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Walter HerrmannBeschimpfungen und Buhrufe bei Diskussion um Kölner Klagemauer

Lesezeit 3 Minuten

Walter Herrmann auf der Domplatte.

Köln – Am Ende stand ein Kompromiss: 150 Papptafeln der so genannten Klagemauer des verstorbenen Aktivisten Walter Herrmann werden vom historischen Archiv der Stadt Köln und vom Kölnischen Stadtmuseum übernommen. Dabei soll sichergestellt werden, dass auch Tafeln bewahrt werden, die den Antisemitismus und Antizionismus auf vielen Tafeln der vergangenen Jahre dokumentieren – so das Bild eines offensichtlich jüdischen Mannes, der ein palästinensisches Kind verspeist.

„Wir wollen Herrmann nicht posthum eine Bedeutung verschaffen, die er aus meiner Sicht nie hatte“, sagte Mario Kramp, Direktor des Stadtmuseums. „Aber seine Klagemauer gehört zur Stadtgeschichte, es ist unsere Aufgabe, das zu dokumentieren.“

„Der Erinnerung wert? Walter Hermann, die Klagemauer, der Antisemitismus und die Aufgabe historischer Archive“, hieß der Titel einer Diskussion in der Karl-Rahner-Akademie am Dienstagabend. Mario Kramp, Volker Beck (religionspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag), Udo Behrendes (Polizeidirektor a.D.), Gisela Fleckenstein (Archivarin am Historischen Archiv), Miguel Freund (Stellv. Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit), Pfarrer Franz Meurer (alternativer Ehrenbürger) und Martin Stankowski (Publizist) diskutierten mit Moderator Joachim Frank, Chefkorrespondent des „Kölner Stadt-Anzeiger“, und mehr als 150 Besuchern über das Erbe des streitbaren Aktivisten.

Miguel Freund ausgebuht

Während Volker Beck und Miguel Freund die Ansicht vertraten, dass der historische Wert der Tafeln zu begrenzt sei, um sie zu bewahren, meinten die anderen Diskutanten, Herrmanns 25 Jahre währende Domplatten-Aktion müsse zumindest in Teilen bewahrt werden. Die Debatte auf dem Podium verlief sachlich.

Emotional wurde es, als die Besucher ihre Meinung sagten. Nicht wenige Herrmann-Anhänger befanden sich im Saal, die die Lebensleistung des Aktivisten mehr gewürdigt wissen wollten. Als Miguel Freund sich darüber ärgerte, mit welchem Eifer sich „viele Alt-Linke in Deutschland auf die Seite der Palästinenser“ schlügen, während global ungleich größeren politischen Problemen wie dem so genannten Islamischen Staat und den Taliban weniger Aufmerksamkeit geschenkt würde, wurde er ausgebuht.

Karl-Rahner-Akademie als antisemitisch beschimpft

Einige Herrmann-Anhänger fielen mit antijüdischen Ressentiments auf – nicht nur, indem sie Freund leise beschimpften. Schon im Vorfeld hatte es einen Eklat gegeben: Die Karl-Rahner-Akademie hatte die Diskussion ursprünglich versehentlich auf Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag, gelegt. Im Internet war die Akademie daraufhin als „antisemitisch“ beschimpft worden.

Die Diskussion um das Erbe von Walter Herrmann ist mit dem Kompromiss zur Archivierung der Tafeln nicht beendet: Reza Begi, Kölner Taxifahrer mit iranischen Wurzeln, der Herrmann bis zum Tode begleitete, kündigte an, als „Erbe Herrmanns“ die Klagemauer am Dom wieder aufbauen zu wollen.

Begi, der sich als „Friedensaktivist“ bezeichnet, ließ sich im Sommer 2015 mit der ehemaligen Pegida-Frontfrau Kathrin Oertel und Herrmann an der Klagemauer fotografieren. Er weist dem Staat Israel die Schuld für vieles Übel in der Welt zu. Begi hatte sich auch herablassend über Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert.