- Frank Plasberg versammelte gelungene Fälle von Integration in seiner Runde am Montagabend.
- Nazan Eckes, Neven Subotic, Peter Maffay und Mehmet Daimagüler berichteten von persönlichen Erfahrungen.
- Markus Söder bleibt trotz Dauerkritik standhaft und windet sich - teils am Thema vorbei - heraus.
Köln – Deutschland streitet über die Integration von Flüchtlingen. Als Kontrapunkt zu vielen Negativbeispielen stellte Frank Plasberg in "Hart aber fair" sehr persönliche Geschichten des Gelingens vor.
Unter dem Titel "Gekommen um zu bleiben - wie werden aus Einwanderern Deutsche" diskutierten Menschen, die sich schon integriert haben - als Rockstar, Profifußballer, Anwalt und Fernsehmoderatorin. Und ein Politiker, den seine Sozialisation als evangelischer Franke im katholischen Bayern für die Integrationsrunde qualifizierte. Der einhellige Konsens der Runde war zwar nicht neu, kann aber in der Tat nicht oft genug wiederholt werden: Integration ist kein Selbstläufer, sondern harte Arbeit. Und: Der Schlüssel für das Gelingen sind Bildung und Arbeit.
Die Gäste
Die Fernsehmoderatorin Nazan Eckes, deren Eltern als Gastarbeiter nach Köln kamen. Der Vater lernte deutsch und arbeitete sich zum Kolonnenführer bei Bayer hoch, die Mutter blieb zuhause bei den Kindern und spricht bis heute nicht gut deutsch. "Der Zug war irgendwann einfach abgefahren", erklärte Eckes und warb für ein früheres Deutschlernen in den Kitas.
Der Rockstar Peter Maffay kam als Teenager mit seiner Familie aus Rumänien. Getrieben von der Hoffnung, der Armut und der persönlichen Unfreiheit im kommunistischen System zu entkommen. Er könne es niemandem verdenken, der aus Hunger oder Perspektivlosigkeit versuche, in einem anderen Land ein besseres Leben zu finden, meinte Maffay und mahnte gleichzeitig, die Leistungsgrenze einer Gesellschaft im Auge zu behalten. Diese sei wie ein trockener Schwamm: Wenn er zu viel Wasser aufnehme, laufe es unten wieder raus.
Sehr persönlich schilderte der Anwalt und ehemalige FDP-Politiker Mehmet Daimagüler,- bestens integriert und Havard-Student- seine Erfahrungen: Alles, was er sei, verdanke er seiner Familie und diesem Land. Aber "dass ich hier geboren bin, zählt nicht viel. Ich war so oft der Kanake. Du kannst dich noch so abstrampeln, du bleibst immer der Fremde. Im übrigen beklagte er eine viel zu starke Negativdiskussion. Einwanderung sei eine Notwendigkeit, um die sozialen Sicherungssysteme aufrechtzuerhalten. Ohne Migranten würde Deutschland nicht da stehen, wo es steht. "Da wünsche ich mir von Herrn Söder statt ständiger Abwehrreaktion mal ein Statement, dass er froh ist, dass es Einwanderer gibt."
Der Profi-Fußballer Neven Subotic (Borussia Dortmund) flüchtete als Kind während des Balkankrieges aus Bosnien in den Schwarzwald und wurde von dort nach 10 Jahren Duldung und gelungener Integration von heute auf morgen in die USA abgeschoben. Subotic kritisierte die langen Duldungen als sehr große Belastung für die Flüchtlinge, die jede Lebensplanung verhindere. Im übrigen werde viel zu wenig über die Integrationsbereitschaft von Flüchtlingen gesprochen, sondern vor allem über die Probleme und über Zahlen.
Das fand der bayerische Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU) so gar nicht. Das Negative dürfe auf keinen Fall verschwiegen werden. Dafür sorgte er auch in der Sendung: Gebetsmühlenartig warb er für eine Grenze der Zuwanderung, da Deutschland sonst finanziell und kulturell überfordert werde. Kein Land biete so viele Möglichkeiten und investiere so viel Geld in die Flüchtlinge wie Deutschland. Speziell natürlich Bayern.
Der Moderator
Frank Plasberg gab sich redliche Mühe, Söder angesichts von so viel geballter Lebenserfahrung am Tisch, die belegt, dass frühe kindliche Bildung der beste Integrationsmotor ist, ein Geständnis abringen. Dieser solle doch endlich mal zugeben, dass das bayerische Betreuungsgeld "Murks" sei. Nach drei Anläufen gab Plasberg auf. Söder blieb bei der Version von der prima Idee. Außerdem sei es unredlich gegenüber Millionen deutscher Familien, dieses Thema mit dem Migrationsthem zu vermengen.
Perspektivwechsel
Den wünschte sich nicht nur Mehmet Daimagüler sehnlichst von der Politik. Und erzählte in einem emotionalen Moment, wie es war, als er als 16-Jähriger seinen Vater verlor und unmittelbar nach der Beerdigung der Abschiebebescheid kam, weil der Ernährer ja jetzt tot sei.
"Jemand, der das nicht erlebt hat, kann sich diese Form der Angst vor der Polizei, der Gefahr für die gesamte Existenz überhaupt nicht vorstellen."
Markus Söder wollte oder konnte sich aber nicht in die Perspektive von Migranten oder Flüchtlingen versetzen. Da, wo Einfühlungsvermögen gefragt war, redete er vom deutschen Rechtsstaat und seinen Regeln und von Milliarden, die das Land in Zuwanderer investiere.
Auch als Plasberg in einem Einspieler beispielhaft für die Situation von Migranten die beiden deutschen Teenager Elif und Mia präsentiert, trägt das nicht zur Sensibilisierung des Ministers bei: Elif muss 40 Prozent mehr Bewerbungen schreiben, bis sie eine Lehrstelle hat.
In 60 Prozent der Betriebe brauche sie sich gar nicht erst bewerben, da diese noch nie Jugendliche mit Migrationshintergrund eingestellt hätten. Söder rechtfertigte sich komplett am Thema vorbei wieder mit Zahlen.
Diesmal mit der Angabe der Milliarden, die das Land in den sozialen Wohnungsbau für Flüchtlinge stecke. "Einfach nur nicht diskriminiert werden, wäre in dem Fall eigentlich schon genug", konterte Subotic trocken.
Fordern und Fördern
Fanden alle in der Runde prinzipiell den richtigen Weg. Vor allem in Form von Deutschkursen. Allein, es gibt zu wenig davon. Weil de viel mehr integrationswillige Menschen gibt, fehlen derzeit 200.000 Plätze.
Die unbekannten Heldinnen
Sie hießen Frau Stumpf aus dem Schwarzwald und Philipine Gaumann aus einem Örtchen bei Siegen und kamen eigentlich nur in den Erzählungen der Gäste vor. Die eine bot dem Vater von Neven Subotic Arbeit in ihrem Garten an und quartierte die ganze Familie kurzerhand in ihre Wohnung ein, damit die Familie mit einem festen Wohnsitz einen Asylantrag stellen konnte.
Die Bildung der Kinder nahm sie gleich mit unter ihre Fittiche. Und die Witwe "Oma Philipine", die bei Mehmet Daimagüler im Haus wohnte, setzte sich dafür ein, dass der damals 16-Jährige nach dem Tod des Vaters bleiben konnte. Beispiele, die zeigen, was es neben viel Geld, neuen Gesetzen und Sprachkursen auch noch braucht: Dass nämlich Geschichten gelungener Integration immer auch Geschichten von Begegnung mit einfühlsamen, zupackenden Menschen sind.