Die Anforderungen von Johannes Brahms Werk sind hoch – doch der Bariton und der Pianist haben in der Kölner Philharmonie gezeigt, dass sie der Aufgabe gewachsen sind.
Liederabend in der Kölner PhilharmonieChristian Gerhaher und Gerold Huber verschmelzen zu vokal-instrumentalem Großinstrument
Liebesschmerz, Regen, Abschied, Gräber, das herbstliche Sterben der Natur – keine Frage, das sind zentrale Themen der Brahms’schen Liedlyrik. Und wenn sie so bewusst gestaltende Künstler wie der Bariton Christian Gerhaher und sein Begleiter Gerold Huber wie jetzt in ihrem ausschließlich dem deutschen Romantiker gewidmeten Kölner philharmonischen Liederabend am Donnerstag (25. Januar) noch akzentuieren, dann hat das Sinn, Bedeutsamkeit und eine starke Aussage.
Das gilt gerade dann, wenn die einschlägige Auswahl auf die Länge beim Zuhörer – im sich ankündigenden Vorfrühling und kurz vor Karneval – auch depressive Stimmungen zu triggern vermag. Das Gegengewicht schuf freilich allemal die reine Kunstleistung, die ein Glück eigener Art auch da stiftet, wo die Gegenstände der vertonten Lyrik in einem Meer von Trauer versinken.
Gerhaher und Huber sind den Brahms'schen Anforderungen gewachsen
Und Melancholie ist bei Brahms eben alles andere als eintönig, ruft in der Klanggebung wie in der kompositorischen Faktur immer neue Farben und Figuren zwischen weitgespannter Klage, Marsch, Walzer und Choral auf. Deren Gestaltungsanforderungen sind Gerhaher und Huber wie eh und je in einem hoch beeindruckenden Maß gewachsen.
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Beide begannen ihren Reigen, der sich durch sämtliche Schaffensperioden zog und zwei Schwerpunkte in den Liedern und Gesängen des Opus 32 und des Opus 59 fand, mit teils modalen Volksliedklängen – in „Sehnsucht“, „Der Überläufer“, „Vor dem Fenster“ und „Von ewiger Liebe“. Solchermaßen legten sie die Wurzeln dieser Liedkunst frei, von denen sich Harmonik, Form und Phrasenbildung dann freilich entfernen, ohne sie doch zu verleugnen.
Ihr Pendant findet dieses Prinzip in Gerhahers grandios-bescheidener „Nicht-Mache“, im Unmanierierten und Unprätentiösen seiner Performance. Dabei macht die lapidare Klarheit und „Ehrlichkeit“ des tenoral ausgerichteten Baritons, der „oben“ geschmeidig die Kopfregister einmischt und in der Mitte mühelos expandieren kann, ja leicht die Kunstanstrengung vergessen, die hier investiert wird.
Im besten Fall löst sie sich in zweite Natur auf. Viel geschieht über die genaue Vokalfärbung, die strikt der Ausdrucksdifferenzierung dienstbar gemacht wird. Das merkt man an strophisch angelegten Liedern, wenn der geänderte Text die mehr oder weniger identische Musik auf einmal in einem völlig veränderten Licht erschienen lässt.
Gerhahers Auftritt in der Philharmonie wäre ohne seine Begleitung durch Huber kaum denkbar
Mitunter deckelt Gerhaher seine Stimme markant, dann wieder singt er gleichsam hinter den Zähnen, oder der Vortrag fällt in eine gespenstische Tonlosigkeit. Zuweilen kommt der lyrische Ton darüber etwas zu kurz, aber der Einsatz der gestischen Mittel im Dienst der Expression ist allemal imposant genug.
Wenn dieses Singen ohne Fallnetz einen Preis hat, dann ist es der, dass auch nur momenthafte Schwächen nicht kaschiert werden können. Ein kurzes Nachlassen der Spannung, und ein Auftakt bleibt unterbelichtet oder die Intonation schwankt.
Wie auch immer: Gerhahers Auftritt ist in dieser Qualität kaum denkbar ohne die dienend-aktive Rolle seines Pianisten, die mit herkömmlicher „Begleitung“ wenig zu tun hat. Wer sich als Hörer zwischendurch auf den Klavierpart konzentrierte, der konnte erleben, was Huber als kongenialer Partner da zuwege bringt.
Wie er gleichsam das Bett bereitet, in das sich Gerhaher dann legen kann. Und trotzdem sein Eigenes behauptet, etwa wenn sich die Klavierphrase, unbeeindruckt vom Schlusston des Sängers, über diesen hinaus ins Nachspiel begibt. Das ist in der Partitur vorgegeben, aber es muss auch bewusst realisiert werden. Da findet wechselseitige Erfüllung im Höchstmaß statt, da verschmelzen beide zu einem einzigen vokal-instrumentalen Großinstrument.