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„Hart aber fair“ zu Fan-ProtestenMartin Kind versteckt sich hinter den „Spielregeln“ der DFL

Lesezeit 7 Minuten
Markus Babbel, Ariane Hingst, Martin Kind, Moderator Louis Klamroth, Thomas Kessen, Mia Guethe und Kevin Kühnert diskutierten am Montagabend bei „Hart aber fair“.

Markus Babbel, Ariane Hingst, Martin Kind, Moderator Louis Klamroth, Thomas Kessen, Mia Guethe und Kevin Kühnert diskutierten am Montagabend bei „Hart aber fair“.

In der Fußball-Bundesliga protestieren Fans gegen Investorenpläne. Bei „Hart aber fair“ äußerte sich Martin Kind – zumindest halbwegs.

Tennisbälle und ferngesteuerte Autos flitzen über den Rasen, die Fußballer stehen an der Seitenlinie. Kaum ein Spiel der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga kommt dieser Tage ohne diese Bilder aus. Die Fans, allen voran die aktiven und organisierten, protestieren gegen die Pläne der Deutschen Fußball Liga (DFL), einen Investor mit an Bord zu holen.

Zwischen Tennis- und Fußball geht es nicht nur, aber vor allem um die Frage: Investor ja oder nein? In der ARD-Sendung „Hart aber fair“ wurde am Montagabend klar, dass das Thema viel größere Kreise dreht als nur um diese Frage. Bei Moderator Louis Klamroth diskutierten folgende Gäste:

  1. Martin Kind, Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH, zuständig für den Profifußball bei Hannover 96 e.V.
  2. Ariane Hingst, mehrfache Welt- und Europameisterin, Geschäftsführerin Sport FC Viktoria Berlin
  3. Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
  4. Markus Babbel, Europameister 1996
  5. Thomas Kessen, Sprecher des Fanverbands „Unsere Kurve“
  6. Mia Guethe, Sportjournalistin „11Freunde“

Mit Martin Kind als Teil der Runde hat „Hart aber fair“ wohl einige Fußball-Fans mehr dazu bewogen, einzuschalten. Denn auch gegen seine Person richten sich die aktuellen Proteste. Hintergrund: Bei der geheimen Abstimmung der DFL, ob die Geschäftsführung einen Deal mit einem Investor abschließen soll, hatte es 24 Ja-Stimmen gegeben – exakt die benötige Anzahl. Zwölf Vereine hatten nicht dafür gestimmt. Kind hatte als Geschäftsführer die Stimme von Hannover 96 abgegeben. Der Mutterverein, weisungsberechtigt, ihn angewiesen, gegen die Pläne zu stimmen.

Alles zum Thema Hart aber fair

Mittlerweile haben elf Vereine Stellung bezogen, nicht für den Deal gestimmt zu haben, Recherchen haben einen zwölften hervorgebracht – Kind und Hannover 96 sind nicht darunter. Über Kinds Stimme gibt es seitdem viel Dunkel und wenig Licht. Daran ändert übrigens auch die Sendung am Montagabend nichts. Im Gespräch mit Louis Klamroth erklärt Sportjournalist Markus Bark: „Deshalb fordern viele Fans jetzt eine neue Abstimmung.“ Und mittlerweile auch einige Vereine, unter anderem der 1. FC Köln.

Martin Kind beantwortet die Frage nach seiner Abstimmung nicht

„Dann werden wir jetzt mal Martin Kind fragen, wie er gestimmt hat“, kündigt Klamroth groß an und kehrt in die Diskussionsrunde zurück. Damit lehnt der Moderator sich weit aus dem Fenster. Dass Kind diese Ja-Nein-Frage nicht mit Ja oder Nein beantworten würde, können sich alle denken, die sich bislang länger als zehn Minuten mit der DFL-Abstimmung beschäftigt haben. „Ich halte mich an die Spielregeln“, sagt Kind, und meint damit die geheime Abstimmung. Richtig wäre wohl: Er versteckt sich dahinter. Andere Vereine hatten keine Probleme damit, ihr Abstimmungsverhalten zu veröffentlichen.

Thomas Kessen vom Fanverband „Unsere Kurve“ springt Klamroth, natürlich nicht ganz uneigennützig, zur Seite, sagt: „Herr Kind, Sie könnten hier sehr einfach sehr viel Schaden vom deutschen Fußball abwenden.“ Denn, so Kessen, die Intransparenz sei einer der wichtigsten Gründe für die Proteste. „Ich nehme das so zur Kenntnis“, blockt Kind ab. Argumentativ geht er auf Fragen und Vorwürfe über den gesamten Zeitraum der Sendung kaum ein.

DFL-Investor: Fehlende Transparenz ist ein großer Kritikpunkt der Fans

Damit gibt Kind das Paradebeispiel für die Intransparenz, mit der die DFL bei ihren Investorenplänen vorgegangen ist. „Die Fan-Proteste sind eine Reaktion auf genau diese Intransparenz“, sagt Sportjournalistin Mia Guethe. Sie verdeutlicht, dass eine Entscheidung wie die für einen Investor den deutschen Fußball „für 40 Jahre, vielleicht für immer“ verändern wird.

In diese Kerbe schlägt auch Kühnert: „Ich glaube, viele sind bereit, eine Niederlage in einer Abstimmung zu akzeptieren – wenn sie wissen, dass alles mit fairen Dingen abgelaufen ist.“ Genau daran haben in Deutschland aber viele Fußball-Fans berechtigte Zweifel.

In diesen Momenten kommt die neue Sitzordnung bei „Hart aber fair“ besonders zur Geltung. Guethe, Kessen und Kühnert sitzen auf der einen Seite, ihnen gegenüber Martin Kind – und die beiden Ex-Fußballerinnen Ariane Hingst und Markus Babbel. Die beiden fallen zu Beginn vor allem dadurch auf, dass sie die Form der Proteste aus Sicht der Sportler kritisieren. Man komme aus dem Rhythmus, nach einer Unterbrechung seien die Muskeln nicht mehr erwärmt und damit verletzungsanfällig. Dieses Thema wird aber gar nicht weiter diskutiert, es ist ohnehin eher eines für Sportwissenschaftlerinnen und Trainer. Dass der Sportler-Blickwinkel schnell ausgeklammert wird, zeigt: Es geht bei der Diskussion um mehr als nur das Spiel. Es geht um eine Sportkultur, die für die Gesellschaft in Deutschland eine große Relevanz hat.

Bundesliga: Wann enden die Fan-Proteste?

Der frühere Verteidiger Babbel gibt seinem „Gegenüber“ Kessen später sogar noch eine Steilvorlage, indem er fragt, warum denn in so vielen Stadien protestiert würde – wo doch 24 Vereine mit Ja gestimmt hätten. Kessen nimmt den Ball gerne auf: Der Prozess sei viel zu kurzfristig gewesen, um die Fans mit ins Boot zu nehmen. Die Abstimmung sei gefühlt „im Hinterzimmer“ durchgeführt worden. Dabei hat sich die DFL selbst in ihre Statuten geschrieben, dass die eingetragenen Vereine und damit ihre Mitglieder das Sagen über die Profiabteilung ihres Vereins haben sollen: die viel zitierte 50+1-Regel.

Dann greift Markus Babbel aber doch noch einen wichtigen Punkt auf. Oder zumindest einen, der wohl auch einige Fans umtreibt: „Wo ist denn die Lösung? Mich nervt es jetzt irgendwann.“ Kühnert schlägt eine neue Abstimmung vor. Kessen ergänzt: „Und transparent, das wäre das Minimum.“

Dem springt auch Hingst quasi bei. Sie ist als Geschäftsführerin Sport bei Viktoria Berlin involviert, ein Frauen-Regionalligist, der mit Investoren arbeitet. „Das Hauptproblem ist die Kommunikation, es gibt keinen Kommunikationsfluss.“ Natürlich könne man nicht alle Fans fragen, sie stellt auch infrage, wie viele Fans überhaupt gegen Investoren seien. Und kategorisch dagegen zu sein, ist aus ihrer Meinung auch falsch. „Aber man muss in den Austausch gehen“, sagt sie. Und meint damit wohl alle Parteien.

Investoren in der Bundesliga? „Die Premier League ist uneinholbar“

Dass es in den transparenten Austausch gehen muss, darüber ist sich die Runde also – bis auf Martin Kind – einig. Doch selbst wenn am Ende einer Diskussion dann die Entscheidung pro Investor stehen würde: Was passiert dann?

Plan der DFL ist es, mit den Investorengeldern unter anderem eine eigene Plattform aufzubauen, mit der gerade Konsumierende vom internationalen Markt und andere Zahlungswillige eingefangen werden sollen. Stichwort: Wachstum. Aber wie viel würde dieses potenzierte Wachstum der Bundesliga, dem deutschen Fußball, überhaupt geben?

„Wenn die Bundesliga weiter wächst, wachsen die anderen ja auch“, gibt Kühnert zu bedenken. Und auch Kessen sieht das so: „Worüber reden wir denn? Dass nationale Ligen in ein Rattenrennen eintreten. Die Premier League ist uneinholbar.“ Denn die englische Profiliga, die ein Vielfaches der Medieneinnahmen der deutschen Liga einstreicht, hat nicht nur viele Jahre Vorsprung, sondern zum Beispiel auch die Muttersprache als nicht einzuholenden Vorteil.

„... dann stirbt das letzte bisschen Fußballkultur, was wir noch haben“

Aber gibt es eine Alternative zu diesem „Rattenrennen“, wie es Kessen nennt? Er findet, die Liga solle „erkennen, was die Einzigartigkeit des deutschen Fußballs ist: die Fankultur. Und darauf aufbauend eine Vision entwickeln.“

Das sieht auch Guethe so. Ihr und vielen Fans gehe es darum, „unsere Kultur zu bewahren. Da geht es dann nicht nur ums Sportliche.“ Wenn der Kommerz mit all seinen Auswüchsen im Fußball Überhand nehme, nehme man den Fans die Teilhabe. „Dann kappt man die letzte Verbindung zwischen Tribüne und Platz. Und dann stirbt das letzte bisschen Fußballkultur, was wir noch haben.“

Martin Kind fordert Investitionen in den deutschen Fußball

Martin Kind sagt während dieser Ausführungen nicht viel, verschränkt häufig die Arme, schaut grimmig. Als dann nicht nur über sein Verhalten bei der DFL-Abstimmung, sondern auch noch über Investitionen im Fußball generell diskutiert wird, greift er aber wieder ein: Es brauche Investitionen. In die Infrastruktur, in die Jugendarbeit, in die Digitalisierung. Dem widerspricht auch niemand. „Wir wollen ja auch nicht zurück ins Mittelalter“, stellt Kessen klar.

Die Wege entzweien sich dann an der Frage, woher das Geld für diese Investitionen kommen soll. „Das ist aus dem operativen Geschäft nicht zu verdienen“, sagt Kind. Warum? „Dann müsste man die Gehälter der Spieler drücken.“

Kessen reagiert auf diese Aussage fast wie ein Lehrer, der seinen Schüler endlich auf dem richtigen Lösungsweg sieht. Das Bild spiegelt das Machtgefälle der beiden nicht wider, wohl aber den Gesichtsausdruck Kessens. „Das hieße ja nur, dass man die Gelder anders verteilen müsste?“, fragt er beinahe schon frohlockend. „Das Thema will ich jetzt nicht kommentieren“, antwortet Kind. Damit ist sein Abend ganz gut zusammengefasst.