Das Kölner Theater am Bauturm hat seine Spielzeit zum Jubiläum vorgestellt, mit einigen Überraschungen.
Kölner BühneZu seinem 40. Geburtstag baut das Theater im Bauturm eine Arche
Buchstäblich mit „Pauken und Trompeten“, nämlich Bertolt Brechts gleichnamiger Bearbeitung einer englischen Restaurationskomödie aus dem 18. Jahrhundert, öffnete das Theater im Bauturm im Herbst 1983 in Köln seine Pforten.
Die kommende Spielzeit der Bühne an der Aachener Straße steht deshalb ganz im Zeichen dieses Jubiläums. Zwar nicht mit Pauken und Trompeten, dafür aber mit Gitarre, Tamburin und Posaune beschlossen denn auch Theaterleiter Laurenz Leky, Geschäftsführer Bernd Schlenkrich und Dramaturg René Michaelsen die Pressekonferenz zum 40. Geburtstag des Bauturms.
In der Pandemie hat sich der Bauturm der Stadt noch verbundener gefühlt
Vieles, referierte Leky, hätte sich durch die Pandemie verändert. Zwar sei das Haus durch die verschiedenen Nothilfe-Töpfe nie in existenzielle Bedrohung geraten, zwar habe man sich in vielerlei Formaten ausprobieren können, sich weniger isoliert als der Stadtgesellschaft noch verbundener gefühlt – doch sei man anschließend an den Rand der Belastbarkeit geraten, habe schließlich die meisten der „öden Vereinbarungen“ (ein Zitat des in Köln wohnenden Schweizer Theatermachers Milo Rau) hinterfragt, die das Theater mit sich bringt.
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Herausgezogen aus diesem Tief hat sich der Bauturm vor allem mithilfe der amerikanischen Theoretikerin Donna Haraway und deren Konzept einer „wilden Verwandtschaft“ über Artengrenzen hinweg. Und weil Leky, Schlenkrich und Michaelsen Virtuosen darin sind, abstraktes Gedankengut in lokale und durchaus handfestes Theatererlebnisse umzusetzen, fand mit „Biotopia“ das wichtigste Post-Corona-Projekt des Bauturms im Grüngürtel statt, mit der örtlichen Flora und Fauna als Teil des Ensembles.
Theatermacher aus aller Welt klopfen in der Aachener Straße an
Inzwischen, so Leky, würden Theatermacher aus aller Welt in der Aachener Straße anklopfen, die Kölner Bühne sei zu einem Zentrum des Diskurses rund um Haraways einflussreiche Essay-Sammlung „Unruhig bleiben“ geworden. Ein erstes Ergebnis dieser neuen wilden Verwandtschaften kann am noch im Juni erleben: Die Regisseurin mit dem tollen Künstlernamen christi knak tschaikowskaja wird mit einem 16-köpfigen mixed-abled-Ensemble die Bauturm-Bühne füllen, um dort eine wilde Mischung aus Oper und Tanztheater namens „creature freedom as utopia – ark“ aufzuführen, eine fiktive Arche aus Körpern jeglicher Bauart in Zeiten des Klimanotstands.
Freilich wird es auch den klassischen Festakt zum 40. Geburtstag geben, mit ihm eröffnet am 28. September die neue Spielzeit. Na, gut: fast klassisch. Regisseurin Susanne Schmelcher („Automatenbüffet“) hat sich auf die Suche nach den Anfängen der von Schauspielern und Dramaturgen ins Leben gerufenen Bühne begeben – und ist dabei auf einen Gemeinschaftsgedanken gestoßen, der den heutigen Überlegungen erstaunlich ähnlich sieht. Nun sollen sich in drei Teilen – um 15, 17.30 und 20 Uhr – Protagonisten aus der Geschichte des Bauturms über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Theaters austauschen.
Ein Abend über Kölner Frauen – von Kaiserin Agrippina bis zu Marie-Luise Nikuta
Susanne Pätzold, die den Festakt zusammen mit dem Trägervereinsvorsitzenden Hans-Georg Bögner moderieren wird, gestaltet zusammen mit Franco Melis und Nicole Kersten im Frühjahr 2024 einen humoresken Abend zur Geschichte der Frauen in Köln, von Kaiserin Agrippina bis zu Marie-Luise Nikuta: „Hexe – Heldin – Herrenwitz“.
Schon in der ersten eigenen Stückentwicklung „Von Käfern und Menschen“ kommen Kölnerinnen und Kölner zu Wort: Otto, der im 4. Jahrhundert auf der Flucht vor den Hunnen ums Leben gekommen ist, Friedrich Wilhelm August Schmitt, in der Schlacht gegen napoleonische Truppen gefallen, und die Grundschullehrerin Barbara Stölz, die soeben einen tödlichen Fahrradunfall erlitten hat, treffen sich unter der Erde, sie sind, wie Donna Haraway sagen würde, Humus. Der Kompost aus Mensch, Bakterien und tausend anderen Dingen, aus dem erst wieder Neues entstehen kann.
Regie führt Kathrin Mayr, Frederik Werth, der hier für Video verantwortlich zeichnet, wird im Mai dann Emily Brontës „Wuthering Heights“ auf die Bühne bringen und eine Brücke schlagen vom Antihelden des Romans, Heathcliff, einer mutmaßlichen Person of Color, zu Rassismus-Erfahrungen im Köln der 19. Jahrhunderts.
Allen Menschen, die in den Bauturm finden, glaubt Leky, ist gemein, dass ihnen die Dinge nicht egal sind. Sprich, dass sie mit dem Ist-Zustand unzufrieden sind: So wird sich Jemima Rose Dean, vormals Mitglied beim Ballet of Difference, in einem Tanzsolo als „The Feral Womxn“ präsentieren, als verwildernde Frau, während Dalia Schächter, Kammersängerin der Oper Köln, ihren Einstand auf der kleinen Bühne mit einer wilden Revue über Komponisten der jüdischen Diaspora gibt. Und Moe Sabbah, Kino-Regisseur aus Beirut, wird eine Reihe mit Filmen kuratieren, die alternative Gemeinschaftsformen aus der ganzen Welt zeigen.