Johannes Hermanns erklärt, was er in Köln bewegen will, wie er auf den Karneval blickt – und welchem Bundesligateam er die Daumen drückt.
Neuer Polizeipräsident im Interview„Wer den Köln-Bazillus einmal in sich hat, will immer wieder zurückkommen“
- Der 60-jährige hat in den Neunziger Jahren in Köln schon einmal bei der Kripo gearbeitet und kehrt jetzt als Behördenleiter in die Stadt zurück
- Sorgen bereiten ihm vor allem die steigenden Zahlen bei Einbruch und Taschendiebstahl
- Um abzuschalten treibt und schaut Johannes Hermanns Wintersport und liest gerne – auf seinem Nachttisch liegt keine leichte Kost.
Herr Hermanns, Sie haben von 1991 bis 1997 schon einmal bei der Kripo in Köln gearbeitet und sind jetzt zurückgekehrt – als Behördenleiter. Mussten Sie lange überlegen, als das Angebot kam?
Innenminister Herbert Reul hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Polizeipräsident zu werden. Dann hat er deutlich gemacht, dass es sich um Köln handeln könnte. Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, wollte er mir Bedenkzeit einräumen. Aber darauf habe ich verzichtet. Meine Befürchtung war: Wenn ich nicht gleich zusage, kommt er noch auf die Idee und fragt jemand anderen.
Tatsächlich? Es gab keine Zweifel?
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Mir geht das wie allen, die mal in Köln gearbeitet haben: Wenn man einmal diesen Köln-Bazillus in sich hat, dann strebt man eigentlich immer danach, wieder zurückzukommen. Ich wollte das auch, aber es hat irgendwie nie geklappt. Dass es jetzt doch noch klappt und dann auch noch in dieser Funktion, ist für mich ein unglaublich gutes Gefühl.
Wie hat sich die Stadt verändert seit Ihrem Weggang? Und wie sind Sie hier aufgenommen worden?
Das Positive ist, dass man nach Köln hineinfährt und sich direkt wieder wohlfühlt. Der Polizeipräsident wird hier von der Stadtgesellschaft sicher mehr gefordert als anderswo. Das hat mich in dieser Wucht schon ein Stück weit überrascht. Aber was mich ebenso überrascht hat, ist, wie positiv ich in der Stadt und in der Behörde aufgenommen worden bin. Oft wird Polizei mit Skepsis betrachtet. Aber ich habe hier permanent das Gefühl, ich laufe in ausgebreitete Arme. Das ist wirklich toll, und das steht schon für Köln. Dieses Emotionale ist etwas, was Köln besonders macht, was man aber auch kaum mit Worten beschreiben kann. Ich glaube, dass kommt am besten in dem Lied der Höhner zum Ausdruck: „Hey Kölle - Du bes e Jeföhl“.
Welche Schwerpunkte wollen Sie bei Ihrer Arbeit als Polizeipräsident setzen?
Zum einen steht die Europameisterschaft vor der Tür. Das ist für die Polizei und für die Stadt ein herausragendes Erlebnis, und für Fußballfans sowieso. Die Polizei muss die Sicherheit der Spielstätten gewährleisten und dafür sorgen, dass die Fußballfans friedlich feiern können und die Bürger sich sicher fühlen. Dazu haben wir es seit dem Angriff der Hamas auf Israel mit einem ausgeprägten Demonstrationsgeschehen hier in der Stadt zu tun. Außerdem müssen wir uns mit stark steigenden Kriminalitätszahlen auseinandersetzen.
Welche Bereiche machen Ihnen da derzeit besonders Sorgen?
Der gesamte Bereich der Eigentumskriminalität wie Wohnungseinbrüche und Taschendiebstähle. Seit dem Ende der Corona-Pandemie steigen die Zahlen wieder enorm an, weil einfach die Tatgelegenheiten wieder zunehmen.
Kürzlich wurden zwei Minderjährige festgenommen, die einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Leverkusen geplant haben sollen. Wie hoch ist die Anschlagsgefahr in Köln und Leverkusen?
Man muss zwischen der abstrakten und der konkreten Anschlagsgefahr unterscheiden. Die abstrakte Gefahr ist vor dem Hintergrund der verschiedenen Konflikte in der Welt aktuell deutlich erhöht. Aber es gibt derzeit für die Stadtregion Köln und Leverkusen keine Hinweise auf Anschlagspläne, also keine Hinweise auf eine konkrete Gefahr.
Der Besuch auf dem Weihnachtsmarkt ist also sicher?
Alle Einsatzkräfte sind stark sensibilisiert und hellwach. Eine hundertprozentige Sicherheit wird es natürlich nie geben. Aber nochmal: Aktuell gibt es keine konkreten Anschlagspläne.
Vorige Woche haben Polizisten in Ehrenfeld einen bewaffneten, mutmaßlichen Räuber auf der Vitalisstraße erschossen. In Bocklemünd hat vor wenigen Wochen ein Mann in seiner Wohnung eine Explosion ausgelöst und mehrere Polizisten verletzt. In Heimersdorf haben Polizisten an Halloween auf einen 16-jährigen geschossen, der Passanten mit einem Messer bedrohte. Und auch in Gummersbach haben Streifenbeamte auf einen bewaffneten Räuber geschossen, der die Polizisten angegriffen hatte. Täuscht der Eindruck, dass sich solche Taten häufen?
Wenn solche Einsätze mehrmals in kurzer Zeit am selben Ort geschehen, kann natürlich der Eindruck entstehen, dass es davon immer mehr gibt. Aber zumindest was den Schusswaffengebrauch von Polizisten angeht, sind die Zahlen in NRW leicht rückläufig. Andererseits ist es schon so, dass die Gewalt gegenüber Polizei und Rettungskräften zunimmt. Da verändert sich gesellschaftlich gerade etwas. Und das ist etwas, was wir auch gesamtgesellschaftlich in den Griff kriegen müssen.
Mit dem noch relativ neuen landesweiten Projekt „Periskop“ versucht die Polizei gemeinsam mit anderen Behörden wie Schulen, Gesundheitsämtern oder psychiatrischen Einrichtungen, risikoträchtige Personen zu identifizieren und Amokläufe zu verhindern. Wie ist das Projekt in Köln angelaufen?
Mit „Periskop“ wollen wir Menschen, die psychisch auffällig und potenziell gefährlich sind, frühzeitig ansprechen und beobachten. Seit die Ermittlungsgruppe der Polizei Köln im September 2022 ihre Arbeit aufgenommen hat, sind rund 260 Prüffälle bearbeitet worden. 26 von den 260 überprüften Männern und Frauen sind als Personen mit Risikopotenzial eingestuft worden. Weitere 31 Fälle befinden sich derzeit in der Bearbeitung.
Waren Sie eigentlich am 11.11. oder an Weiberfastnacht schon mal in Köln oder lassen Sie sich in sieben Wochen überraschen?
Ich kenne den Karneval hier noch aus meiner Zeit in Köln. Auch wenn sich einiges verändert oder verlagert hat, sind mir auch die Zustände auf der Zülpicher Straße grundsätzlich bekannt.
Haben Sie schon eine Meinung dazu, ob es besser wäre, das Geschehen an Weiberfastnacht durch mehrere Bühnen an verschiedenen Orten zu entzerren?
Aus polizeilicher Perspektive ist es wichtig, große Menschenmengen so zu entzerren, dass Rettungsmaßnahmen möglich sind und dass keine Panik entsteht. Im Moment wird diskutiert, ob man mit Ersatzveranstaltungen zusätzliche Ausgleichsflächen schaffen kann. Als Polizei sind wir da in der Diskussion erstmal offen. Wenn das zur Zufriedenheit aller geschehen kann und man dadurch Gefahrenlagen vermeiden kann, dann ist uns das am liebsten. Wenn man jetzt Veranstaltungen verlagert, muss man aber auch die neuen Veranstaltungsräume begutachten und prüfen, ob da nicht das gleiche Problem wieder entsteht. Das muss man sich in Ruhe anschauen.
Es sind aber nur noch sieben Wochen bis Weiberfastnacht…
Oberbürgermeisterin Henriette Reker und ich haben das Thema bei unserem ersten Treffen schon einmal kurz angeschnitten und vereinbart, dass wir das zeitnah noch einmal vertiefen. Wir sind gut beraten, wenn Stadt und Polizei das gemeinsam machen. Mein Eindruck ist, dass alle gewillt sind, zu einer guten Lösung zu kommen.
Sie wohnen in Haan im Kreis Mettmann. Planen Sie, nach Köln zu ziehen?
Nein, erstmal nicht. Wenn ich die Verkehrsverhältnisse in Köln so sehe, würde sich meine Fahrzeit zum Präsidium vielleicht auch eher noch verlängern, je nachdem, in welchem Stadtteil man hier wohnt. Und vielleicht ist es auch manchmal ganz gut, wenn man ein bisschen Abstand finden kann.
Wie finden Sie gedanklich Abstand zum Job?
Ich bin leidenschaftlicher Skifahrer, meine Frau und ich reisen gerne, gehen gerne essen und interessieren uns für Kunst und Kultur. Und ich lese gerne, wenn meine Zeit dafür auch leider knapp bemessen ist.
Welches Buch liegt gerade auf Ihrem Nachttisch?
Im Moment beschäftige ich mich mit der israelischen Geschichte.
Das klingt aber nicht nach leichter Kost zum Runterkommen.
Wenn Sie es noch leichter haben wollen: Gleich daneben liegt ein Gesetzeskommentar über Versammlungsrecht.
Köln ist ja nicht nur Karneval, sondern zum Beispiel auch Fußball. Sind Sie FC-Fan?
Ich muss vielleicht eines vorweg schicken…
Also nicht.
Mein Vater war Zeit seines Lebens Anhänger des 1. FC Köln, hat es aber nicht geschafft, seinen Sohn zum FC-Anhänger zu machen. Als Kind haben mich Gerd Müller und Franz Beckenbauer fasziniert, also bin ich beim FC Bayern München hängen geblieben. Aber das Rhein-Energie-Stadion beziehungsweise das alte Müngersdorfer Stadion war das Stadion, das ich am häufigsten in meinem Leben besucht habe. Man kann sich der Stimmung dort ja einfach nicht entziehen. Es gab zwar immer mal Phasen, da war die Stimmung nach dem Anstoß auch schnell wieder weg. Man kann sagen: Ich bin Anhänger des FC Bayern München, aber ein bisschen habe ich immer auch mit dem 1. FC Köln gefiebert.