Die Bamberger Symphoniker unter Jakub Hrůša begeisterten mit Violinist Ray Chen in der Kölner Philharmonie.
Bamberger Symphoniker und Ray ChenJubelrufe in der Philharmonie
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Ray Chen und die Bamberger Symphoniker
Copyright: Reinhard A. Deutsch
„Ray, wir lieben dich“, gellte es in den Jubel nach dem Auftritt hinein – nicht etwa in der Lanxess Arena, sondern im distinguierten Meisterkonzert in der Kölner Philharmonie. Tatsächlich ist der taiwanesisch-australische Geiger Ray Chen eine Nummer für sich – die sich aus der Addition von persönlichem Charisma, freudig-souveräner Performance und einer sehr individuellen künstlerischen Prägung ergibt.
Es gehört schon etwas dazu, der Interpretation eines schier zu Tode gerittenen Repertoire-Schlachtrosses, Tschaikowskys Violinkonzert, etwas Unverwechselbares mitzugeben – sodass danach eigentlich klar sein muss, wer da zugelangt hat. Chen lässt auf seiner Stradivari ein Feuer abgehen, das bei aller spielerischen und klangfarblichen Brillanz nicht hell, sondern dunkel strahlt, besser wohl: glüht.
Und er geht auf den Körper des Instruments, da kommt Druck auf die Saiten, werden die Töne angestoßen. Das ist kein vornehm-abgeklärtes, im konventionellen Sinn „schönes“ Spiel, sondern eines, das den Widerstand der Materie mitinszeniert. Chens Ausdrucksbedürfnis scheint permanent überlaufen zu wollen, jede Note zittert gleichsam vor Expression.
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Ist das zu viel des Guten?
Ist das zu viel des Guten, ginge es vielleicht auch eine Nummer kleiner? Sicherlich, aber dann fehlte just das, was Chens Auftritt so unwiderstehlich macht. Der B-Teil des Finales zum Beispiel: Diesmal war er kein freundlicher Folklorismus, sondern ließ auf veristische Weise die Atmosphäre vielleicht einer Hochzeit auf dem russischen Lande entstehen, wo der Wodka in Strömen fließt. Das ist drastisch, wild, exzessiv – und zieht den Hörer unmittelbar in den Bann.
Dies war auch bei der Ysaÿe-Zugabe der Fall: volle Attacke ohne Fallnetz. Einen spezifischen, eher dunkel-satten, selbst im Fortissimo nie grellen Grunsound haben auch die Bamberger Symphoniker, die unter ihrem Chefdirigenten Jakub Hrůša angereist waren – und sich, zu Recht, vom Publikum gleichfalls feiern lassen konnten. Wenn da – um nur dieses Beispiel zu nennen – die Bläserriege in ihrer Opulenz auftrumpft, wähnt man die Philharmonie von sonorem Orgelklang erfüllt. Die weich-romantischen Hörner – eine Wucht.
Klar, der Tscheche Hrůša hat ein besonders glückliches Händchen für die Musik seiner Heimat, im weiteren Sinne für die slawische Musik in ihren diversen nationalen Ausprägungen. So war dann auch das komplette Programm gestrickt, wobei indes das fast allzu Bekannte – eben der Tschaikowsky – von nahezu Unbekanntem gerahmt wurde. Wer kennt schon Dvoráks späte Tondichtung „Heldenlied“ oder die fünfte Sinfonie von Bohuslav Martinů? Bei Dvorák wird ein kurzes Viernoten-Motiv zum Ferment einer großen hymnischen Steigerung – militärische Fanfaren und Naturlaute einbegriffen. Das kam hier mit bemerkenswerter Verve und Präsenz, Schlüssigkeit und Stringenz herüber.
Ein rundum erfreuliches Ergebnis zeitigte auch der Martinů mit Musik einer gemäßigten Moderne, die möglicherweise schwächer wirkt, wenn man sie schlechter spielt. So aber heizte Hrůša mit einem mitreißenden Festival der Synkopen ein – in das aus der Ferne noch Beethovens siebte Sinfonie herübergrüßte. In der Lutoslawski-Zugabe entfaltete sich daraus ein elektrisierender motorischer Drive.