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Stadtmuseum oder nicht?Streit um die Zukunft der Kölner Klagemauer

Lesezeit 4 Minuten
Klagemauer

Walter Hermann baut seine Klagemauer vor dem Dom auf.

Köln – Kurz vor seinem Tod hat Walter Herrmann, der jahrelang vor dem Kölner Dom demonstriert hat, die Papptafeln seiner Klagemauer dem Kölnischen Stadtmuseum geschenkt. Er hat es nicht mehr geschafft, ein Testament zu verfassen, aber diese Schenkung war ihm wichtig, sagen ihm Nahestehende.

Nach seinem Tod am 26. Juni ist eine kontroverse Diskussion über die Zukunft der Klagemauer entbrannt. Dürfen die Papptafeln, die seit 2004 fast ausschließlich die israelische Palästinenserpolitik anprangerten und von vielen – nicht nur jüdischen – Menschen als antisemitisch empfunden wurden, im Stadtmuseum ausgestellt werden?

Walter Herrmann und seine Klagemauer vor dem Kölner Dom.

Mario Kramp, Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, es habe seitens des Stadtmuseums nie die Absicht gegeben, den gesamten Nachlass Herrmanns zu übernehmen oder ihm eine große Bühne zu bereiten.

Alles zum Thema Henriette Reker

Ein Teil der Kölner Stadtgeschichte

„Wir überlegen“, so Kramp, „ob wir einige ausgewählte Tafeln in die Sammlung aufnehmen.“ Herrmanns Aktionen seien Teil der Kölner Stadtgeschichte, unabhängig davon, so Kramp, „ob es einem gefällt oder wie man deren Inhalte politisch bewertet“.

Für ein paar Tafeln: Mario Kramp.

Von seinem anfänglichen sozialen Engagement habe sich Herrmann mit den Jahren immer weiter entfernt: „Es geht auch darum, zu zeigen, welche bedenkliche Entwicklung ein Teil der Kölner Protestkultur genommen hat.“

Letztlich habe das Museum angesichts des Nachlasses vor der Frage gestanden: „Soll das alles auf den Müll oder sollen wir etwas davon bewahren?“ Dazu gebe es noch keine abgeschlossene Meinung. Er neige aber zur zweiten Variante: „Dies gehört zu den Aufgaben eines Stadtmuseums.“

Fraktionschefs und IHK lehnen Pläne ab

IHK-Geschäftsführer Ulrich Soénius hatte als Chef des Kuratoriums der Stiftung Stadtgedächtnis Oberbürgermeisterin Henriette Reker und die Fraktionsvorsitzenden im Rat angeschrieben und darum gebeten, die Schenkung ans Stadtmuseum auszuschlagen.

„Die angebliche Mahnwache des Herrn Herrmann bestand aus agitatorischen Vorwürfen gegen den Staat Israel, den er als einzigen Schuldigen für die Situation im Nahen Osten ausgemacht hatte und den er abgründig in seiner antisemitischen Haltung hasste“, schrieb Soénius.

Die Fraktionsvorsitzenden lehnen eine Ausstellung der Klagemauer ebenfalls ab – mit ähnlich lautenden Begründungen: „Antisemitismus und Rassismus gehören auf den Müll“ (SPD), „das Zeug gehört in die Tonne“ (CDU), „dafür sind Depot- und Archivflächen zu schade“ (FDP).

Nur der Fraktionschef der Grünen, Jörg Frank, äußerte, man könne zumindest Tafeln aus Herrmanns ersten Protestjahren zum Thema Wohnungsnot übernehmen.

„Eine Zumutung“

„Eine Ausstellung der Klagemauer im Stadtmuseum wäre eine Zumutung“, sagt dagegen Franks Parteifreund Volker Beck.

Gegen eine Ausstellung: Volker Beck.

„Was man im Rahmen des Demonstrationsrechts dulden musste, muss nun nicht öffentlich verklärt werden.“ Höchstens „unter der Rubrik Schandfleck“ könne er sich ein Exponat im Museum vorstellen, so Beck: „Die antisemitische Hetze Herrmanns war ein Skandal und ein Trauerspiel. Sie darf keinesfalls nun geadelt werden.“

Der grüne Bundestagsabgeordnete Beck hatte in einem offenen Brief an Kardinal Rainer Maria Woelki zuvor scharf kritisiert, dass ein Teil der Klagemauer anlässlich der Trauerfeier für Herrmann in der Kirche St. Theodor in Vingst ausgestellt werden sollte – und schließlich auch wurde.

Das Fahrrad des Aktivisten Walter Herrmann und einige seiner Papptafeln sind seit der Trauerfeier in St. Theodor zu sehen.

Er hielt das für ein „unerträgliches Signal an die jüdischen Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt und eine Verletzung der geistigen Verbindung des Volk(es) des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams“.

Mit der Aufstellung der Klagemauer würde der Streit „über Herrmanns Tod hinaus wiederbelebt“.

Pfarrer Franz Meurer, der Herrmann verbunden war und seine Aktionen in den ersten Jahren auch unterstützt hatte, in den vergangenen Jahren aber „sein größter Kritiker war“, wie er sagt, betont, dass nur Tafeln aus der Anfangszeit der Klagemauer in St. Theodor zu sehen sind.

Für eine Diskussion: Franz Meurer.

„Schriftstücke mit antijüdischem Inhalt hätten bei mir nie einen Platz. Wenn Walter Herrmann zu Lebzeiten mit seinen Anti-Israel-Parolen vor meiner Kirche gestanden hätte, hätte ich ihn dort weggejagt.“ Die alten Tafeln und Herrmanns Fahrrad werden noch einige Wochen in St. Theodor zu sehen sein.

Franz Meurer schlägt nun eine öffentliche Runde vor, um zu diskutieren, was mit der Klagemauer geschieht. Er sagt: „Ich bin kein Politiker und kein Archivar. Aber ist es nicht Aufgabe von Museen und Archivaren, aufzubewahren und zu zeigen, was das öffentliche Bewusstsein beeinflusst hat?“