass mehr Flächen bereitgestellt werden und „wir Bauvorschriften durchforsten. Die sind in den letzten 20 Jahren so ausgeufert, dass sie oftmals ein Hindernis darstellen“. Diese Hindernisse beim Bau müssten vor allem bei der Innenverdichtung und beim Dachaufbau reduziert oder – wenn möglich – vollständig weggenommen werden.

Neben der Einigkeit über die dringend benötigte Verbesserung im Bereich Wohnen, gibt es aber – natürlich – auch Streitthemen: Etwa die geplante Autobahn „Rheinspange 553“, die die A 555 auf der linken Rheinseite mit der A 59 auf der rechten Rheinseite verbinden soll.

Während Friede einen Planungsstopp fordert, verspricht Karsten Möring, sich für eine Rheinquerung mit Tunnellösung einzusetzen. „Die Querung ist unbedingt nötig, und der Tunnel rechnet sich aus meiner Sicht auch finanziell, weil der Nutzen so groß ist, dass man auch eine teurere Lösung finanzieren kann“, so der 72-Jährige.

Verbesserung der Nachverkehrs-Situation

Wiederum einig sind sich die drei Kandidierenden darin, dass die Nahverkehrs-Situation verbessert werden muss. Auch wenn sich die Problematik im Wahlkreis nicht verallgemeinern lasse. „Wir haben Stadtteile, die im Gegensatz zur Innenstadt teilweise vom öffentlichen Nahverkehr abgeschnitten sind und damit gar nicht bedient werden. Das muss sich ändern“, so Abdi. Möring möchte vor allem die Digitalisierung der S-Bahn-Leitungen möglichst schnell vorantreiben.

Laut Lisa-Marie Friede müsse hingegen grundsätzlich mehr in eine nachhaltigere Mobilität investiert werden. Schließlich seien Klimaschutzmaßnahmen und Klimafolgeanpassungen überall wichtig. „Generell verspreche ich, dass für mich konsequenter Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit immer zusammen gehören“, sagt Friede. Und welches Versprechen kommt vonseiten der SPD? „Ich möchte mich, gerade was die Infrastruktur angeht, für klimagerechte Lösungen aussprechen. Dafür müssen wir die Nutzung des ÖPNV steigern“, so Sanae Abdi.

Wer in den kommenden vier Jahren zeigen kann, ob sein Versprechen hält, wird das Ergebnis der Bundestagswahl kommenden Sonntag zeigen. Ebenso, ob Karsten Möring es erneut per Direktmandat in den Bundestag schafft – oder erstmals eine Frau den Wahlkreis 93 in Berlin vertritt.