Die Staatsanwaltschaft Köln hat gegen Kardinal Rainer Woelki ein zweites Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wie bereits im ersten Fall geht es um den Verdacht einer falschen eidesstattlichen Versicherung.
Woelki unter VerdachtStaatsanwaltschaft eröffnet zweites Ermittlungsverfahren
Es gebe „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat“, sagte Behördensprecher Ulf Willuhn dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Staatsanwaltschaft reagiere auf Aussagen der langjährigen Sekretärin von Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, vor dem Kölner Landgericht in der vorigen Woche.
Die heute 72-Jährige hatte dem Gericht dargelegt, dass sie Woelki in dessen Zeit als Weihbischof in einem Telefonat ausführlich über den Lebenswandel eines Priesters informiert hatte, dem Missbrauchsvergehen zur Last gelegt werden und den Woelki im Jahr 2017 auf eine leitende Stelle beförderte.
Das Erzbistum erklärte auf Anfrage, man habe die Mitteilung der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis genommen. Nun gelte es, das Ergebnis der Untersuchungen abzuwarten. „Kardinal Woelki bleibe dabei, dass er die Wahrheit gesagt hat“.
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In einer presserechtlichen Auseinandersetzung mit der „Bild“-Zeitung gab Woelki über seinen Kenntnisstand im Fall des betreffenden Priesters eine eidesstattliche Versicherung ab: Er habe – anders als von der Zeitung berichtet – die Personalakte des Priesters zum Zeitpunkt von dessen Beförderung nicht gekannt. Er habe gehört, dass der Priester 2001 „einen Kontakt zu einem Prostituierten gehabt haben soll. Es gab auch weitere Gerüchte, die sich um den Pfarrer rankten. Auf mein Nachfragen bei den für die Ernennung des Pfarrers werbenden Funktionsträgern wurde mir versichert, dass sich keines dieser Gerüchte je bestätigt hätte.“
Die Staatsanwaltschaft Köln hatte Ermittlungen gegen Woelki zunächst abgelehnt, da sie keinen hinreichenden Anfangsverdacht sah. Nach der Aussage der Zeugin vor dem Landgericht in der vorigen Woche sei dieser Verdacht nun gegeben, so Willuhn. Die Zeugin habe eigene Wahrnehmungen zum Verhalten des von Woelki beförderten Geistlichen geschildert. „Das ist für uns Grund genug, darüber nachzudenken, ob es sich um mehr handelt als bloße Gerüchte“, sagte Willuhn. Für die Aufnahme von Ermittlungen müsse die Staatsanwaltschaft auf der sicheren Seite sein. Auf eine falsche eidesstattliche Versicherung steht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.
Zwar machte Meisners ehemalige Sekretärin vor Gericht keine Angabe zu Woelkis Kenntnis der Personalakte, die dessen Darstellung erschüttert hätten. Wohl aber schilderte sie detailliert ihr Wissen von übergriffigem Verhalten des Geistlichen, über das sie Woelki auf dessen ausdrückliche Frage ins Bild gesetzt habe.
Der Geistliche soll mit Messdienern in die Sauna gegangen sein
Woelki hatte die Frau nach ihrer Darstellung um ein Gespräch gebeten zu einem Zeitpunkt, an dem weder Meisner noch dessen Sekretär anwesend sein sollten. In dem etwa 20-minütigen Telefonat habe sie Woelki gesagt, dass der Geistliche immer wieder zudringlich gegenüber Jugendlichen werde. Auf einer Fahrt nach Rom habe er mit einer Gruppe von Messdienern Unterhosen mit Penis-Bildern darauf gekauft. Er gehe auch mit Messdienern in die Sauna. Das habe der Mann ihr selbst gesagt. Sie habe sich seinerzeit dazu entschlossen, ihn auf Reisen zu begleiten, um ihn nach Möglichkeit in Schach zu halten, „wenn er dann wieder etwas anzüglich wurde bei den Jugendlichen, dass ich ihm dann mahnend was sagen konnte“.
Der Anwalt der Frau, Friedrich Graf von Westphalen, betonte im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, die Berichte seiner Mandantin gegenüber Woelki hätten alles andere als den Charakter von bloßen Gerüchten. „Das waren Schilderungen aus eigenem Erleben.“ Vor Gericht machte die zeitweilig mit dem Priester befreundete Frau überdies deutlich, dass sie unter ihrem Wissen um dessen Verhalten gelitten und die Freundschaft schließlich aus Gewissensnot beendet habe.
Bistumsmitarbeiterin Dahm belastete Woelki
Bereits vor zwei Wochen hatte die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen gegen Woelki aufgenommen. Hier geht es um den Verdacht, dass Woelki auch zu seinem Kenntnisstand über den Missbrauchsfall des früheren „Sternsinger“-Präsidenten Winfried Pilz eine Falschaussage gemacht haben könnte. Entgegen Woelkis Angaben, der mit dem Fall Pilz erst im Juni 2022 befasst worden sein will, erklärte die Bistumsmitarbeiterin Hildegard Dahm im „Kölner Stadt-Anzeiger“, sie habe für Woelki bereits 2015 eine Täterliste mit 14 Namen erstellt, auf der Pilz gestanden habe. Nach Aussage des früheren Interventionsbeauftragten Oliver Vogt habe Woelki diese Liste gesehen.
Die Ermittlungen in diesem Fall dauerten an und würden auch noch geraume Zeit in Anspruch nehmen, erklärte Willuhn.
Das Erzbistum hatte auch hier den Wahrheitsgehalt von Woelkis Aussage betont. Eine Presseerklärung des Erzbistums warf der Frau Spekulationen „ins Blaue hinein“ vor, sprach von einer Kampagne gegen den Kardinal und kündigte die Prüfung arbeitsrechtlicher Schritte an.
Über deren Stand wollte das Erzbistum auf Anfrage keine Auskunft geben. Es handele sich um „vertrauliche interne Personalangelegenheiten“. Eine Spannung zum Vorgehen des Bistums, das eben diese Angelegenheit selbst öffentlich gemacht hatte, vermochte Woelki-Sprecher Jürgen Kleikamp nach eigenen Worten „überhaupt nicht“ zu sehen.