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Influencerin Ninia LaGrandeAuf Beleidigungen antworte ich: Danke fürs Feedback

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Ninia Binias alias Ninia LaGrande

Köln – Immer mal wieder, erzählt Ninia LaGrande, werde sie zu inklusiven Kulturprojekten eingeladen, die sich dann jedoch als solche entpuppen, an denen ausschließlich Menschen mit Behinderungen teilnehmen. Dagegen gebe es nichts zu sagen, sagt die 1,38 Meter große Frau aus Hannover. Das Vorurteil, nach dem „inklusiv“ eigentlich bedeute, dass „da ein paar Behinderte etwas Nettes machen“ werde auf diese Weise allerdings weiter befördert.

„Das Kölner Sommerblut-Festival dagegen hebelt dieses Vorurteil komplett aus“, lobt LaGrande, „weil es durchweg wirklich inklusiv ist und dabei einen so hohen Qualitätsstandard hat. Leider ist es da noch ziemlich einzigartig in Deutschland.“

Am Samstag feiert das Sommerblut-Festival sein 20-jähriges Bestehen mit einer Jubiläumsgala in der Kölner Philharmonie. Und LaGrande ist natürlich auch dabei. Als Moderatorin kann sie sich nicht über mangelnde Jobs beklagen, selbst während der Pandemie nicht, auch wenn sie die Bühne und das Publikum vermisst. Als nächstes wird sie etwa durch den Grimme Online Award führen.

Erfolgreich, selbstbewusst, schlagfertig

Das ist beileibe nicht ihr einziges Talent: Zuerst bekannt geworden ist sie als Bloggerin und Poetry Slammerin. Sie hat mehrere Bücher veröffentlicht und auf RTL ein eigenes Modemagazin moderiert. Produziert Podcasts, schreibt Kolumnen für Zeitungen und Magazine und betreibt ihre eigene Agentur, das Büro für Popkultur.

Ninia Binias, wie sie bürgerlich heißt, ist erfolgreich, selbstbewusst und sagenhaft schlagfertig. Dabei hatte man ihren normalgroßen Eltern bei der Schuluntersuchung empfohlen, das kleinwüchsige Kind in die Sonderschule zu schicken. Inklusion war damals nur ein Fremdwort unter vielen. „Meine Eltern haben aber sehr viel Wert darauf gelegt, mich an einer Regelschule anzumelden. Sie haben mich oft ins kalte Wasser geschubst. Da hieß es eher: Probiere das mal aus. Wir werden schon sehen, ob es klappt oder nicht. Mit diesem Selbstbewusstsein bin ich dann durch die Gegend gelaufen.“

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Kamen doch mal dumme Sprüche auf dem Schulhof, stellten sich ihre Klassenkameraden vor sie. Öfters war sie auch Klassensprecherin. Und sie entdeckte die Theater AG für sich: „Da musste ich nicht nur die Kleine spielen, die Größe hat überhaupt keine Rolle gespielt.“

Ob die Bühne für sie eine Flucht nach vorne war? Angestarrt wurde sie auf der Straße ja sowieso? „Ich denke schon. Auf der Bühne konnte ich mich viel mehr ausleben, oder auch mal andere Rollen spielen. Ich kann nicht sagen, was gewesen wäre, wenn ich größer wäre. Aber ich glaube, dass unabhängig davon in mir sehr viel Drang ist, mich zu produzieren.“

Zweite Heimat Internet

Eine zweite Heimat fand Binias im Internet, hier begegnete sie zum ersten Mal Leuten „die sich über dieselben Sachen Gedanken gemacht haben wie ich“. Und auch vielen Menschen, die ähnliche Herausforderungen zu meistern hatten. Heute ist sie vor allem auf Instagram und Twitter aktiv. „Habe ich mal einen schlechten Tag, an dem ein komischer Blick oder Spruch reicht, mich richtig traurig oder wütend zu machen, hilft es mir Social Media zu nutzen. Ich kann diese Erfahrung teilen und andere tragen sie mit.“

Freilich haben die Sozialen Medien eine dunkle Kehrseite. Als sie noch gebloggt habe, erzählt Ninia LaGrande, gehörten Mails mit Verunglimpfungen und sogar Mordandrohungen zum Alltag. „Heute versuchen Leute direkt in den Netzwerken Diskussionen vom Zaun zu brechen oder dich zu beleidigen.“

So schnell wie früher rege sie sich mit 38 Jahren nicht mehr auf, man muss nicht über jedes Stöckchen springen, das einem hingehalten wird: „Entweder blockiere ich Leute oder ich versuche es mit radikaler Höflichkeit. Dann antworte ich auf eine Beleidigung etwa: »Vielen Dank fürs Feedback.«“

Warum bekommt Liefers Aufmerksamkeit?

Es gibt ja noch genug andere Dinge, über die sie sich erhitzen kann, etwa darüber, „dass jemand wie Jan Josef Liefers ein Video macht und dann so viel Aufmerksamkeit und Reichweite bekommt und sich mit Jens Spahn für ein sechsseitiges Interview in der „Zeit“ treffen kann, während Menschen mit Behinderungen seit über einem Jahr nichts anderes erzählen.“ Nur bekämen die kein Gespräch mit dem Bundesgesundheitsminister.

Den Prozess der Inklusion habe die Pandemie um Jahre zurückgeworfen. Momentan, sagt LaGrande, gebe es zum Beispiel unter Menschen mit Behinderungen so viele Arbeitslose wie seit 2016 nicht mehr. „Gerade jetzt, wo wir uns gefühlt auf die Zielgerade zubewegen, müssen wir aufpassen, dass wir nicht alle anderen wieder vergessen.“

Am 15. Mai 2021 veranstaltet das Sommerblut- Festival an 20 Uhr seine Jubiläumsgala in der Kölner Philharmonie. Unter anderem mit ChrisTine Urspruch, Ralph Caspers, Helmut Zerlett & Band, Markus Reinhardt und Ninia La Grande. Das Solidaritätsticket für den Livestream kostet 35 Euro. Das diesjährige Sommerblut-Festival steht unter dem Motto „Natur“ und findet ausnahmsweise bis in den Herbst hinein statt, erst on-, später hoffentlich auch offline. www.sommerblut.de