Der Beschluss für deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine wird nach wie vor heftig diskutiert. Wohin führt die deutsche Ukraine-Politik und ist der Kurswechsel des Kanzlers ein Offenbarungseid oder ein alternativloser Turnaround? Diese Frage diskutierte gestern Abend Anne Will mit Außenministerin Annalena Baerbock, Saskia Esken (SPD-Parteivorsitzende), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Johann David Wadephul (CDU) sowie der Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm und dem „Spiegel“-Journalist Markus Feldenkirchen.
Grünen-Politikerin Annalena Baerbock sprang als erste für Scholz und den Ukraine-Kurs der Bundesregierung in die Bresche. Die Entscheidung sei keine deutsche, „sondern eine europäische", so die Außenministerin. Sie argumentierte, dass Verhandlungen bis zum heutigen Tage keine Ergebnisse gebracht hätten. „Ein großer Nachbar überfällt den kleinen, das akzeptieren wir nicht. Putin hat klargemacht, dass er im Zweifel auch Moldau und die baltischen Staaten angreifen würde. Wenn wir das jetzt einfach so hinnehmen, ist das eine Einladung für mehr“, so Baerbock, die per Liveschalte an der Sendung teilnahm.
Baerbock kündigt Besuch in Kiew an
„Mit absoluter Sicherheit, so brutal ist die derzeitige Lage, kann man gar nichts sagen, weil wir mit einem russischen Präsidenten konfrontiert sind, der mit jeglichen Regeln des internationalen Zusammenlebens, mit jeglichen Regeln der Menschlichkeit gebrochen hat“, erläuterte Baerbock, die überraschend einen Besuch in Kiew ankündigte, ohne jedoch einen Termin zu nennen.
Dass auch Friedrich Merz einen Besuch beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj plant, wurde von Will kritisch hinterfragt. Was der CDU-Vorsitzende dort erreichen wolle, außer „ein Selfie mit Selenskyj?“, fragte die Moderatorin zugespitzt. Merz' Parteikollege Wadephul verteidigte die Pläne als „gutes Zeichen der Solidarität mit der Ukraine“. Saskia Esken kommentierte hingegen vielsagend: „Ob die Reise von Friedrich Merz nach Kiew für ihn einen Mehrwert bringt oder für die Ukraine einen Mehrwert bringt, muss er selbst wissen“, so die SPD-Politikerin.
Kritik an Kanzler Scholz und dessen Kommunikation
In der anschließenden Diskussion übten die Studiogäste, die nicht Teil der AmpelKoalition sind, dann aber doch erwartungsgemäß scharfe Kritik an Olaf Scholz. Wadephul befand die Kommunikation des Kanzlers für mangelhaft, Feldenkirchen schlug anschließend in die gleiche Kerbe, Scholz müsse zugeben, dass er falsch gelegen habe. „Diese Unfähigkeit, sich und die ständig neuen Schritte so zu erklären, dass man noch hinterherkommt, dass man es nachvollziehen kann, halte ich für ein Riesenproblem“, so der „Spiegel“-Autor.
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Auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann machte deutlich, dass sie die Kommunikationsstrategie der Bundesregierung nicht teilt. „Der Bundesregierung ist es wichtig, dass wir nicht darüber sprechen, was geliefert wurde. Ich halte das für einen Fehler, weil das deutlich mehr ist, als sich manche vorstellen können“, so die Düsseldorferin, die auch auf Nachfrage nicht mehr dazu verraten wollte. „Ich gehe hier doch nicht in Handschellen raus“, so Strack-Zimmermann.
Wadephul hält Waffenlieferungen für nicht durchdacht
Bei CDU-Mann Wadephul blieb es allerdings nicht bei der Kritik am Bundeskanzler, auch gegen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht teilte er aus. Der Flugabwehrkanonenpanzers „Gepard“ sei zwar qualitativ hochwertig, aber auch „das komplexeste Waffensystem“, was die Ausbildung daran sehr langwierig mache. „Mir scheint das alles nicht durchdacht zu sein“, urteilte Wadephul, der Lambrecht Unwissenheit vorwarf.
Saskia Esken hingegen verteidigte den Schritt, die Entscheidung sei mit den internationalen Partnern getroffen worden und keinesfalls auf einen Alleingang der Bundesregierung oder gar der Verteidigungsministerin zurückzuführen. (pst)