„Hart aber fair“ zu Schönheits-OPsHarald Glööckler spricht über schlimme Kindheit
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„Neue Nase, neues Leben – wie gefährlich ist der Boom bei Schönheits-Operationen?“ hat Frank Plasberg gefragt.
Zu Gast waren Karl Lauterbach (SPD), Werner Mang (Schönheitschirurg), Harald Glööckler (Modedesigner), Natascha Ochsenknecht (Designerin), Louisa Dellert (Influencerin) und Johannes Krause (Attraktivitätsforscher).
Manchmal enden Schönheitsoperationen tödlich. „Hart aber fair“ am Montagabend ist fast zu Ende, als Moderator Frank Plasberg die jüngsten Todesfälle nach zwei Po-OPs in Düsseldorf anspricht. Operiert hatte die Frauen ein Arzt für innere Medizin. Das ist in Deutschland möglich, denn Schönheitschirurgie ist anders als in anderen Ländern kein geschützter Begriff. Kieferchirurgen dürfen Brustvergrößerungen vornehmen – oder etwa auch Karl Lauterbach. Macht er aber nicht. Der Mediziner und Bewerber um den SPD-Parteivorsitz ist einer von Plasbergs Gästen und hält diese Gesetzeslage für „einen Witz“.
2018 gab es 920.000 Schönheitsoperationen in Deutschland. Das waren 30 Prozent mehr als im Vorjahr, angestiegen sind die Zahlen vor allem bei kleineren Eingriffen wie Falteneinspritzungen mit Botox. Künstliche Schönheit ist begehrt in Zeiten allgegenwärtiger vermeintlicher Idealbilder. „Hart aber fair“ fragte: Neue Nase, neues Leben – wie gefährlich ist der Boom bei Schönheits-Operationen?
Die Gäste und ihre Standpunkte
Louisa Dellert, Influencerin, hat 380.000 Follower im Netz. Von einer magersüchtigen Fitnessbloggerin hat sie sich in den vergangenen Jahren zu einer wohlgenährten Influencerin gewandelt. Ihre Themen jetzt: Politik und Nachhaltigkeit. Vor gut zwei Monaten musste sie einen Shitstorm über sich ergehen lassen, als sie per Crowdfunding um Unterstützung für ihre neue Beschäftigung warb. Die Gelder der Sponsoren, die den Fitnesswahn mit ihrer Werbung und ihren Produkten antreiben, waren Dellert weggebrochen.
46 Kilo hat sie früher gewogen, „das ist krank“, sagt Plasberg. Sie sagt, sie habe selbst mal überlegt, eine Brust-OP machen zu lassen, weil sie ihre Brüste zu klein gefunden habe. Die Menschen setzten sich im Konkurrenzkampf auf Instagram unter Druck. Das Beratungsgespräch beim Arzt habe sich aber nicht gut angefühlt, die artifiziellen Brüste in der Hand zu halten, hätte sie abgeschreckt. Ihren Schönheitswahn habe dann eine Herz-OP beendet, die keinen Zusammenhang mit der Magersucht hatte. Heute sagt sie: zum Glück.
Operationen dürfe man aber nicht kategorisch ablehnen, wenn sie das Selbstwertgefühl verbessern könnten. Es gebe viele Jugendliche, die unzufrieden mit sich seien und jahrelang darüber grübelten. Dellert zeigt sich heute in den sozialen Medien mit Zellulitis, die meisten Follower seien geblieben und fänden Gefallen an ihrer neuen Art, sich zu präsentieren. Sie sei wie eine „digitale Schwester“ für diese Menschen. Als er den Begriff hört, schmunzelt Lauterbach.
Lauterbach kritisiert die Jugend
Karl Lauterbach ist Universitätsprofessor und Bewerber für den SPD-Parteivorsitz. Gemeinsam mit der SPD-Umwelt- und Energieexpertin Nina Scheer will der Bundestagsabgeordnete für Leverkusen und Köln-Mülheim die Partei führen. Wegen seiner abendlichen Wahlkampftour wurde die Sendung am Nachmittag aufgezeichnet.
Wir lebten in einer „Gesellschaft maximaler Konkurrenz“, sagt der Professor für Gesundheitsökonomie. Er verstehe nicht, warum Jugendliche sich unter ein Skalpell legen wollen. Und kritisiert solche, die „nur auf den eigenen Vorteil bedacht“ seien, die sich von vermeintlichen Schönheitsidealen leiten ließen. Wenn es darum gehe, mit einem besseren Aussehen potenziell mehr Geld zu verdienen, müssten Kinder Verzicht lernen. Sie sollten sich durch Charakter und Persönlichkeit hervortun, so Lauterbach.
Seit zehn Jahren versuche er, Schönheitsoperationen an Minderjährigen zu verbieten. Sie sind es nicht, und nirgendwo werden sie zentral erfasst. Das Gesundheitsministerium schiebt die Verantwortung auf die Länder, die formal zuständig sind. Die sagen, ein Verbot sei aktuell kein Thema. „Bei Kindern“, sagt Lauterbach, „das sollte schlichtweg verboten werden. Dafür hätten wir die Möglichkeit.“
Glööckler erfand sich bereits als Kind neu
Den größten Widerspruch der Sendung trägt ein Mann vor, der viele Schönheitsbehandlungen hinter sich hat: Harald Glööckler, der Modedesigner und Unternehmer. Er ist ganz anderer Meinung als Lauterbach. Kinder und Jugendliche sollten auf jeden Fall „alle Chancen nutzen“, die sich ihnen böten. Wenn auch „nicht unbedingt über das Aussehen“, sondern über Geist und Verstand. „Kinder kann man nicht bremsen.“ Lauterbach sagt, die Sache mit dem Verzicht habe er nur auf Schönheitsoperationen bezogen.
Glööckler, der sich „mit 18 die Augenbrauen höher setzen“ ließ, setzt sich überhaupt dafür ein, „jedem Individuum seine eigene Entscheidung zu lassen und nicht so viele Vorgaben zu machen“. Der Grund für die vielen Verwandlungen plastischer Art, das hat er zu vielen Gelegenheiten erzählt, liegt in seiner Familiengeschichte, eine „ganz schreckliche Kindheit mit einem gewalttätigen Vater“. Mit sechs Jahren habe er sich „geistig neu erfunden“, so habe er überhaupt überlebt. Der Frage, ob er manchen Eingriff bereue, weicht er aus. Die Vergangenheit ist passé.
Der Schönheitschirurg Werner Mang ist Professor und betreibt mit seiner Unternehmensgruppe neun Kliniken in Deutschland. Der 70-Jährige hält sich selbst für den „bekanntesten Schönheitschirurgen Deutschlands“. Von seinem Oberarzt will er sich demnächst seine Tränensäcke entfernen lassen.
Mang plädiert für eine „vernünftige Schönheitschirurgie“ und versichert dem ihm gegenüber zunächst skeptischen Lauterbach, dass er nichts von – nicht unbedingt notwendigen – Operationen an Minderjährigen halte. „Zu uns kommen 14-, 15-Jährige mit einem Bild auf dem Handy und sagen: ‚Ich möchte so aussehen.‘“ Das mache er nicht mit.
Glööckler und Mang kennen sich schon lange. Als der Operateur den erwiesenermaßen kauffreudigen Patienten fragt, ob denn weitere Eingriffe geplant seien, lacht die Runde. Nein, vorerst nicht, antwortet Glööckler.
Natascha Ochsenknecht lässt „Vampirlifting“ machen
Natascha Ochsenknecht, Designerin und Autorin, findet erschreckend, dass die Gesichter der Internetberühmtheiten sich immer mehr ähnelten. Viele Influencer sähen „alle gleich aus“, sagt die Dschungelcamp-Kandidatin von 2018. Und im Fernsehen würden die Gesichter immer größer. „Da wird immer mehr reingeballert.“
Sie selbst, früher Modell, verspüre „gar keinen Druck. Ich bin jetzt 55 geworden, und da haben manche schon die vierte Depression hinter sich, weil sie nicht mehr so aussehen, wie sie aussehen wollen.“ Vor einer OP habe sie Respekt.
Das, was sie macht, sieht auf Fotos allerdings recht unappetitlich aus: Vampirlifting. Einem heftigen Peeling ähnlich wird dabei Haut vom Gesicht abgeschrubbt. Professor Mang erklärt: Eigenes Blut wird zentrifugiert und wieder unter die Haut gespritzt. An diesem Procedere lässt Ochsenknecht ihre Instagram-Follower teilhaben. Plasbergs Eingabe, ob sie denn dafür, dass sie den Namen des Arztes dort veröffentlicht, Prozente bekomme, lässt sie unbeantwortet.
Die Erkenntnisse
Acht bis zehn Prozent sind nicht jeder Siebte. Auf Plasbergs Frage, wieviel Prozent der Leute Mang nach einer Beratung wieder wegschicke, sagt der Operateur: acht bis zehn, also „ungefähr jeder Siebte“. Das kann Politiker Lauterbach so nicht stehenlassen und korrigiert ihn.
Nicht wirklich neu ist der Hinweis des Attraktivitätsforschers Johannes Krause in der Sendung, dass attraktive Menschen später im Beruf bevorzugt werden. Doch der Soziologe zeigt noch einmal, wie weitreichend und bedeutend die Verführung Jugendlicher auf Social Media im Zusammenspiel zwischen Konzernen und Influencern, die sich den Beautywahn zunutze machen, ist.
Es sei jedoch zu einfach zu sagen, die Medien seien per se schuld. „Das fängt im Elternhaus an. Natürlich spielen Medien eine Rolle, aber persönliche Werteinstellungen sind wichtig“, sagt Krause. Die Attraktivität könne indes nicht nur ein Jobinterview entscheiden. Die bringe auch bei der Partnerwahl und Politikern Vorteile. Politiker bekämen dadurch einen höheren Zweistimmenanteil, sagt Krause – da schlägt Lauterbach die Arme über dem Kopf zusammen und vergräbt sein Gesicht.