Der Meisterbratscher Antoine Tamestit gastierte mit einem Barockprogramm in Köln und überzeugte nur als Komiker nicht.
Konzert in der Kölner PhilharmonieBei Antoine Tamestit kann sogar die Bratsche feurig sein
![Antoine Tamestit schaut in die Kamera.](https://static.ksta.de/__images/2024/01/30/029db060-ade2-4c77-86c2-edfbeaed51e6.jpeg?q=75&q=70&rect=0,301,3943,2218&w=2000&h=2000&fm=jpeg&s=f82100a9b3e2c7be15781bd89168de4c)
Antoine Tamestit war in der Kölner Philharmonie zu Gast.
Copyright: Philippe Matsas
Bratscherwitze haben in Musikerkreisen etwa denselben Stellenwert, den früher mal die allbekannten Ostfriesenwitze hatten. Die einzigen Musiker, die solche Witze vom Podium herab erzählen dürfen, sind naturgemäß die Bratscher selbst. Auch Antoine Tamestit hatte in der Philharmonie einen Bratscherwitz parat, der allerdings nicht so gut war, dass man ihn hier nacherzählen müsste. Immerhin: Der französische Meisterbratscher, der einige Jahre lang auch als Professor an der Kölner Musikhochschule wirkte, ist ein so unanfechtbar bravouröser, technisch sattelfester und ideenreich gestaltender Künstler, dass er sich gefahrlos auf das Glatteis der Selbstironie begeben kann.
Dem – vorsichtig gesagt – etwas verhaltenen Ansehen des Instruments entsprechend sind die verfügbaren Solokonzerte für die Bratsche überschaubar. Besonders mau sieht es im Barock aus. Was Antoine Tamesit und die Akademie für Alte Musik Berlin unter Leitung ihres Konzertmeisters Bernhard Forck hier zusammengetragen hatten, war schon so ungefähr der gesamte Bestand der Epoche. Neben dem berühmten, ausgesprochen eingängigen G-Dur-Konzert von Telemann erklang ein im französischen Stil gehaltenes Konzert für zwei Bratschen des gleichen Meisters. Bachs Brandenburgisches Konzert Nr. 6 (eher ein Kammermusikstück mit konzertanten Zügen) war gleichfalls vertreten, daneben eine Bearbeitung der Gambensonate BWV 1029 für die gleiche Besetzung.
Beim Telemann-Konzert hob sich Tamesits Spiel nur schwach gegen das begleitende Ensemble ab
Im Vergleich zur Geige fehlt es der Bratsche nicht an Klangvolumen, wohl aber an Brillanz, besonders in der Höhe. So hob sich Antoine Tamestits Spiel im Telemann-Konzert bei aller gestischen Lebendigkeit nur schwach gegen das begleitende Ensemble ab. Hatte man sich an diese reduzierte Plastizität gewöhnt, war indes alles da, alle Flexibilität des Tons, alle Verzierungsfantasie, alle feurige Virtuosität, vor allem im ausgesprochen rasant genommenen Finale.
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Bei den Werken mit doppeltem Solopart trat der rumänische Bratscher Alexandru-Mihai Bota aus dem Orchester an Tamestits Seite. Was Spielwitz und federnde Rhythmik betraf, musizierten die beiden durchaus im gleichen Geiste, wobei man angesichts des temperamentvollen Zugriffs gelegentliche Unsauberkeiten gerne verzeiht. Insgesamt wirkten die langsamen Sätze deutlich schwächer, da spielten die beiden eher miteinander als für den Saal. Schlicht hinreißend war dagegen die verzahnte Motorik in den Rahmensätzen des Brandenburgischen Konzerts – da wurden die komplexen polyphonen Strukturen rückstandsfrei in Tanzenergie und Körperschwung übersetzt.
Ohne exponierte Bratschenpartien kamen Händels Concerto grosso op. 6/10 und eine „Ouverture burlesque“ von Telemann aus, deren Sätze den zentralen Figuren der Commedia dell’arte gewidmet sind. Was der Komponist im schlichten vierstimmigen Streichersatz notiert hat, wurde durch raffinierte Wechsel der Spielweise und Artikulation, durch starke dynamische Kontraste und unvermittelte Temposprünge farbig aufgepeppt – ein tönendes italienisches Straßenfest von unwiderstehlichem Charme.