Gleich zwei Quartette traten in der Kölner Philharmonie auf, um Werke von Mendelssohn und Enescu aufzuführen.
Zwei Quartette in der Kölner PhilharmonieDieses Streichoktett macht Lust auf mehr
Streichoktette als feste Formationen gibt es nicht. Das ist kein Wunder, denn das Repertoire für die doppelte Quartettbesetzung ist schmal. Was es gibt, sind Mendelssohns frühgeniales opus 20 und das Oktett des ebenfalls noch jungen „Paris-Rumänen“ George Enescu. Weil diese Werke durch das Rost der etablierten Besetzungen fallen, werden sie vergleichsweise selten aufgeführt. Ein Jammer, denn es geht hier ja nicht nur um die Noten von großartigen Partituren, sondern auch um eine spezifische Klanglichkeit, die der achtstimmige kammermusikalische Satz für Streicher zeitigt. Es geht dabei um Schwelgen in der Fülle, um seraphischen Wohllaut, um die Attacke auf Ohren, Gemüt und Seele, kurzum: auf die Sinnlichkeit des Zuhörers.
Quartetto-Abend in der Kölner Philharmonie
Gelegentlich widmen sich ihnen für diese Stücke abgespeckte Kammerorchester, im jüngsten Quartetto-Abend in der Kölner Philharmonie ging man gleichsam den umgekehrten Weg: Zwei hochkarätige Streichquartett-Formationen, das Belcea Quartet und das Quatuor Ébène, hatten sich zusammengetan, um die Mendelssohn/Enescu-Kombination zu realisieren. Das überragende, den Saal zu Recht begeisternde Resultat verwies auf das Erfolgsgeheimnis dieser Herangehensweise: Die Erweiterung des Quartettprinzips lässt das Ganze echte Kammermusik bleiben, die ihre Faszination aus der Spannung von Individualität und Integration bezieht – die acht Spieler sind dann eben anderes und mehr als ein reduziertes Streichorchester.
Corina Belceas Sound dominiert das Gesamtgeschehen
Das zeigte gleich der Mendelssohn-Eröffnungssatz, in dem das markante Pulsieren der Synkopen für ständige latente Spannung sorgte und das initiale Dreiklangsthema in den Tiefen der Partitur auch dann hörbar war, wenn sich oben anderes begab. Schmelz, Glanz, Esprit, das Brio einer typisch romantischen Polyphonie – all dies kam schier im Übermaß, grundiert von einer genauen Dramaturgie des Wechsels von Bewegung und Stillstand, Entfernung und Annäherung, Lyrik und Drama. Und großartige Effekte stellten sich immer wieder ein, wenn sich die Quellflüsse der acht Instrumente gleichsam zum Strom vereinigten.
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Zwischen Mendelssohn und Enescu wechselten die Mitglieder der beiden Quartette, dem Prinzip künstlerischer Gleichberechtigung genügend, ihre Positionen – mit einer bezeichnenden Ausnahme: Corina Belcea verharrte auf dem Platz der Primaria (gilt der Begriff eigentlich auch für die Oktettformation?). Klar, sie lässt sich wohl von Haus aus nicht gern die Butter vom Brot nehmen, gibt selbstbewusst die Hausherrin. Der energische, dichte Sound ihrer Guadagnini-Violine dringt immer und überall durch, dominiert – leicht – das Gesamtgeschehen.
Wenig Repertoire abseits von Mendelssohn und Enescu
Aber wer kann dagegen ernsthaft etwas haben, wenn sich die Performance mit einer derart selbstverständlichen Brillanz, mit dem Sprechen und Singen der von innen belebten Phrase verbindet? In Enescus mit kontrapunktischen Künsten gespickten Oktett (das dazu im permanenten Wechsel von großer und kleiner Terz wohl rumänisch-volksmusikalische Einflüsse zeigt) hatte sie dann freilich in „ihrem“ Bratschisten Krzystof Chorzelski vom Kanon im ersten Satz an einen kongenialen Spannpartner.
Wie gesagt, das Repertoire für die Besetzung ist schmal. Wer jenseits von Mendelssohn und Enescu sucht (Louis Spohr schrieb Doppelquartette, aber keine echten Oktette), sieht sich schnell an Bearbeitungen verwiesen. Eine solche – sehr klangvolle, berückende und auch erschütternde – spielten die Gäste als Zugabe: das „In paradisum“ aus dem Requiem von Gabriel Fauré.