Der Film „Der Pfau“ von Lutz Heineking läuft zurzeit in den deutschen Kinos. Im Interview spricht der Kölner Regisseur über Film und Fernsehen.
Lutz Heineking juniorKölner Regisseur: „Es gibt wirklich viel Schrott“
Herr Heineking jr., mit Ihnen könnte man eigentlich immer über mindestens fünf Projekte reden. Auf Ihrer Homepage heißt es: „Nur eine Aufgabe zu einer Zeit macht Lutz wahnsinnig.“ Sie können sich also nicht gut auf eine Sache konzentrieren?
Ich kann mich sogar richtig schlecht auf eine Sache konzentrieren. Mehrere Bälle in der Luft zu halten, entspannt mich deutlich mehr als mich in die Tiefe eines Projektes zu begeben. Das bringt eine gewisse Flüchtigkeit mit sich, die ich durch Souveränität zu übertünchen versuche.
Sie sind gebürtiger Kölner, waren aber lange weg aus der Stadt. Warum hat es Sie dann doch zurück nach Köln gezogen?
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Weil ich Kölner bin. Meine Familie kommt aus Nippes, ich bin in Stommeln groß geworden. Es war schon immer klar, dass ich zurückkomme. Meine letzte Station war Berlin, und im Gegensatz zu den Schwaben gegen die Kölner doch irgendwann nach Hause. Ich bin jetzt 47, ich bin seit 15 Jahren wieder hier. Ich habe also eigentlich alles nach Buch gemacht. Das ist für mich Heimat.
Über Köln als Filmstandort und die deutsche Medienlandschaft
Sie haben dann hier Ihre eigene Produktionsfirma gegründet. Warum?
Weil mich als Regisseur keiner haben wollte. Die haben nicht auf mich gewartet. Mir war relativ früh klar, dass es wahrscheinlich der klügste Weg ist, einen eigenen Laden zu machen. Ich weiß nicht, ob ich das heute noch genauso machen würde oder ob ich nicht versuchen würde, nur als Regisseur zu arbeiten. Aber die Firma hat damals Sinn gemacht, und da komm ich jetzt nicht raus.
Ist Köln der beste Standort für einen Fernsehschaffenden?
Köln und die Medienlandschaft hier sind mit Sicherheit absolut top, ich habe da nichts zu meckern. Es gibt schon noch Städte, die ein bisschen vor uns sind und das nicht ganz so provinziell machen. Aber wo der Sitz der Firma ist, ist heute nicht mehr ganz so relevant, wie es mal war. Die Wege hier sind kurz, es macht Sinn, hier zu sein, aber ich würde nicht von einem klaren Standort-Vorteil sprechen.
Wie haben die Streaming-Portale den Markt für Ihre Firma verändert?
Für den Markt ist das toll. Es gibt viel mehr Kunden, denen ich meine Sachen anbieten kann. Es gibt mehr Diversität im Programmangebot und in den Programmfarben. Für mich könnte es aber noch mutiger sein. Ich glaube, dass die Öffentlich-Rechtlichen dadurch auch ein bisschen wachgerüttelt wurden und gemerkt haben, sie müssen etwas ändern. Ich finde, sie tun es auch. Es ist da nicht still. Gerade in den Mediatheken geht echt einiges ab, da gibt es gutes Zeug. Es hat nicht die gleiche Sexyness wie Netflix, Disney, Apple und wie sie alle heißen, aber da ist durchaus eine große Qualität zu finden.
Lutz Heineking wollte schon als Teenager Regisseur werden
Deutsche Serien hatten lange einen schlechten Ruf. War der begründet? Und hat sich der Blick auf deutsche Produktionen verändert?
Natürlich war der begründet. Es gibt wirklich viel Schrott. Man muss da aber auch differenzieren, wenn wir über coole amerikanische Serien reden. Was hier ankommt, ist ja auch nur das Rausgefilterte. Da gibt es auch viel Schrott. Natürlich haben die dadurch, dass sie in alle Welt verkaufen, andere Budgets und andere Möglichkeiten. Es gab schon immer auch gute deutsche Sachen, aber es kann noch sehr viel mehr Gutes geben. Ich finde auch manchmal das Konkurrenzdenken unter Regisseuren komisch, denn am Ende vom Tag gibt es genug Platz für noch viel mehr Angebot.
Wann wussten Sie eigentlich, dass Sie Regisseur werden wollen?
Sehr, sehr früh. Seitdem ich 14 bin, wollte ich Regisseur werden. Es ist ein Vorteil und ein großes Geschenk, dass ich immer wusste, was ich machen will. Ich bin jetzt zu 100 Prozent da, wo ich immer sein wollte. Das macht mich natürlich stolz. Ich bin froh, dass ich diesen Druck nicht hatte, nicht zu wissen, was ich will vom Leben. Ich wollte lange Zeit Theater-Regisseur werden, aber das würde ich mir bis heute nicht zutrauen. Es ist gut, dass zwischen mir und der Öffentlichkeit noch ein Schnitt ist.
Was hat denn die Faszination dieses Berufs ausgemacht?
Für mich war es immer ein großes Ziel, Geschichten zu erzählen, auch wenn das so abgedroschen klingt. Und ich hatte immer Bock zu unterhalten. Das ist für mich eine Form des Ausdrucks, der über allem hängt. Auch wenn ich Sachen mit Aussage mache, will ich, dass es verstanden wird und unterhaltsam ist. Gerade Unterhaltung ist ein super Vehikel, um auch Message rüberzubringen. Das ist ja auch sehr zeitgeistig. Böhmermann macht nichts anderes. Wenn man so Missstände aufdecken kann, ist das ein legitimes Mittel.
Kinofilm „Der Pfau“ ist Heinekings Mutter gewidmet
Jetzt haben Sie Ihren ersten Lang- und Kinofilm gemacht. „Der Pfau“ läuft gerade im Kino. Welche Zielgruppe hatten Sie denn da vor Augen?
Tatsächlich habe ich den Film für meine Mutter gemacht. Ich habe ihn ihr ja auch gewidmet. Das ist ein Film, der Leute ansprechen soll, die noch ins Kino gehen. Ich glaube, dass die junge Generation, die viel TikTok konsumiert, damit nichts anfangen kann, aber für die ist er auch nicht gemacht.
Wie groß war der Schritt von Fernseh- und Serienproduktionen zum Kinofilm?
Den habe ich selbst gar nicht so mitgekriegt. Ich habe dieses Buch gelesen und war mir sicher, dass ich daraus einen Kinofilm machen möchte. Ich glaube bei vielen Kollegen ist das ein Ziel, einen Kinofilm zu machen, bei mir war das anders. Ich war sehr zufrieden mit meinen Serien. Und das ist nach wie vor ein spannendes Feld. Aber diese Geschichte verlangt die Leinwand. Den muss man im Kino sehen.
Der Stoff hat das Medium bedingt?
Genau. So ist das oft bei mir. Ich frage mich, wo das am besten hinpasst. Nicht nur in welchem Sender, sondern auch in welcher Form. Das ist tatsächlich das erste Mal, dass ich in 104 Minuten am Stück eine Geschichte erzähle.
Auch die Hymne des 1. FC Köln und Nippes kommen im Film vor
Mussten Sie Ihre Art zu arbeiten da nicht sehr umstellen? Sie arbeiten ja sonst viel mit Improvisation, das war doch hier kaum möglich, oder?
Das war tatsächlich eine ziemliche Herausforderung, weil wir diesen Film mit relativ wenig Zeit gemacht haben. Die Improvisation und das Freie, was mir sonst sehr wichtig ist, haben wir hier nur zu einem gewissen Teil umsetzen können. Trotzdem haben wir uns das nicht nehmen lassen. Das ist ein hervorragender Cast. Die wussten, wenn sie mit mir auf diese Reise gehen, ist mir am Ende vom Tag die Szene wichtig und nicht, was das Buch vorgibt. Aber die Improvisation ist bei der Sache jetzt sicherlich mehr auf der Strecke geblieben, als es mir lieb gewesen wäre.
Wieso ist Ihnen diese Art zu arbeiten so wichtig?
Meine Herangehensweise ist vielleicht ein bisschen ungewöhnlich. Ich sage den Schauspielern nicht genau, was sie tun müssen, sondern versuche eher, sie darin zu bestärken, ihren Weg zu gehen und dem Charakter ihr Eigenes aufzudrücken. Das nenne ich das Prinzip der langen Leine oder den mündigen Schauspieler. Das sind ganz hervorragende, selbst denkende Künstler. Das möchte ich nutzen, ich hole sie da auch in die Verantwortung. Andere Regisseure wissen genau, was sie machen wollen. Aber für mich ist das Unperfekte das Perfekte. Es soll nicht aussehen und sich anfühlen wie eine Zahnpasta-Werbung. Gerade darin liegt der große Charme. Es ist mir wichtig, dass es nicht geleckt und total sauber ist. So wie in dieser wunderbaren Stadt.
Ist das auch der Grund, warum Sie eigentlich in all Ihren Produktionen Köln und Nippes unterbringen? In diesem Film ja auch.
Nippes kommt fast immer vor. In diesem Film außerdem die FC-Hymne. Und es gibt einige Anleihen an die Heimat: Meine Urgroßeltern hängen an der Wand, das Bankhaus heißt Bankhaus Richard Edel, das immer noch auf der Schildergasse steht. Das war das Bankhaus meiner Urgroßeltern. Köln ist eigentlich immer dabei.