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Kölner Kammerorchester„Händels Messiah“ mit ganz eigenem Stil dirigiert

Lesezeit 3 Minuten
Domkapellmeister Eberhard Metternich (Archivbild)

Domkapellmeister Eberhard Metternich (Archivbild)

Domkapellmeister Eberhard Metternich dirigierte Händels „Messiah“ in der Kölner Philharmonie.

Eine Ära nähert sich ihrem Ende: Im September des laufenden Jahres geht Eberhard Metternich nach 38 Jahren als Kölner Domkapellmeister in den Ruhestand. Derzeit befindet er sich in Köln sozusagen auf Abschiedstournee. Zu der gehörte auch das Dirigat von Händels „Messiah“ im Rahmen der Aboreihe des Kölner Kammerorchesters in der Philharmonie am gestrigen Sonntagmorgen. Nach dem Konzert wissen die, die dabei waren, vielleicht noch besser als vorher, was sie demnächst vermissen werden – der Nachfolger wird in große Fußstapfen treten.

Tatsächlich hat Metternich wie kaum einer seiner Vorgänger über die Domkirche hinaus in die Musikszene der Stadt hinein gewirkt und sie als Chorleiter auch geprägt – unter anderem immer wieder als Dirigent des von ihm 1996 gegründeten Vokalensembles am Kölner Dom. Das versah jetzt auch den einschlägigen Part im „Messiah“ – dem der Chor recht eigentlich das dramaturgische Rückgrat einzieht, er hat ja nicht nur das „Halleluja“ zu singen.

Der Hörer darf vermuten, dass ihm, wenn diese Formation auftritt, Metternichs Vorstellungen von einem idealen Chorklang mehr oder weniger eins zu eins vermittelt wird. Das ist ein runder, satter, schöner, entspannter, dabei alles andere als konturloser Klang, den man jetzt in seinen unterschiedlichen Ausprägungen wieder bewundern konnte. Die lockere Polyphonie in den Chören des ersten, des Weihnachtsteils, zeitigte etwa ein treffliches motivisches Pingpong-Spiel zwischen den Stimmgruppen, sozusagen ein raumerschließendes quadrophones Gespräch. Dass Metternich die Stimmen überkreuz angeordnet hatte – der Chorbass über dem Sopran, der Tenor über dem Alt –, beförderte womöglich noch Transparenz und gestische Plastizität. Die Intonation war vorzüglich, auch das Dissonanzbewusstsein. Einsätze und Koloraturen waren stets gut gestützt, nur ganz gelegentlich gab es ein paar nicht wirklich gegriffene Spitzen.

Bei all dem hat Metternich seinen ganz eigenen Stil, der sich von den Barock-Usancen der Historischen Aufführungspraxis und ihrer forcierten Klangrede unterscheidet. Während dort die Anfangsworte der Fuge „And with his stripes“ tatsächlich wie Peitschenschläge zu kommen pflegen, fügte Metternich das komplette Thema unter einen großen Legato-Bogen. Das Ergebnis war dann auch weniger eine Klangrede als vielmehr eine deutliche Anmutung an die A-cappella-Polyphonie Palestrinas. Ähnlich erging es – nicht dem angemessen beschwingt musizierten „Halleluja“, sondern – dem Schlusschor, dessen finaler Steigerung das gemächliche Grundtempo indes nicht im Weg stand.

Bemerkenswerte lyrische Innigkeit der Musik

Metternich ist kein Mann extremer Zuspitzung, er entfacht kein ständig loderndes Feuer. Tut er diesbezüglich auch schon mal zu wenig – etwa bei der Aufruhr-Arie „Why do the nations“? Vielleicht, aber der Hörer wird immer wieder entschädigt: durch eine genaue Dramaturgie von Spannung und Lösung und eine bemerkenswerte lyrische Innigkeit der Musik zumal in den langsameren Sätzen.

Das Kölner Kammerorchester versah all seine Aufgaben bis in die Continuo-Gruppe hinein mit gediegener Professionalität, und auch die Vokalsolisten konnten weithin erfreuen. Die Sopranistin Marie Heeschen sang etwas extrovertierter als die Mezzosopranistin Elvira Bill, die eine wunderbar warm timbrierte lyrische Stimme hat und auch hochmusikalisch ist, sich leider im großen Raum nicht immer durchsetzen kann. Der Tenor Sebastian Kohlhepp startete bei „Comfort ye“ mit Intonationsmängeln, gefiel dann aber vor allem in den ruhigeren Arien mit einer stilangemessenen Expressivität. Matthias Winckhler überzeugte mit einer sonor-raumfüllenden Bassstimme und schön-beweglichen Koloraturen.

Musiziert wurde nicht die Dubliner Urfassung, sondern eine der späteren und opulenteren (etwa mit Hörnern bestückten) Londoner Fassungen. Dieser Tatsache war es jetzt zu verdanken, dass bei der Engelsverkündigung im ersten Teil ein Knabensolist zum Einsatz kam: Anton Schmitz aus Metternichs Domchor. Der sang seine Partie aus der Höhe der Philharmonie so glockenrein, intensiv, anrührend und verständig, dass man nur hoffen kann, dieses Potenzial möge mit dem Stimmbruch nicht verloren gehen.