AboAbonnieren

Wunderkind mit PanflöteEin Konzert wie ein Rausch – Tash Sultana im Kölner Palladium

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (2)

Tash Sultana bei einem Auftritt in den Niederlanden

Köln – Es ist bereits nach Mitternacht im dschungelschwülen Palladium, als Tash Sultana urschreiartige Laute ausstößt und irrwitzig schnell auf die Stahlsaiten ihrer Gitarre zu dreschen beginnt. Minutenlang. Jedem normalen Menschen würde bereits nach einem Bruchteil der Zeit der rechte Arm wegen Krämpfen den Dienst verweigern. Oder er würde schlicht abfallen.

Aber normal ist keine Kategorie, mit der man Sultana beschreiben kann. Oder soll. Denn Sultana, gerade einmal 23 Jahre alt, lehnt Kategorien kategorisch ab: Das Management weist beharrlich darauf hin, dass die ehemals als weiblich bekannte Straßenmusikerin aus Australien, die mit fulminanten Youtube-Videos aus ihrem Schlafzimmer zum Star wurde, sich nicht mehr als Frau, aber auch nicht als Mann bezeichnen mag, sondern als non-binäre Person. Da ist es praktisch, dass Sultana auch vor dieser Entscheidung schon weltweit raunend geschlechtsneutral als Wunderkind oder Genie bezeichnet worden ist: Alle 15 Instrumente ihres erst vor wenigen Tagen erschienenen Debütalbums „Flow State“ hat Sultana selbst eingespielt.

Und am Donnerstagabend in Köln schichtet Sultana – ohne Band, wie immer – mit einer Loopstation Gitarren, Beats und Gesänge derart kunstvoll übereinander, dass dem Zuhörer schwindelig wird.

Das könnte Sie auch interessieren:

Kategorien sprengt Sultana aber auch in einem Popgeschäft, das nach Genres sortiert: Die Musik gleitet und fliegt zwischen Reggae, Electro, Dub, R’n’B, Folk, dazu kommen ausufernde Gitarrensoli in Santana-Tradition, dem Fast-Namens-Vetter Sultanas. Die esoterischen Mandalas und umherfliegende Objekte im Weltraum auf den Leinwänden verleihen dem musikalischen Neo-Hippie-Trip die passende Farbe. Ohne Frage: Sultana mutet dem Publikum bei ihrem Auftaktkonzert in Köln, das Palladium hat sie drei Abende hintereinander ausverkauft, einiges zu. Wann ein Song aufhört, wann er anfängt, ist bei dieser manchmal fast halluzinationsartiger Musik voller Hall, Echos und Delays nicht ohne Weiteres auszumachen. Bezeichnenderweise hat Sultana überhaupt nur einen Hit, bei dem das Publikum in Köln die Chance hat, mitzusingen: „Jungle“ kommt als letztes Lied im regulären Set. Sultanas verfrickelte Ausflüge haben auch ihre Längen, wobei an den partiellen Ermüdungserscheinungen beim Kölner Auftakt vielleicht auch die fast einstündige Verspätung schuld ist: Der Auftritt kann wegen technischer Probleme erst nach 22 Uhr beginnen.

Wie ein Flummi zwischen den Instrumenten

Trotz dieser Längen bleibt keine Sekunde unklar, dass mit Sultana, nur selten trifft das Wort ja wirklich zu, ein Genie auf der Bühne steht, dass unfassbar virtuos Instrumente spielen und mit engelsgleich hoher Mühelosigkeit singen kann, während es wie ein Flummi zwischen diversen Tasten, Saiten und Mikrofonen hin- und her springt, die braunen Locken schüttelnd. Sobald sich zwischendurch ein Gähnen anbahnt, haut Sultana wieder dermaßen einen raus, dass sich alle Münder öffnen.

So wie bei dem virtuosen Panflöten-Beat-Box-Solo, mit dem das uncoolste Instrument der Welt plötzlich neue Würde findet. Oder bei diesem minutenlangen Rausch namens „Blackbird” ganz am Ende. Dass Sultana immer wieder auch hemmungslos Leistungsschau betreibt, einarmig Trompete spielt oder Gitarrensoli gniedelt: geschenkt und gegönnt! Nicht nur, weil das alles mehr übermütig als angeberhaft wirkt. Sondern auch, weil es schön ist anzusehen, wie die langjährige Angeber-Tradition bevorzugt männlicher Rockgitarristen von einer Person gekapert wird, die zwischen alle Stühle fällt. Tash Sultana ist wahrhaftig im Flow, da lügt ihr Debüt nicht. Hoffentlich bleibt das auch so.

Tash Sultana tritt auch am Freitag, 7. September, und Samstag, 8., September, im Palladium auf. Alle Konzerte sind ausverkauft.