Frau Kebekus, Ihr Buch heißt „Es kann nur eine geben“. Wann ist Ihnen zum ersten Mal aufgefallen, dass Frauen häufig vermittelt wird, für mehrere sei kein Platz an der Spitze?
Das Konkurrenzgefühl zu anderen Frauen kannte ich schon immer. Ich habe mich immer schlecht deswegen gefühlt, bis ich es mal anderen Frauen erzählt habe. Die kannten es auch und fanden es genauso schlimm. Das Thema hat mich nicht mehr losgelassen. Ich habe mich gefragt, woher das kommt – es ist ja eigentlich bescheuert. Mich hat die Behauptung, Frauen seien untereinander stutenbissig, immer genervt. Es wird so dargestellt, als sei das eine weibliche Eigenschaft, als könnten wir einfach nicht miteinander, als läge das in unseren Genen. Damit konnte ich mich nicht zufriedengeben.
Sie haben für Ihr Buch viel zum Thema recherchiert. Mit welchen Erkenntnissen?
Ich habe gemerkt, dass das ein großes Feld ist. Es hat viel mit Sichtbarkeit, Unterdrückung und Frauenhass zu tun. Man muss wirklich aufpassen, nicht total abzudriften, weil das Thema so facettenreich ist. Schon damit angefangen, dass es historisch gesehen für Frauen lebensnotwendig war, dass sich ein Mann für sie entschieden hat. Da hat der Kampf begonnen. Wie im Märchen von Aschenputtel, in dem die Stiefschwester sich die Ferse abschneidet, damit der Prinz sie nimmt. Die war nicht zickig, das war eine Überlebenssicherung. Außerdem sind die Frauen in Märchen immer passiv und dämlich. Die können nichts. Schneewittchen macht trotz Gefahr für ihr Leben für ein Schnäppchen die Tür auf – da schämt man sich für sein Geschlecht. Da fragt man sich dann natürlich, wann denn endlich der Prinz kommt, der alles regelt.
Dieses „Es kann nur eine geben“-Prinzip ist in der Comedy besonders stark ausgeprägt, oder?
Ja, es wurde gesagt, ich hätte Glück gehabt, dass es keine anderen Frauen in der Comedy gab, was Quatsch ist. Außerdem hat das meine Karriere abgewertet. Das Bild, dass Frauen nicht unterschiedlich lustig sein können, ist absurd. Immer wieder wurde ich damit konfrontiert, dass es angeblich nur eine geben kann. Ich wurde überall eingeladen, aber keine weiteren Frauen – so gesehen habe ich ja auch von diesem System indirekt profitiert. Das ist nicht meine Schuld, aber das System hat mich getragen und andere nicht.
Sorgt es für unsolidarisches Verhalten, dass die Frau, die als „die Eine“ gilt, von dem System profitiert?
Aber man muss ja den eigenen Platz nicht räumen, um einer anderen Frau Platz zu geben. Das ist totaler Quatsch. Sicher gibt es Frauen, die dieses System unbewusst genutzt haben. Und das erklärt auch, warum manche Frauen in Spitzenpositionen auf Feminismus scheißen und sagen „Jede kann es schaffen, ich habe es ja auch geschafft“. Aber so ist es eben nicht. Bei Männern ist das ganz anders, die züchten sich Nachfolger heran und fördern sich untereinander. Sie sehen die Vorteile, die man hat, wenn man Seilschaften bildet.
Wieso tut sich eigentlich gerade die Humorbranche so schwer damit, Frauen Platz einzuräumen?
Es ist eine totale Männerdomäne. Humor wird bei Männern anders bewertet als bei Frauen. Einer lustigen Frau im Büro traut man automatisch weniger zu. Ihr gibt man weniger Aufstiegschancen, als einer Frau die ruhig und besonnen ist. Dann gibt es noch dieses bescheuerte Vorurteil, dass Frauen eh nicht lustig seien.
Wo ist Ihnen denn sonst noch besonders aufgefallen, dass Sie anders behandelt werden als Männer?
In der Kirche und beim Karneval wurde ich immer anders als mein Bruder oder meine männlichen Freunde behandelt. Im traditionellen Karneval gibt es keine Frauen, außer ein Funkemariechen. Ich habe mal bei einem Traditionsverein mit dem Hintergedanken angefragt, selbst einmal eine Sitzung zu leiten. Die haben mich ausgelacht und meinten, dass ich bei ihnen höchstens das Pferd am Zug halten könnte. Die zwei Institutionen Kirche und Karneval haben mich sehr geprägt, und je älter ich wurde, desto mehr merkte ich, dass ich allein aufgrund meines Geschlechts als minderwertiges Mitglied gesehen werde. Das hat mich schon früh wahnsinnig wütend gemacht.
Lernen Jungs in der Kindheit früher als Mädchen, mit Konkurrenzsituationen gut umzugehen?
Mir wurde nicht beigebracht, wie ich mit Konkurrenz umgehe. Mir wurde beigebracht, dass die Hauptsache ist, dass sich alle lieb haben. Es gibt eine Wissenschaftlerin, deren Forschung zeigt, dass Frauen nicht gewinnen wollen, wenn sie dafür andere besiegen müssen. Bei Männern ist das anders. Konflikte werden offen ausgetragen. Bei Mädchen geht man viel schneller dazwischen. Es ist nicht so, dass man keine Konkurrenz zu anderen Frauen empfinden darf, aber man kann anders damit umgehen.
Wie denn?
Wenn beispielsweise eine andere Frau im gleichen Alter in deinen Job wechselt, dann heißt das nicht, dass du schlechter bist, dein Job gefährdet ist und du sie zerstören musst. Die Konkurrenz zu ihr könnte dich doch zu mehr Leistung anspornen. Das zuzulassen als Frau fühlt sich schon schlecht an, weil man Reibereien vermeiden möchte. So verpassen wir ganz viele Chancen, uns beruflich Verbündete zu suchen.
Es gibt auch Forschung, die besagt, dass es Frauen schwerer fällt zu scheitern. Woher kommt das?
Über das Scheitern habe ich ein ganzes Kapitel geschrieben, weil ich in einem Beruf arbeite, in dem Scheitern ziemlich öffentlich ist. Ich weiß bei Frauen, die auf der Bühne scheitern, dass sie die ganze Zeit merken, dass ihre Witze nicht ankommen. Sie gehen von der Bühne und wissen, dass sie es schlecht gemacht haben. Ich habe allerdings viel mehr Typen auf der Bühne scheitern sehen. Bei denen kommt als Reaktion nur „Ja, war ein bisschen zäh“ oder der Klassiker „Die Leute waren auch nicht ganz so gut drauf.“ Das ist eine viel unrealistischere, aber auch gesündere Einschätzung der Situation. Bei einem meiner ersten Auftritte im Quatsch Comedy Club hat nichts geklappt. Ich habe sofort mit dem Beruf gehadert. Es ist verrückt, dass man direkt alles in Frage stellt. Männer lassen sich von diesem Scheitern nicht so zerstören.
Wie haben Sie gelernt, solche Momente zu überwinden?
Ich hatte diese Scheiter-Momente Gottseidank, als es noch kein YouTube gab. Heutzutage wird alles in das Netz gestellt, und jeder Fauxpas ist dokumentiert. Ich bin im Stillen gescheitert. Ich wurde überredet weiterzumachen und hatte Leute an meiner Seite, die gesagt haben, dass ich mir das doch mal abgefilmt angucken sollte. Unter quälenden Schmerzen habe ich dann die Videos meiner Auftritte angeschaut. Daraus habe ich gelernt. Ich wollte nicht halbherzig weitermachen und habe gemerkt, dass es in manchen Momenten gut funktioniert hat. Da wusste ich: Ich will Erfolg damit haben und irgendwann in der Lanxess Arena stehen.
Frauen wie Sie oder auch Annalena Baerbock, die klar formulieren, dass Sie an die Spitze wollen, werden auch heute noch von vielen schräg angeschaut, oder?
Wenn eine Frau eine klare Meinung vertritt, dann gilt sie direkt als schwierig. Viele meiner älteren Nachbarn meinen, Frau Baerbock würde sich etwas auf ihre Person einbilden. Und der Laschet?! Der lügt einfach offensichtlich, aber da ist das egal. Ich sage nicht, dass Baerbock Kanzlerin werden muss, aber eine junge Frau mit zwei Kinder trifft mit Sicherheit Entscheidungen, die das Land zum Guten verändern würden.
Gerade im Netz ist Frauenfeindlichkeit ein großes Problem. Sie werden auch häufig angegriffen. Bereitet Ihnen das Sorge?
Nein, da muss man erst recht weitermachen. Negativkommentare haben mich noch nie von irgendwas abgehalten. Meine Nummern haben einen Sinn und werden von Kommentaren im Netz nicht beeinflusst. Der Hass gegen Frauen sitzt tief. Frauen werden schnell sexuell beschimpft. Es sagt keiner, dass mein Text schlecht sei – ich bin immer gleich schlecht gefickt. Wir leben in einer Gesellschaft, in der vieles noch wahnsinnig frauenfeindlich ist, auch in der Gesetzgebung werden Frauen oft benachteiligt. Beim Ehegattensplitting kann man noch so ein aufgeschlossenes Pärchen sein, wenn dann ein Kind kommt, wird doch belohnt, wenn der Mann arbeiten geht.
Im Netz geht es gerade auch hoch her wegen der Vorwürfe gegen Ihren Kollegen Luke Mockridge. Wie beurteilen Sie diese Vorgänge?
Die Krux von solchen Vorwürfen ist, dass bei sexueller Gewalt, besonders in Beziehungen, keine Zeugen gibt. Aber laut Statistiken zu solchen Fällen sind nur drei Prozent der Anschuldigungen falsch. Es werden sehr wenige Vergewaltigungen angezeigt, davon kommen nur 15 Prozent zu einer Verhandlung, davon werden nur fünf Prozent verurteilt. Insgesamt gibt es also nur eine Verurteilungsrate von einem Prozent aller Vergewaltigungstäter. Die meisten sexuellen Übergriffe passieren nicht mit Fremden im Park, sondern mit Menschen, denen man vertraut. Ich wundere mich darüber, dass als erstes gesagt wird, die Frau lügt, und das damit begründet wird, dass sie berühmt werden möchte. Das macht für mich überhaupt keinen Sinn. Warum sollte man in der Position sein wollen, in der Ines Anioli gerade ist?! Sie wird beschimpft, und ihr wird nicht geglaubt.
Jüngst wurde bekannt, dass Sie mit Ihrer „Carolin Kebekus Show“ die Zusammenarbeit mit dem WDR ausbauen, Sie haben erneut einen Comedypreis gewonnen, jetzt erscheint Ihr erstes Buch. Kennen Sie dennoch dieses Gefühl, den Erfolg vielleicht gar nicht verdient zu haben?
Ja, mir wurde unterschwellig beigebracht, mich ständig dafür zu entschuldigen, dass ich für meine Leistung belohnt werde. Ich lernte, bloß nicht zu viel zu wollen. Das habe ich auch bei Verhandlungen gemerkt, in denen ich eingelenkt habe. Es hat deshalb auch ewig gedauert, bis ich eine eigene Firma gegründet habe, weil ich nicht wollte, dass die Leute denken, dass ich den Hals nicht vollkriege. Ich dachte lange, irgendwann kommt jemand mit einer Nadel, sticht in meine Seifenblase und sagt: Du bist doch nur ein albernes Mädchen, was ist denn überhaupt deine Leistung?
Aber Sie konnten das abstellen?
Es hilft darauf zu gucken, was man erreicht hat. Ich mache das immer am Ende des Jahres. Ich habe vielleicht nicht studiert, aber ich ernähre mehrere Menschen und bin mit 20 Leuten auf Tour. Ich musste mir erarbeiten zu sagen, ich kann das, ich habe das verdient. Ich habe irgendwann abgelegt, mich für meinen Erfolg zu entschuldigen. Sich selbst klein zu machen ist doch verrückt.
Carolin Kebekus hat gerade ihr erstes Buch veröffentlicht. "Es kann nur eine geben" ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen (352 Seiten, 18 Euro)