Die „Hart aber fair“-Redaktion hat in ganz Deutschland Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zu Corona gesammelt. Viele machen sich beispielsweise Gedanken: Ist es richtig, dass der kostenlose Bürgertest im Herbst abgeschafft wird? Sollte in noch mehr Bereichen die 2G-Regel eingeführt und Ungeimpfte damit benachteiligt werden? Und was passiert an den Schulen?
Die Gäste am Montagabend: Gesundheitsminister Jens Spahn, „Spiegel“-Journalistin Melanie Amann, FDP-Generalsekretär Volker Wissing, Linken-Chefin Janine Wissler und der Lungenarzt Cihan Celik.
Kostenlose Corona-Schnelltests – ja oder nein?
Spahn verteidigt das geplante Ende der kostenlosen Schnelltests: „Warum sollen die anderen für jemanden zahlen, wenn er sich doch auch hätte impfen lassen können?“ Wissing hält dagegen, dass dadurch „ein Stück Sicherheit verloren geht“. Er hält den Zeitpunkt vor dem Winter für denkbar ungünstig. Es würden sich dann weitaus weniger Menschen testen lässt. Linken-Chefin Wissler sieht das in einer seltenen Koalition mit dem FDP-Politiker ähnlich.
Ein „komisches Verhältnis zum Liberalismus" nennt Melanie Amann diese Auffassung. Die Freiheit, sich nicht impfen zu lassen, habe eben auch Folgen für die Gesellschaft. Spahns Einstellung findet sie mutiger. Auch die Geimpften wollten ihre Freiheit zurückbekommen. Wenn man Symptome habe, könne man immer noch zum Arzt gehen und sich dort kostenlos testen lassen, ergänzt der Mediziner Celik.
Wäre es medizinisch sinnvoll, auch Geimpfte zu testen, wenn sie beispielsweise eine Veranstaltung besuchen wollen, will Plasberg wissen. Schließlich sei erwiesen, dass man sich auch trotz Impfung infizieren und das Virus weitergeben kann. Celik sagt, die Zahlen sprächen eine andere Sprache. Impfdurchbrüche seien möglich, aber sie seien bislang nicht in einer relevanten Größenordnung zu verzeichnen.
Witz von Frank Plasberg zündet nicht
Den Begriff „Druck“ auf Ungeimpfte möchte Celik lieber durch „Motivation und Aufklärung“ ersetzen. Er macht die Erfahrung, dass die meisten Patienten auf der Intensivstation eher aus Nachlässigkeit oder Aufschieberei nicht geimpft sind als dass es sich um Impfgegner handelt.
Die Runde ist sich einig, dass man bei Impfskeptikern viel häufiger das Eins-zu-eins-Gespräch suchen sollte. Allein über offizielle Information seien viele Menschen nicht zu erreichen. Es sei schwer, Erfolge im Kampf gegen Verschwörungsmythen in den sozialen Medien zu verzeichnen, bedauert Spahn. Wer an Erzählungen über Bill Gates glaube, sei nur selten vom Gegenteil zu überzeugen. „Machen Sie das nicht mit den Chips?“ versucht Plasberg es mit einem müden Witz. Spahn ringt sich ein gequältes Lächeln ab.
Werden Kinder und Jugendliche durchseucht?
Nordrhein-Westfalen ist Spitze in Deutschland – und zwar bei den Infektionszahlen bei den jungen Menschen: In manchen Kommunen liegt die 7-Tage-Inzidenz in der Gruppe der Jüngeren über 500, in Wuppertal sogar über 700. Selbst wenn der Krankheitsverlauf bei Kindern in der Regel leichter ist, würden bei hohen Inzidenzen auch viele jüngere Menschen ernsthaft erkranken, sagt Celik klar.
Spielt die Bundesregierung da eigentlich eine Wette, fragt Plasberg provokativ. „Wir sind zu langsam beim Schutz der Kinder“, findet Amann. Die Kinder seien ungeimpft, die Delta-Variante viel ansteckender und die Kinder die Verfügungsmasse der Politik. Es müsse endlich mehr Druck auf Ungeimpfte ausgeübt werden, um auch die Kinder zu schützen. Außerdem sei erst jetzt das Geld für die Anschaffung von Lüftungsgeräten genehmigt worden, kritisiert Amann. Celik unterstreicht seine Besorgnis: „Auf unserer Corona-Station wird jetzt wieder deutlich: Ein Kipppunkt ist erreicht, es geht wieder los. Wir erwarten vor allem junge, ungeimpfte Patienten.“
Dann wird es etwas hektisch, weil Spahn eine Zuständigkeit für die Schulpolitik abstreitet. Dies sei schließlich Sache der Länder. Amann bringt ihn auf den Boden der Tatsachen zurück: Für den Flickenteppich an Quarantäne-Regeln in den Schulen trage er schon die Verantwortung. Wissler versucht gleichzeitig immer wieder, Spahn die Maskenaffäre unter die Nase zu reiben.
Sollten Arbeitgeber nach Corona-Impfung fragen dürfen?
In Frankreich ist eine Impfpflicht für Personal im Gesundheitsbereich eingeführt worden. In Deutschland ein rotes Tuch? Spahn ist gegen eine allgemeine Impfpflicht, er befürchtet sonst eine weitere Spaltung des Landes. Allerdings kommt in einem Einspieler der Chef eines Anbieters von sozialen Dienstleistungen zu Wort, verantwortlich für 11.000 pflegebedürftige Menschen, der genau eine solche Impfpflicht für Pflegende fordert. Ungeimpftes Personal würde zunehmend alte Menschen anstecken. Allein durch Aufklärung ließe sich die Impfquote nicht über 70 Prozent erhöhen.
Bislang darf ein Arbeitgeber seine Angestellten nicht fragen, ob sie geimpft sind. Spahn räumt ein, er tendiere allmählich dazu, dieses Gesetz zumindest für eine gewisse Zeit ändern zu wollen. Das würde dann für alle Branchen gelten, nicht nur für den Gesundheitsbereich. Hier sei eine solche Abfrage bereits möglich, sagen Spahn und Celik.