Bei den Bregenzer Festspielen kam das Musiktheater „Unmögliche Verbindung“ von Ondřej Adámek zur Uraufführung. Es kommt im Oktober nach Köln.
Bregenzer FestspieleOndřej Adámeks neue Klangwelten kommen demnächst nach Köln
Gerade sechs Wochen ist es her, da erlebte Ondřej Adámeks Oper „Ines“ im Kölner Staatenhaus seine Uraufführung. Es verschränkte die Realität einer atomaren Katastrophe mit dem Mythos von Orpheus und Eurydike, im Mittelpunkt stand das Trauma des Orpheus. Nun hat der bienenfleißige Komponist im Rahmen der Bregenzer Festspiele sein nächstes Opus auf die Bühne gebracht, wie in Köln unter eigener musikalischer Leitung und Einstudierung. Mehr noch: „Unmögliche Verbindung“ entstand in engster Zusammenarbeit mit einem der wichtigsten Pionier-Ensembles der Neuen Musik, dem Ensemble Modern aus Frankfurt.
Der Komponist Adámek gilt als Multitalent, der gebürtige Prager und heutige Wahlberliner reflektiert in seinen Arbeiten mannigfaltigste globale Einflüsse und bedient sich für seine kunstvoll ausgetüftelten Klangfarben einer Fülle von Techniken, die über das Instrumentarium des herkömmlichen Orchesterapparats weit hinausgehen. So entwickelte er in jahrelanger experimenteller Arbeit das installative Musikinstrument Airmachine, eine mechanische Apparatur unter anderem mit Gummihandschuhen, Hupen und Schläuchen.
Komponist Ondřej Adámek hat ein neues Musikinstrument mit Gummihandschuhen, Hupen und Schläuchen entwickelt
Auf der Bregenzer Werkstattbühne erschafft er neue Klangwelten nun alleine mit den performativen Möglichkeiten seiner Mitwirkenden, die allesamt mehrere Instrumente, sowie die eigene Stimme einsetzen und sich dabei weit in den Kosmos schwer zu definierender Geräusche vortasten und performativ stark gefordert sind.
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„Connection impossible“ oder „Unmögliche Verbindung“ ist ein Musiktheater in 15 Kapiteln, das entlang einer Textcollage alle erdenklichen Formen und Fragen der Nicht-kommunikation durchspielt. Wie auch bei „Ines“ nimmt Adámek es mit großen Geistern auf, er stellt sich Texten des Philosophen René Descartes, des Universalgenies Leonardo da Vinci, Auszügen aus der Bibel, Gesetzestexten, Aufrufen der Klimaretter von Fridays for Future, eigenen Texten und denen seines Regisseurs Thomas Fiedler und des Dichters Arne Rautenberg.
Bühnenbildner Christian Wiehle lässt die große Fläche der Bregenzer Werkstattbühne weitgehend leer, in der Mitte hängt auf halber Höhe ein schwarzer Kubus, der als Projektionsfläche für Carl John Hoffmanns raffinierte Videos dient, außerdem hängen weiße Kugeln von der Decke, die später zu Globen werden oder mikroinvasive Bilder aus lebendigen Körpern zeigen.
Am rechten Rand ist ein imponierender Apparat von Perkussionsinstrumenten aufgebaut, ansonsten bilden sich auf der Bühne fortlaufend neue Konstellationen: Mal ordnen sich die Mikros in einem großen Kreis, mal in zwei kleinen, die Performer sind in ständiger Bewegung, mal mit, mal ohne ihre angestammten Instrumente, der Kontrabass etwa greift unerschrocken zur Trompete. Und alle setzen ihre Stimmen ein, sprechen, flüstern, hauchen und hecheln. Oder funken mit Lampen optische Morsesignale.
Adámek und sein Regisseur haben für jedes Mitglied des Ensemble Modern gemeinsam eigene szenische Ideen entwickelt, die Aktionen sind durchaus als Miniatur-Porträts der Musikerinnen und Musiker und ihrer künstlerischen Eigenheiten zu verstehen.
Es beginnt mit einem Geräusch aus dem Off, es klingt so, als würde eine Grammophon-Nadel in der letzten Rille einer Schellackplatte leerlaufen, es folgt ein Duett der beiden Stimmen, die die performative Hauptarbeit des Abends übernehme: die Sopranistin Tara Khozein und die Schauspielerin Hanni Lorenz, gewandet in feuerrote Overalls.
Immer wieder geht es in der Oper um das Ende des Lebens, um den Wunsch nach Auflösung
Beide setzen ihre Stimmen hoch virtuos ein, besonders eindrucksvoll Tara Khozeins großes Solo zu Leonardo da Vincis Überlegungen „Von den Muskeln, welche die Zunge bewegen“, wenn sie in hohem Tempo die schier unendlichen Fähigkeiten der menschlichen Zunge demonstriert, von Schnalz- und Klicklauten bis zu scharf artikuliertem Sprechen. Oder wenn sie eine chromatische Tonleiter in scharfen Staccati hinauf und hinunter singt und fast gleichzeitig ein- und auszuatmen scheint. Oder das große Crescendo des immerzu wiederholten Satzes „Where you there, are you here?“ in ständig gesteigertem Tempo, wiederum eine Etüde beschleunigten Ein- und Ausatmens.
Neben solchen Experimenten zu eher philosophischen Überlegungen gibt es auch eine sehr konkrete Szene nicht gelingender Kommunikation: Der schwarze Kubus zeigt vergitterte Fenster, darunter Frauen des Ensembles, die Namen von Inhaftierten rufen. Immer wieder aber geht es auch um das Ende des Lebens, um den „Wunsch nach Auflösung“ und schließlich um „Sterben lernen“.
Am Ende werden die weißen Kugeln herabgelassen, langsam entweicht die Luft, das Ensemble versammelt sich um das nun sichtbare Grammophon, das wieder geräuschvoll kratzend über die letzte Rille eiert, der Kubus fährt herab und umschließt alle.
Ein starkes, assoziationsreiches Musiktheater, farbig, kraftvoll und spannungsreich inszeniert. Nach dem Schlussapplaus geht man an der großen Seebühne vorbei, wo gerade die Vorstellung von Philipp Stölzls krachender Grusical-Inszenierung von Webers „Freischütz“ begonnen hat. Ein größerer ästhetischer Kontrast ist kaum vorstellbar. Eine „unmögliche Verbindung“ halt.