Während die Ministerpräsidentenkonferenz über Migrationspolitik diskutierte, machte Louis Klamroth auch bei „Hart aber Fair“ das Thema zum Programm.
„Hart aber Fair“-Sendung zu MigrationWie helfen Abschiebungen den Kommunen?
„Wir müssen mehr und schneller abschieben“, verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz in einem Interview mit dem Spiegel. Parallel zu einer Ministerpräsidentenkonferenz, die bis in die Nacht hinein über die Migrationspolitik beriet, nahm die Sendung „Hart aber Fair“ das Thema in ihr Programm auf („Kanzler im Abschiebemodus: Hilft das den Kommunen wirklich?“). Die Sendung startete um 23:45 Uhr nach den Tagesthemen und einer Dokumentation zum 100. Geburtstag von Loriot in der ARD.
Die Gäste bei „Hart aber Fair“
- Dirk Wiese, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
- Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
- Jens-Marco Scherf, Landrat von Miltenberg in Bayern (Bündnis 90/Die Grünen)
- Hadija Haruna-Oelker, Journalistin und Moderatorin
- Christian Stäblein, Bischof und Beauftragter der Evangelischen Kirche für Flüchtlingsfragen
Warum das Thema Migration bei der Ministerpräsidentenkonferenz auf der Agenda steht, wird mit der kritischen Diagnose von Jens-Marco Scherf deutlich, der als Landrat vom Kreis Miltenberg in Bayern (Bündnis 90/Die Grünen) tätig ist. In seinem Kreis sei kaum daran zu denken, die Flüchtlinge zu integrieren; es sei schon herausfordernd, die Leute überhaupt unterzubringen. Außerdem mangele es an Kindergartenplätzen, Lehrpersonal, Mitarbeitenden im Jobcenter und im Ausländeramt und an Zeit, um die Menschen zu integrieren. Denn allmählich verliere man die Akzeptanz der Bevölkerung. „Die Lage ist gerade so ernst und kritisch.“ Ein klarer Appell für mehr Unterstützung von Bund und Ländern.
„Hart aber fair“: Abschiebung in der ARD-Sendung nur ein Randaspekt
Trotz des Titels der Sendung bleibt die Frage nach mehr Abschiebungen nur ein Randaspekt. Stand Juni gab es nach Auskunft der Bundesregierung 54.330 ausreisepflichtige Menschen in Deutschland, die keine Duldung haben und folglich zu den sogenannten „unmittelbar Ausreisepflichtigen“ zählen. Die Gäste zeigen sich also uneinig über die Relevanz dieser Debatte. Scherf unterstützt Scholz Forderung nach konsequenter Abschiebung. Hadija Haruna-Oelker weist darauf hin, dass ein härteres Vorgehen anzukündigen nicht an konkrete Probleme der Kommunen anknüpfe, sondern vor allem ein politisches Narrativ bediene.
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Thorsten Frei (CDU) widerspricht der Zahl von 50.000, benennt vielmehr die Zahl von 250.000 Menschen, die „vollziehbar ausreisepflichtig“ seien, da sie nur über eine Duldung verfügen. Dirk Wiese (SPD) erinnert daran, dass diese oft wegen fehlender Menschenrechtsstandards nicht in ihre Heimat abgeschoben werden können: „Es gibt gewisse Länder, da schieben wir nicht hin ab“. Einig sind sich die beiden aber, dass eine Abschiebung nach klaren Regeln letztlich ein Vollzug des Rechtsstaates darstellen. Ob es sich bei 50.000 Menschen aber nun um Abschiebung im großen Stile handle, wie Scholz es ankündigte, kann Dirk Wiese nicht klar beantworten.
„Hart aber fair“: Vorschläge der Ministerpräsidentenkonferenz in der Diskussion
Der Bischof Christian Stäblein, der als Beauftragter der Evangelischen Kirche für Flüchtlingsfragen fungiert, versucht das Bild zu weiten. Auch er höre von der Überforderung einiger Kommunen, bekomme aber auch immer wieder Signale, wie gut es bei der Aufnahme der vielen Flüchtlinge aus der Ukraine mit der Integration geklappt habe.
Er plädiert dafür, die verschiedenen Stimmen auszuhalten und dabei nicht zu vergessen, dass es um das Schicksal von Menschen geht. „Diese Menschen verlassen sich darauf, dass wir gute, menschenwürdige Lösungen finden.“
Weiterhin besprochen werden Vorschläge, die in der Ministerpräsidentenkonferenz auf dem Tisch liegen, etwa die Asylverfahren künftig in Ländern entlang der Fluchtrouten durchzuführen. Die Idee zielt darauf ab, dass diejenigen, die in Deutschland keinen Schutz erhalten würden, so gar nicht erst einreisen müssten. Thorsten Frei, der den Vorschlag bereits in der Sendung am 15.08. verteidigte, meint, dass man so Menschen vor der gefährlichen Reise über das Mittelmeer abschrecken würde. Er schlägt vor, dass diese Asylverfahren vom UNHCR durchgeführt werden sollen, um rechtsstaatliche Normen gewährleisten zu können.
Flüchtlinge kommen bei „Hart aber fair“ auch zu Wort - zumindest kurz
Der Vorschlag setzt aber Abkommen mit den Ländern voraus, in denen diese Verfahren stattfinden sollen. Hadija Haruna-Oelker kritisiert den Vorschlag in Hinblick auf den Deal mit der Türkei, wo menschenrechtliche Standards nicht überprüft worden seien. „Es waren bisher immer sehr einseitige Abkommen. Die EU hat sich immer sehr abhängig gemacht.“
Ebenso kritisch äußerte sie sich auch zum Ruanda-Plan der Regierung Großbritanniens, der vorsieht, Asylsuchende verschiedenster Nationalitäten ins ostafrikanische Ruanda zu fliegen. Wer das Sterben auf dem Mittelmeer verhindern wolle, müsse vielmehr legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen.
Ein Einspieler federt die Härte der Diskussionen ab, indem die Gemeinde Herbertshausen als positives Beispiel herangezogen wird. Zu Wort kommen neben Ehrenamtler und Flüchtlinge auch der Bürgermeister Richard Reischl (CSU), der dazu appelliert, die ankommenden Menschen „als Chance zu sehen und nicht als Problem.“ Die kurzen Wortmeldungen der Geflüchteten täuschen aber nicht darüber hinweg, dass wie schon 2015 in der Berichterstattung zu Flucht ausgerechnet Flüchtlinge kaum zu Wort kommen.