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Duncan Ward in der Kölner PhilharmonieAls Dvořák die Romantik nochmal aufleben ließ

Lesezeit 2 Minuten
Zu sehen ist Duncan Ward. Er dirigiert mit den Händen. Er trägt einen dunklen Rollkragenpullover und eine Jeans. Im Hintergrund einige Säulen, Kronleuchter und verzierte pfirsichfarbene Wände.

Dirigent Duncan Ward

Duncan Ward dirigierte in der Kölner Philharmonie zwei Hornkonzerte und Werke von Antonin Dvořák.

Klassik und Romantik waren längst vorüber, als Antonin Dvořák sie Ende des 19. Jahrhunderts nochmals aufleben ließ. Seine 1896 komponierten sinfonischen Dichtungen nach tschechischen Volksballaden „Die Waldtaube“ und „Das goldene Spinnrad“ hätte in den 1840er Jahren schon Schumann komponieren können. Die programmatischen Topoi wirken neben Musik der Modernisten Mahler, Strauss und Debussy ironisch überzeichnet. Statt Märchen meint man groteske Gothic-Cartoons zu hören.

Dvořáks „Waldtaube“ in der Kölner Philharmonie

In der „Waldtaube“ vergiftet eine Frau ihren Gatten und betrauert diesen zum Schein während des Trauermarschs mit wimmernden Violinen. Zugleich liebäugelt die Dame bereits mit dem keck dazwischen blasenden Trompeter. Flirrende Trillern lassen beider Liebe erblühen, so dass man schon bald Hochzeit mit schwungvollen Tänzen feiert. Später kippt dieselbe Trillerfläche jedoch ins Tragische. Auf dem Grab des Ermordeten klagt eine Bassklarinette als gurrende Waldtaube und die Frau stürzt sich in bittere Reue und Selbstmord. Ihre Untat ist damit gesühnt und das Stück findet seinen celesten Verklärungsschluss.

Mehr schwarze Burleske als Tragödie ist auch Dvořáks „Spinnrad“. Zu Fanfaren der Hörner reitet ein König durch den Wald; da zeigen zarte Flöten und Violinen eine liebreizende Maid am Wegesrand; deren böse Stiefmutter verstümmelt die Schöne aber mit zackigen Akkorden; dem König wird eine falsche Braut untergejubelt; es kommt zur pompösen Heirat samt böhmischem Tanz-Potpourri; zitternde Tremoli entlarven die Bluttat; mit der Glaubenskraft eines Posaunenchors belebt ein Zauberer die zerstückelte Jungfer zu neuem Leben; endlich kommt es zum richtigen Hochzeitsmarsch; und wenn sie nicht gestorben sind, so schwelgen sie noch heute.

Duncan Ward und Ben Goldschneider in Köln zu Gast

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen unter Leitung des jungen britischen Dirigenten Duncan Ward rahmte mit Dvořák zwei von Hornist Ben Goldscheider geblasene Konzerte. Der junge Londoner ECHO Rising Star der Saison 2021/22 und Solohornist des West-Eastern Divan Orchestra spielte Mozarts zweites Hornkonzert Es-Dur KV 495 ebenso brillant wie elegant im lebendigen Dialog mit dem fein artikulierenden Orchester. Zur deutschen Erstaufführung brachte er dann das Horn Concerto des 1976 geborenen walisischen Komponisten Huw Watkins.

Die tonale Machart des 2023 entstandenen Werks gleicht der Neo-Klassik der 1930er Jahre, als habe sich die Welt seitdem nicht weitergedreht. Einem kapriziösen Allegro folgt ein kantables Lento samt tänzerisch-bewegtem Mittelteil. Das munter galoppierende Finale hält kurz inne, um neuen Anlauf für den umso rasanteren Endspurt zu nehmen. Der Hornist spielte ausgezeichnet, obwohl auch ihm auf der „Glücksspirale“ einige Gickser unterliefen. Thematisch, gedanklich und formal blass bot diese Musik umso mehr schmelzende Harmonien und zuckrige Instrumentation. Arnold Schönberg hätte es „The blessing of the dressing“ genannt.