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„Hart aber fair“ zur RezessionBäckerei-Inhaberin: „Wir wollen Grundversorger bleiben, kein Luxus“

Lesezeit 5 Minuten
Christina Künne, Bäckerei-Inhaberin, berichtet bei „Hart aber fair“ über die Preissteigerungen in ihrer Branche.

Christina Künne, Bäckerei-Inhaberin, berichtet bei „Hart aber fair“ über die Preissteigerungen in ihrer Branche.

„Hart aber fair“ zur Zukunft der deutschen Wirtschaft: Eine Bäckerei-Inhaberin konfrontierte am Montagabend Grünen-Politikerin Dröge.

Die Wirtschaft stockt. Während sie in anderen Ländern wächst, stagniert sie in Deutschland. Rezession. Was bedeutet das für Deutschland? Und wie wird das Land „wieder Spitze?“ Diese Frage stellte Moderator Louis Klamroth am Montagabend (21. August) seinen Gästen in der Sendung „Hart aber fair“.

Die Gäste bei „Hart aber fair“

  1. Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende bei Bündnis90/Grüne
  2. Jens Spahn, stellv. Fraktionsvorsitzender und Präsidiumsmitglied der CDU
  3. Johannes Vogel, stellv. Bundesvorsitzender der FDP, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestags-Fraktion
  4. Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender Evonik Industries
  5. Prof. Jens Südekum, Ökonom und Universitätsprofessor, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

„Das einzige, was wächst, sind die Arbeitslosenzahlen“, sagt CDU-Politiker Jens Spahn in der Sendung. „Jetzt haben wir noch das Gefühl, das kann sich beruhigen. Aber das kann sich sehr schnell beschleunigen, wenn man nichts tut.“

Also: anfangen. Aber wo, bei so einem großen Themenfeld wie der Wirtschaft? Natürlich bei der großen Politik, auf Bundesebene. Evonik-Vorstand Christian Kullmann betont, die Lage sei nicht nur in der Industrie angespannt. „Ich sehe auch in den Gesprächen mit meinen Mitarbeitern, dass ein großes Fragezeichen hinter die Politik der Bundesregierung gesetzt wird.“

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Der Klassiker einer jeden Talkshow: CDU gegen Ampel, und wer ist jetzt schuld?

Aber die Frage ist ja immer: Über welche Bundesregierung regen wir uns denn gerade auf? Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge betont, die Ampelregierung habe „auch ein schweres Erbe nach 16 Jahren CDU-Regierung.“ Jens Spahn, auch ein Teil dieser gewesen, kontert: „Aber als Ampel habt ihr seit zwei Jahren nichts mit der Wirtschaft zu tun?“

Ökonom Jens Südekum schlägt sich eher auf die Seite des schweren CDU-Erbes. Der Angriff auf die Ukraine habe Deutschland viel schärfer getroffen als zum Beispiel Spanien, die sich in den Jahren zuvor nicht so abhängig gemacht hätten von russischem Gas.

Richtungsstreit in der Ampel: Wirtschaft, Kinder – oder einfach mehr Geld?

Dass es aber in der Ampel nicht schnell genug steht, mit dem Punkt steht Spahn nicht alleine. Er kritisiert, dass viel diskutiert und wenig entschieden wird. „Aufs Kiffen kann man sich einigen, bei der Wirtschaft nicht. Es wird nur gestritten.“ Bundeswirtschaftsminister Christian Lindner will mehr Geld für die Wirtschaft, Familienministerin Lisa Paus von den Grünen will mehr Geld für Kinder. Ihre Parteikollegin Dröge verteidigt das Vorgehen von Paus, Lindners Pläne zu blockieren: „Ja, wir müssen Investitionen stärken. Und wir müssen Kinderarmut bekämpfen. Ich bin ein bisschen betrübt, wenn wir die einzigen sind, die sich noch dafür einsetzen.“

Evonik-Vorstand Kullmann findet: „Die Debatte, die wir hier haben, ist wichtiger.“ Er spricht das Thema Kindergrundsicherung nicht expliztit an, doch sein Statement schließt sich an das von Dröge an. „Es geht um unsere Volkswirtschaft.“

Kullmann erklärt sich und seine Lage: Die Ausgaben für Energie seien enorm stark gestiegen, die Belastung für Konzerne sei entsprechend. Subventionen und Förderungen seien zu gering, „das ist, als würden wir mit einer Wasserpistole gegen Godzilla anlaufen.“ Deutschland müsse in Innovation investieren, in Forschung, in gut bezahlte Arbeitsplätze. Beim letzten Punkt schwenkt er auf seinen eigenen Konzern um, die Finte riecht Klamroth aber und bremst Kullmann rechtzeitig aus: „Den Werbeblock haben wir unterbekommen, danke.“

Sind höhere Investitionen nötig?

Ökonom Jens Südekum findet die Pläne der Bundesregierung grundsätzlich gut. Der Umfang missfällt ihm aber. „Deutschland investiert zu wenig. Das gilt für die Unternehmen, aber auch für den Staat.“ Aus Südekums Sicht bräuchte es solche Maßnahmen „mit dem Faktor vier, fünf multipliziert.“ Er spricht von Größenordnungen in einer Höhe von 100 Milliarden Euro. „Geld, das gut angelegt ist.“ Die FDP bremse sich beim Thema Investitionen mit ihrer Schuldenbremse etwas selbst aus.

Die Positionen der Parteien zur Schuldenbremse sind längst ausgetauscht, deshalb überrascht es nicht, dass auch Dröge für ein größeres Volumen an Investitionen wirbt, finanziert durch Kredite. Denn: „Das sind Investitionen in die Zukunft.“ Mit beispielsweise Förderungen für energetische Sanierungen könne nicht nur Energie gespart werden, sondern auch das Handwerk gestärkt werden. Mit den aktuell zur Diskussion stehenden Größenordnungen, könne man das nicht umsetzen „ohne einen sozialen Kahlschlag zu machen.“

Ökonom Südekum zu subventioniertem Strom für die Industrie: nicht dauerhaft

Was so gar nicht in die Diskussion passt: In Deutschland herrscht Rezession, aber die Dax-Unternehmen konnten ihre Gewinne 2022 um drei Prozent steigern. Dieses etwas schräge Bild rückt Jens Spahn relativ schnell zurecht: „Die Gewinne kommen aus dem Ausland. Nicht aus Deutschland. Das ist der Grund.“

Die Diskussionsrunde kommt immer wieder zu einem Punkt zurück: zum Strompreis, genauer gesagt zum Industriestrompreis. Kullmann hatte schon gesagt, dass die Kosten für Betriebe enorm gestiegen seien. Die Frage: Sollte er subventioniert werden oder nicht? FDP-Politiker Vogel ist kein Freund davon, weil man ein strukturelles Problem nicht durch Subventionen lösen könne.

Ökonom Südekum hält dagegen. Wenn die Subventionen dauerhaft wären, dann gebe er Vogel recht. Eine dauerhafte Strompreissubvention könne es nicht geben. Aus seiner Sicht erledige sich das aber von selbst. „Weil wir die reale Chance haben, dass der Strompreis rein marktgetrieben stark sinken wird.“ Der Grund: Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht voran, dadurch wird Energie wieder günstiger. Ein weiterer Punkt für Subventionen sei: „Investitionsentscheidungen fallen heute. Unternehmen brauchen heute Planungssicherheit.“ Also so schnell wie möglich einen niedrigeren Industriestrompreis.

Bäckerei-Inhaberin konfrontiert Grünen-Politikerin Dröge

Im Einzelgespräch mit Moderator Klamroth äußert Caterina Künne, der in Hannover eine Bäckerei mit mehreren Verkaufsstellen gehört, Bedenken gegenüber der Industriestrompreissubvention. Sie helfe nur den großen Ketten, kleine Bäckereien fielen hinten rüber. Künne konfrontiert Grünen-Politikerin Dröge direkt mit ihrer Sorge. Die findet erst keine richtige Antwort darauf, weicht aus, der Mittelstand werde an anderen Stellen gefördert.

Aber laut Künne sind diese Förderungen im Vergleich zur großen Industrie nicht groß genug. Sie fürchtet um ihre Wettbewerbsfähigkeit. „Die Kunden gehen jetzt schon zu den Supermärkten, weil der normale Bürger sich unsere Brötchen nicht mehr leisten kann. Wir wollen Grundversorger bleiben, kein Luxus.“

Dröge findet dann doch noch eine Antwort, man wolle die unteren Einkommen stärken, die sich dann auch wieder Künnes Brötchen leisten könnten. Investitionen im Großen wie im Kleinen, vom Brötchen bis zu 100 Milliarden. Nur woher sie kommen und wie sie verteilt werden sollen, darauf kann sich die Runde an diesem Abend nicht einigen.