Das Amsterdamer Concertgebouw-Orchester begeisterte unter seinem Ehrendirigenten Iván Fischer in der Kölner Philharmonie.
Concertgebouw-Orchester in der Kölner PhilharmonieBesser kann man diese Musik kaum spielen
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Das Concertgebouw-Orchester (Archivbild)
Copyright: Concertgebouworkest/Milagro Elstak
Ein ganzer Abend mit Werken von Sergej Prokofjew – geht das? Ja, es geht, wie jetzt der Auftritt des Amsterdamer Concertgebouw-Orchesters unter seinem Ehrendirigenten Iván Fischer in der Kölner Philharmonie zeigte. Prokofjew hat einen unverwechselbaren Grundton, ist aber trotzdem, abhängig von Genre und Datum der Werkentstehung, extrem vielgestaltig zwischen Klassizismus und Neutönertum. Da kommt so schnell keine langweilende Gewöhnung auf. Von ihrem Grundklang her ist die Formation geradezu prädestiniert, die Werke des Russen adäquat aufzuführen. Anders als viele deutsche und österreichische Sinfonieorchester ist der nicht weich, satt-romantisch, sondern eher aufgelichtet, bei Bedarf auch metallisch-scharf.
Spielniveau, Flexibiliät, Klangkultur und die Bereitschaft, Direktiven vom Pult passgenau umzusetzen, sind dabei in jeder Hinsicht superb. Die Kölner Musikfreunde können sich glücklich schätzen, dass die Amsterdamer es nicht weit zu ihnen haben. Was in diesem Fall allerdings auch der Grund dafür war, dass das Konzert bereits um 19 Uhr begann – die Gäste konnten noch am Konzertabend heimkehren.
Kölner Musikfreunde können sich glücklich schätzen
Eröffnet wurde mit der Ouvertüre über hebräische Themen. Das ist ein Stück mit Klezmer-Allusionen, die durch den Solo-Klarinettisten, der mit seinem gelegentlichen Schlender-Gestus eine gewinnende Stilanpassung vollzog, noch zusätzlich beflügelt wurden. Die Herausstellung des Bläsers machte das Stück, das das Abgleiten ins Potpourri durch eine genaue Formgestalt verhindert (so gibt es eine Reprise mit dem charakteristischen, durch die erhöhte Quarte ausgezeichneten Hauptthema), zum veritablen Klarinettenkonzert. Das mochte ein bisschen übertrieben sein, denn andere Bläser – Fagott und Horn – erhalten hier ebenfalls einprägsame Auftritte.
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Bei den zitierten Liedern geht es oft schwermütig und melancholisch zu – da gibt es etwa große, jetzt wunderbar gespielte Cello-Kantilenen. Aber Fischer verzichtete auf Sentimentalisierung, stellte immer wieder auch die motorischen, an eine anfahrende Lokomotive gemahnenden Züge heraus. Überhaupt darf man wahrscheinlich bei Prokofjew nicht alles bierernst nehmen – da sind immer auch spielerischer Witz und ironische Doppelbödigkeiten mit am Werk. Romantische Gefühle geraten da tendenziell zu Zitaten. All das zeigte sich, vom Orchester großartig umgesetzt, gleichfalls in der abschließenden Auswahl von Suitensätzen aus dem Ballett „Cinderella“ (Aschenputtel). Die Funktion der Musik im Handlungsablauf des Märchens erläuterte der ungarische Maestro jeweils vor den einzelnen Sätzen, auf dass das Publikum die folgende Musik szenisch imaginieren konnte. Das mochte tatsächlich helfen: Aschenputtels Streit mit den bösen Stiefmüttern, die Ballszenen, das Happy End mit dem Prinzen – man wusste stets, woran man war.
Star des Abends war der Pianist Nelson Goerner
Der Star des Abends – bei Prokofjews zweitem Klavierkonzert – war der argentinische Pianist Nelson Goerner. Der ist international ein gefeierter Künstler, war in Köln allerdings vor einem Vierteljahrhundert das letzte Mal zu Gast. Warum eigentlich, wo man den Mann ausweislich seiner aktuellen Performance wirklich gern öfters hören würde? Goerner verfügt für eine erfüllte Interpretation des schweren, kräftezehrenden Werkes über die besten Voraussetzungen: über eine pantherhafte und nie ermüdende Geschmeidigkeit, eine fabelhafte Sprungtechnik und eine schlanke, federnde Tongebung, die auch das Oktaven-Martellato nicht einfach nur donnern lässt und den Staccato-Exzess des zweiten Satzes brillant meistert. Die weitgespannten Melodien im klavieristischen Dickicht kommen mit großer Intensität und Übersicht, indes bleibt eine – hier sehr angemessene – elegante Restkühle, die sich mit einer souveränen Spiellaune paart. Besser kann man diese Musik kaum spielen.
Dass Goerner auch anders kann, erwies die Zugabe, Chopins zwanzigstes Nocturne. Bei Chopin ist der Pianist, man merkt es von Ton zu Ton, wirklich zuhause: Linke und rechte Hand gingen da im Rhythmischen konsequent ihre eigenen Wege und fanden doch immer wieder zusammen. So muss das auch sein, nur so entsteht jene nächtlich-fantastische Entgrenzung, der Goerner suggestiv den Weg bereitete. Großer Beifall für ein großes Konzert.