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Immer feste druffDer Nagel-Künstler Günther Uecker wird 95 Jahre alt

Lesezeit 3 Minuten
ZERO-Künstler Günther Uecker steht am 05.02.2015 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) in den Räumen seiner Ausstellung im K20 der Kunstsammlung NRW.

Günther Uecker vor zehn Jahren vor einigen seiner Bilder. 

Er liebt Nägel, ist aber kein Hammer. Über Günther Uecker, der einem künstlerisch toten Material poetisches Leben gab.

Nägel sind hartes, totes Material, nützlich, aber dumm. Um ihre zarte Seele zu finden, muss man wohl ein kommunistischer Dichter sein oder Günther Uecker heißen. Bei Wladimir Majakowski will Uecker jedenfalls den Satz gelesen haben, der ihn zu seinen weltberühmten Nagelbildern inspirierte: „Poesie wird mit dem Hammer gemacht.“ Beim Dichter klang das nach Selbstverleugnung (es sei denn, er meinte die „Schläge“ der Schreibmaschine), erst Uecker löste das Versprechen auf gehämmerte Dichtkunst tatsächlich ein.

Zunächst drückte er im Zeichenunterricht der Düsseldorfer Kunstakademie aber einfach den Bleistift durchs Papier. Auf diese Lochbilder folgten einfarbige Leinwände, und schließlich trieb Uecker, im Jahr 1957, die ersten Nägel in den Holzrahmen eines monochromen Bilds. Von dort war es nur noch ein kleiner und doch riesiger Schritt, die Nägel wie Farbtupfer ins Bild zu setzen.

Mitunter wiegen sich Ueckers Nägel wie Halme im Wind

Uecker hauchte dem toten Material poetisches Leben ein, indem er die Nägel zu Kreisen, Spiralen oder Wellen hämmerte und ihnen mit weißer Farbe die Schwere nahm. Mitunter wiegen sich seine Nägel wie Halme im Wind, das Harte wird biegsam, es strömt und wirft malerische Schatten auf die ebenfalls geweißte Holztafel. 1961 tat sich Uecker in Düsseldorf mit den Zero-Künstlern Otto Piene und Heinz Mack zusammen, weil auch er mit seinen Nagelbildern das Licht einfing. An der Seite von Piene und Mack baute er Lichtkästen, eine nicht weniger meditative „Sandmühle“ und legte „Lichtplantagen“ an. Anders als seine Zero-Kollegen verband er mit seinen Reliefs und Objekten aber keine Utopie einer besseren Welt.

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Für einen Träumer war Uecker wohl zu sehr Handwerker. Wer mit Nägeln arbeitet, bleibt im Grunde seines Herzens ein Realist. Deswegen entwarf er auch Tastobjekte, benagelte Tische, Stühle und Bürsten und wandte sich, vielleicht aus Furcht davor, als etwas einfältiger Charakter in die Kunstgeschichte einzugehen, in den 1970er Jahren Materialien wie Stoff, Pappe und Seilen zu. Nach der Katastrophe von Tschernobyl schuf er seine „Aschebilder“, aus Grafit, Leim und eben Asche gebildete Wirbel und Ströme auf Papier. Hier wird das Licht von der Düsternis verschluckt.

Ein wenig reumütig kehrte Uecker in den Achtzigern zu den Nagelreliefs zurück. Mit ihnen wurde der einstige Avantgardist sogar zum Staatskünstler, der 1998 im Berliner Bundestag einen überkonfessionellen Andachtsraum aus Stein, Farbe, Licht und natürlich Nägeln gestaltete. Spätestens als moderner Klassiker kam er von seinem Markenzeichen nicht mehr los, selbst, wenn er es gewollt hätte. Gelegentliche Auszeiten bewiesen, dass er kein Hammer war.

Immer feste druff, das gilt zwar für alle seine Nagelbilder und behämmerten Objekte. Aber was er als rohe Gewalt in sie hineinlegte, verwandelte sich in wirbelnde Poesie. An diesem Donnerstag wird Günther Uecker 95 Jahre alt.