Der russische Pianist ist in dieser Saison Artist in Residence der Kölner Philharmonie.
Alexander Melnikov in der Kölner PhilharmonieVon Brahms bis zur Hardcore-Moderne
Es ist die Saison des Alexander Melnikov. Der russische Pianist (und in Berlin ansässige Putin-Gegner) ist heuer als Artist in Residence mit einem vielseitigen (Selbst-)Porträtangebot in der Philharmonie unterwegs – als Solist mit und ohne Orchester und, so am vergangenen Sonntag, im Trio mit Isabelle Faust (Violine) und Jean-Guihen Queyras (Cello) als Kammermusiker. Diese Facette hätte auch keineswegs fehlen dürfen, denn gerade in der Kammermusik kommen Fähigkeiten und Tugenden so recht zur Blüte, über die Melnikov in höchstem Maße verfügt: intellektuelle Introversion und Selbstzurücknahme.
Dann tritt er immer wieder – so etwa gleich nach seiner Vorstellung des herrlichen Hauptthemas im ersten Satz von Brahms' Trio opus 8 (hier in der revidierten Fassung von 1889/90 gespielt) – hinter den Streichern ins Off. Mit dem Understatement mag er es sogar zuweilen übertreiben, dies ein Eindruck, der jetzt womöglich auch durch einen optischen Effekt getriggert wurde: Die seelenvoll-innigen Dialoge spielten sich hauptsächlich ab zwischen den vor dem Flügel platzierten „Frontkünstlern“ Faust und Queyras – ihrerseits unanfechtbaren Hochkarätern ihres Metiers.
Alexander Melnikovs Spiel ermöglicht eine Poesie des ganz Leisen
Indes: Wenn Melnikov im dritten Satz seinen Choral anstimmt, dann kann man über diese Qualität an stiller Versenkung nur staunen. Understatement? Auf alle Fälle ermöglicht diese Spielweise eine Intensität und Poesie des ganz Leisen, die den Zuhörer unmittelbar fesselt und berührt.
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Begonnen hatte das Konzert mit Schumanns im Konzertsaal nicht eben oft zu hörendem zweitem Klaviertrio, das übrigens von der Frühfassung des Brahms-Trios nur sieben Jahre trennen. Von Anfang an zeigte sich da, was es mit wahrhaft erfüllter Kammermusik auf sich hat: wenn sich die Klänge in steter Neujustierung der Gewichte aus einem lyrischen Feld heraus mit Energie aufluden oder diese Energie auch zum Schattenhaften hin entwich.
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So etwas kommt nicht von selbst, da ist große interpretatorische Disziplin gefordert. Ein Beispiel: Der erste Satz ist, ungewöhnlich genug, im 6/8-Takt notiert, welcher (anders als der ¾-Takt) Drei- und übergeordnete Zweischlag-Gruppen kombiniert. Rhythmisch bewegt sich das Stück somit aufs Scherzo zu – und „verfehlt“ es dennoch. Diese Ambivalenz will aber eben auch hörbar gemacht werden – was den drei Interpreten das auf mustergültige Weise gelang.
Vergleichsweise schwere Kost in der Spur der zweiten Wiener Schule lieferten Elliott Carters in der Mitte gespielte zwölf „Epigrams“ von 2012. Es handelt sich dabei um das letzte Werk des New Yorker Komponisten, der kurz nach der Vollendung im Alter von 103 Jahren verstarb. An Reinheit und Noblesse, an expressiver und dramatischer Dichte des Vortrags mangelte es auch hier keineswegs, aber der Sprödigkeit und Abstraktion dieser zweifellos bewundernswerten Hardcore-Moderne konnte auch das illustre Trio nur bedingt aufhelfen.