Bei „Hart aber fair“ diskutierten die Gäste über Arbeit. Wie viel Macht haben Angestellte? Und wie schafft man bessere Arbeitsbedingungen?
„Hart aber fair“ zu Streiks und ArbeitFrank Thelen empfiehlt Erzieherin das Arbeitsmodell von Influencern
Knapp drei Viertel der Deutschen wünschen sich laut einer Umfrage die Vier-Tage-Woche. Allein daran lässt sich deutlich ablesen: Unser Verständnis von Arbeit befindet sich im Wandel. Dazu passen auch die aktuellen Streiks im öffentlichen Dienst. Unter der plakativen Frage „Braucht Deutschland die Vier-Tage-Woche oder einfach mehr Bock auf Arbeit?“ diskutierte Moderator Louis Klamroth am Montagabend in der Sendung „Hart aber fair“ dieses Thema mit seinen Gästen.
Die Gäste bei „Hart aber fair“
- Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales
- Frank Thelen, Unternehmer und Start-Up-Investor
- Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
- Karen Malsy, Erzieherin aus Offenbach, Mitglied bei Verdi und der Partei „Die Linke“
- Sara Weber, deutsch-amerikanische Journalistin und Digitalstrategin
„Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit.“ Das hatte BDA-Geschäftsführer Steffen Kampeter vor Kurzem gesagt. „Haben Sie keinen Bock auf Arbeit?“, fragt Moderator Louis Klamroth die Erzieherin Karen Malsy. Sie hat, wie so viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, in den vergangenen Wochen gestreikt, für höhere Löhne. Zweistellig prozentuale Erhöhungen fordert Verdi.
Das hätte ein guter Startschuss in eine Diskussion sein können. Die wird aber verschoben, stattdessen hüpft Klamroth in den ersten Minuten von Thema zu Thema. Fragt Thelen nach der Inflation oder Heil nach Gehaltsforderungen von Verdi.
Inflation, Gehaltserhöhungen, Arbeitsmoral, Arbeitsbedingungen: Da steckt viel drin, Moderator Klamroth schneidet aber alles nur an. Und dann streikt auch noch sein Touchpad, der erste Einspieler lässt sich erst nicht starten. So sucht die Sendung zu Beginn noch ihren Kurs.
Frank Thelen bei Louis Klamroth: Streiks werden nicht mehr nur als letztes Mittel genutzt
Dann aber einigt sich die Runde auf ein erstes Thema: die Streiks. Steffen Kampeter fordert hier mehr „Verhältnismäßigkeit“. Er wolle zwar das Streikrecht nicht einschränken, den für den 27. März angekündigten Generalstreik im öffentlichen Verkehr würde er aber am liebsten absagen. Kampeter redet viel, insgesamt klingt das aber nicht ganz vereinbar. Klamroth hakt nach, weist ihn darauf hin.
Und auch Hubertus Heil betont, dass er aktuell keinen Anlass sehe, „gesetzgeberisch einzugreifen.“ Kampeter wirft Heil Parteilichkeit vor. Vielleicht auch etwas gewollt ironisch, zumindest wirkt es so. „Sie sind ja auch Mitglied einer Gewerkschaft“, wirft er etwas gezwungen lächelnd ein. „Ich bin sogar Arbeitgeber“, antwortet Heil dem Geschäftsführer des Arbeitgeberverbands. Beim Boxen hätten die Kampfrichter hier wohl einen Punkt notiert.
Frank Thelen kommt Kampeter etwas zur Hilfe. Denn auch in seinen Augen werden Streiks nicht mehr nur als letztes Mittel genutzt. Vor den aktuellen Streiks seien nicht alle Möglichkeiten in Verhandlungen ausgenutzt worden.
Erzieherin bei „Hart aber fair“: Motivation für den Streik ist nicht nur das Geld
Erzieherin Malsy geht darauf ein, versucht, die Motivation der Streikenden zu erklären: „Wir wollen das alles nicht mehr hinnehmen.“ Dem Punkt, dass Streiks verhältnismäßiger sein müssten, widerspricht sie: „Warnstreiks müssen wirksam sein, sonst interessiert es ja nicht. Wie soll es anders gehen?“
Zudem gehe es ihr und den anderen nicht nur um mehr Geld. Schon zu Beginn der Sendung hatte sie einmal angefangen auszuholen: „Es fehlt an Personal, es kommen kaum Neue. Die Baby-Boomer-Generation steht kurz vor der Rente, unsere Perspektive ist nicht gerade ermutigend.“ Sie fühle sich hilflos.
Journalistin Weber rückt statt der Verhältnismäßigkeit die Wirksamkeit in den Mittelpunkt. In Nordrhein-Westfalen sei im vergangenen Jahr an den Unikliniken 79 Tage lang gestreikt worden. Und das nicht, weil die Beschäftigten mehr Lohn haben wollten. Sondern, weil sie überlastet waren.
Steffen Kampeter bei „Hart aber fair“: „'Work' gehört zu 'Life'“
Überhaupt geht es in der Sendung auch mehr um Überlastung als um Lohnerhöhungen. Die werden, neben ihrer Notwendigkeit zwischen steigenden Lebenskosten, eher als Ausgleich für härtere Arbeitsbedingungen gesehen. Ein immer wieder heraus gekramtes Stichwort: Work-Life-Balance. Die Redaktion hat dafür einen Einspieler vorbereitet. In einer bereits gesendeten Dokumentation echauffiert sich ein Arbeitgeber deutlich über die Arbeitseinstellung der jüngeren Generation. Die Gegenrede gibt es an einer Berufsschule in Dortmund, Tenor der Aussagen dort: Kaum jemand möchte, dass die Arbeit das eigene Leben dominiert.
Hier droht, ohne der Sendung diese Intention vorwerfen zu wollen, die typische Diskussion über eine viel zu faule junge Generation. Hubertus Heil bügelt die aber sehr elegant ab. „Was ich schwierig finde, sind pauschalisierende Debatten. Es gibt unglaublich Fleißige und ebenso wie verträumte Faule in der jungen Generation.“
Thema bleibt die Work-Life-Balance. Kampeter mag diesen Begriff nicht, „was ist das für eine Gesellschaft, in der 'Work' nicht zu 'Life' gehört. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für Bock auf Arbeit.“ Ein reiner Fokus auf das „Life“, würde in eine „soziale und ökonomische Sackgasse“ führen.
Frank Thelen spricht bei „Hart aber fair“ über Influencer
Ganz so sehen das nicht alle. Gerade in dem Einspieler von der Berufsschule in Dortmund wurde deutlich, wie klar einige ihre Arbeit vom Rest ihres Lebens trennen. Doch in Kampeters Aussage steckt ein Kern, auf den sich alle in der Runde einigen können: die besseren Rahmenbedingungen für Arbeit. Eine Diskussion darüber, wie sich das dann ausgestalten könnte, würde den zeitlichen Rahmen der Sendung natürlich sprengen. Aber hier findet Klamroth einen guten Kompromiss, indem er sich auf das Thema Flexibilität fokussiert.
Unternehmer Thelen ist dahingehend sehr offen. Wer weniger arbeiten wolle, könne das tun, so sein Tenor. Er ist für ein bedingungsloses Grundeinkommen. „Wenn ich dann mehr haben will, dann kann ich mir einen Job aussuchen. Dann kann ich sechs Tage oder einen Tag arbeiten“, behauptet er. Von Weber wird er darauf hingewiesen, dass dies unrealistisch sei. „Das kann sich nicht jeder leisten“ wirft sie ein, das sei zynisch. Wie solle jemand, der in der Pflege arbeitet, die Arbeitszeit drastisch reduzieren.
Erzieherin Malsy zum Beispiel erklärt, dass sie Stunden reduzieren könnte – dann „könnte es aber auch knapp werden“, finanziell. Thelen sagt, dann müssten eben die Gehälter steigen. Anschließend spricht er über Influencer, die sich einen Tag Arbeit in der Woche leisten könnten.
Als die Sendung austrudelt, ist sich die Runde überraschend einig. Es braucht dringend mehr Flexibilität. Vor allem das Arbeitspensum betreffend. Daran werde auch kein Weg vorbeiführen, ist Thelen überzeugt. Wie sich das genau ausgestaltet, da gehen die Meinungen etwas auseinander. Es werden wieder einige Themen angeschnitten, Lohnausgleich oder mobiles Arbeiten zum Beispiel. Um das genau auszudiskutieren, bräuchte die Runde dann aber wohl eine weitere Sendung.