Julia Fischer gab in der Kölner Philharmonie ihren Einstand beim WDR Sinfonieorchester. Doch ihr Auftritt stand unter unglücklichem Stern.
WDR-Orchester in der PhilharmonieGeigerin Julia Fischer ist ein Weltstar, aber in Köln sprang kein Funken über
Kaum zu glauben, aber wahr: Julia Fischer, neben Anne-Sophie Mutter Deutschlands internationale Vorzeige-Geigerin, hat bis zu diesem Wochenende noch nie mit dem WDR Sinfonieorchester zusammengespielt. Im jüngsten Abokonzert in der Kölner Philharmonie unter Chefdirigent Cristian Măcelaru war es dann endlich so weit – was an sich Anlass zu großer Freude hätte sein müssen. Zu der reicht es allerdings im Rückblick nicht, zu konstatieren ist leider, dass der Auftritt unter einem eher unglücklichen Stern stand. In verschiedener Hinsicht.
Warum in aller Welt ist die Künstlerin nicht mit einem der großen romantischen Konzerte, sondern mit einer gestückelten Agenda sozusagen durch die Hintertür aufs Podium gekommen? Tschaikowskys Sérénade mélancholique und Josef Suks g-Moll-Fantasie waren, wie zu hören ist, ihre ausdrückliche Wahl, aber das macht die Sache nicht besser. Zumal das nicht sehr geläufige, dabei technisch höchst anspruchsvolle Stück des Dvorák-Schwiegersohns (der, auch das kaum zu glauben, mit Schönberg das Geburtsjahr 1874 teilt) vermag musikalisch nicht zu überzeugen: Suk reiht fast potpourriartig immer neue folkloristisch inspirierte Themen aneinander, ohne dass das Ganze zu einer konzisen gestalterischen Einheit fände. Auch Măcelarus Dirigat vermochte diese Einheit dramaturgisch nicht zu vermitteln und herzustellen.
Julia Fischer fehlte es einfach an musikantischem Überschwang
Vor allem aber war bei der Solistin eine emotionale Distanz spürbar, die ausgerechnet diesem Stück nicht gut bekommt – und auch dafür sorgte, dass da kein Funken auf die Zuhörer übersprang. Glasklare Tongebung mit wenig Vibrato, ein rhythmisch ziemlich „straightes“ Spiel, ein Verzicht auf Schleifer und Portamenti, auf geigerische „Allüren“, wenn man so will – in einem anderen Repertoire wären das preiswürdige Tugenden, Ausweise jener rigorosen künstlerischen Ernsthaftigkeit, für die Fischer wie kaum jemand anderes in ihrem Metier steht.
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Ausgerechnet in der Suk-Fantasie sind sie es nicht. Es fehlte bei der Solistin einfach eine Portion musikantischer Überschwang, auch eine Prise wohlverstandener Sentimentalität. Dieses Fehlen hatte ansatzweise bereits bei Tschaikowsky gestört, wo Fischer immerhin mit ihrem dunklen, bratschen-nahen Gesang auf der G-Saite zu berücken verstand. Besonders „melancholisch“ kam die Musik trotzdem nicht herüber. Die Zugabe, ein Bartók-Duo im Verein mit dem gelernten Geiger Măcelaru, war dann ein temperamentvolles Schmankerl zum Ausklang.
Leider wurde es nach der Pause, mit Dvoráks siebter Sinfonie, nur graduell besser. Verve, Druck und Feuer waren der Darbietung nicht abzusprechen, aber sie sind halt auch nicht alles. Die typische Wärme des romantisch-böhmischen Orchesterklangs wich hier immer wieder einem eher offenen, aggressiven Grundsound, einer Atmosphäre ständiger Anspannung, die mitunter auch auf die Spielqualität durchschlug, etwa auf die überdrückenden Geigen, und zu reichlich groben und im Ergebnis nur noch lauten Ekstasen führte. Ein Beispiel: das Accelerando in der Coda des ersten Satzes. Dvorák schreibt vor, dass es sich „poco a poco“ zu entwickeln habe. Jetzt aber kam es überfallartig, überstürzt, fast panisch.
Glücklicherweise führte die Tanz-Zugabe – die Polka aus Dvoráks Tschechischer Suite – dann vor, dass dem Orchester die Gefilde beschaulich-freundlicher Ruhe und Gelassenheit durchaus offenstehen. Etwas mehr davon hätte man auch zuvor gerne gehört.