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Die deutsche FernsehlandschaftDeutschland hat zu viele Krimis

Lesezeit 4 Minuten

Formate wie „Deutschland 83“ machen deutschen Serienfans Hoffnung.

Köln – Fernsehen hat es schwer in Deutschland. Sein Ruf ist so schlecht, dass es vielen als Auszeichnung gilt, keinen Fernseher zu haben. Und zwischen Scripted Reality und Talkshow-Einerlei gibt es in der Tat vieles zu kritisieren. Doch es geht auch anders. Am Freitag werden in Marl die Grimme-Preise für herausragende Produktionen verliehen, denn auch diese gibt es. Schwarzmalerei ist also fehl am Platz. Wir stellen einige Stärken und Schwächen des deutschen Fernsehens vor.

Die Stärken des deutschen TV

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Fernsehfilme: Die NSU-Trilogie ist ein Beispiel für gutes Fernsehen.

Fernsehfilm: Der Fernsehfilm ist die Besonderheit und Stärke der Deutschen. Wohl kaum ein Land produziert so viele 90-Minüter. Und dabei entstehen immer wieder herausragende Produktionen, wie aktuell etwa die ARD-Trilogie „NSU – Mitten in Deutschland“ bewiesen hat. Und auch wenn es vor allem ARD und ZDF sind, die Fernsehfilme produzieren, zeigen Beispiele wie der RTL-Film „Duell der Brüder“, dass auch die Privaten Geld und Kreativität in den Fernsehfilm stecken.

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Dokus: Der Dokumentarfilm „Göttliche Lage“

Dokumentationen: Sie werden von den deutschen Sendern sehr stiefmütterlich behandelt und häufig in den Nachtstunden versendet, weil man ihnen nicht zutraut, gute Quoten zu bringen. Das ist eine Schande, denn in Deutschland werden viele spannende und informative Dokumentationen und Dokumentarfilme gedreht, wie etwa die diesjährigen Grimme-Preis-Gewinner „Göttliche Lage“ und „Vom Ordnen der Dinge“ beweisen.

Satire: Jan Böhmermann provoziert – und unterhält großartig.

Satire: Zugegeben, was im Comedybereich zum Teil im Fernsehen zu sehen ist, ist unterirdisch, aber der deutsche Humor ist noch nicht verloren. Gerade das ZDF hat in den vergangenen Jahren viel im Bereich der Satire geleistet. „heute show“ oder „Die Anstalt“ sind erfolgreich und gerade hat die NDR-Sendung „Extra 3“ bewiesen, wie wichtig dieses Genre ist. König der Satire ist aber Jan Böhmermann. Das „Neo Magazine Royale“ ist böse, bissig und meist sehr lustig. Und sein Varoufakis-Video hat Fernsehgeschichte geschrieben.

Information: Man kann die „Tagesschau“ betulich finden und manchmal reagieren die Sender vielleicht nicht schnell genug, aber grundsätzlich ist das Informationsangebot in Deutschland groß und hochwertig. Besonders Phoenix bietet etwa mit den Übertragungen aus dem Bundestag ungefilterte Einblicke.

Serien: Es ist noch nicht lange her, da hätte man die Serien sicherlich den Schwächen zugeordnet, doch es tut sich was in Deutschland. Dass auch im „Tatort“-Land mehr geht als Krimi haben zuletzt Produktionen wie „Deutschland 83“ (RTL), „Weinberg“ (TNT Serie) und „Club der roten Bänder“ (Vox) gezeigt. Nun warten alle gespannt auf „Babylon Berlin“. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Aufwärtstrend fortsetzen wird.

Die Schwächen des deutschen TV

Scripted Reality: Formate wie „Auf Streife“ braucht niemand.

Scripted Reality: Jeder, der schon mal nachmittags den Fernseher angemacht hat, kennt das Elend. Ob „Betrugsfälle“, „Verdachtsfälle“, „Auf Streife“ oder „Verklag mich doch“. Diese vermeintlich wahren Geschichten aus dem Leben, die nach schlechten Drehbüchern mit noch schlechteren Laiendarstellern für wenig Geld produziert werden, sind eine Zumutung.

Fernsehshows: „Wetten, dass..?“ ist Geschichte und eine ähnlich erfolgreiche Fernsehshow wird es in Zeiten der Fragmentierung wohl auch nicht mehr geben. Doch jenseits der immer gleichen Castingformat („DSDS“) und Quizshows („Wer wird Millionär?“) fällt den Fernsehmachern nicht mehr viel ein. Und nun, da Stefan Raab nicht mehr präsent ist, ist zu befürchten, dass innovative Formate wie „Schlag den Raab“ lange auf sich warten lassen werden, auch wenn Talente wie Joko und Klaas hoffen lassen.

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Krimiflut: Gute Krimis sind gut, doch es gibt zu viel Mord im TV.

Krimiflut: Ja, der „Tatort“ ist eine Ikone des deutschen Fernsehens und für viele ein Ritual. Doch die Vorliebe für Krimis sorgt dafür, dass der Markt mit unzähligen Formaten überspült wird. Ob Vorabend oder Primetime, ob Schmunzelkrimis wie „Hubert und Staller“ oder die unzähligen ZDF-Krimis, die Konzentration auf ein Genre raubt Zeit, Kreativität und Geld für andere Ideen.

Late Night: Gut, das „Neo Magazine Royale“ geht als Late Night durch, aber davon abgesehen sieht es in diesem Bereich sehr düster aus in Deutschland . Die Lücke, die Harald Schmidt hinterlassen hat, ist noch nicht gefüllt. Und so gucken Late-Night-Fans sehnsüchtig in die USA und bestaunen, wie unglaublich unterhaltsam Jimmy Fallon, Jimmy Kimmel, John Oliver und andere ihr Publikum am späten Abend unterhalten.

Talkshows: Gegen eine gute politische Talkshow ist überhaupt nichts zu sagen und es ist auch zweifellos ein Gewinn, dass nun wieder Anne Will am Sonntagabend talkt. Doch der Erkenntnisgewinn der politischen Runden in Deutschland ist oft erschreckend gering. Das liegt an den immer gleichen Themen, den immer gleichen Gästen und einer Gesprächskultur, in der forsches Auftreten wichtiger zu sein scheint als gute Argumente.