Igor Levit trat mit den Berliner Barock Solisten in der Kölner Philharmonie auf. Stücke ohne den Star am Flügel konnten nicht restlos überzeugen.
Igor Levit in der Kölner PhilharmonieOhne den Star am Flügel fehlt etwas

Igor Levit bei dem Internationales Klassikfestival im Kurhaus Bad Wörishofen im Unterallgäu
Copyright: IMAGO/MiS/Bernd Feil
Mit der Zugabe – Brahms´ Intermezzo opus 118/2 – kam Igor Levit dann in der „richtigen“ Romantik an. Denn nach Romantik – mindestens: nach dem Weg dorthin – hatte es im Kölner philharmonischen Meisterkonzert mit Musik der Bach-Familie bereits vorher geklungen: in Carl Philipp Emanuel Bachs Klavierkonzert Wq 23 und im legendären Konzert BWV 1052 von Johann Sebastian Bach, also definitiv „vorromantischen“ Werken.
Nicht nur hatte Levit hier mit der Kultivierung einer spezifisch klavieristischen Ausdrucksform (inklusive eines vergleichsweise üppigen Pedalgebrauchs) und einer Dramaturgie, die das Verdämmern und Verlöschen einschloss, alle Anklänge ans Cembalo rigoros vermieden. Vielmehr wuchs der Aufführung immer wieder, also nicht nur in den Kadenzen, eine ausladende Expressivität zu, die Stilpuristen Anlass zum Mäkeln geben könnte. Indes zeigte zumal die Interpretation der Mittelsätze, dass diese Freiheit des Zugangs Perspektiven und Intensitäten zu erschließen vermag, die wohl kaum einen Zuhörer unberührt lassen.
Igor Levit tritt mit den Berliner Barock Solisten auf
Die Konfrontation des Klaviers mit den begleitenden Streichern der Berliner Barock Solisten (unter ihrem Konzertmeister Willi Zimmermann) in dem Werk des Sohnes etwa wurde in einer Weise poetisch-klangrednerisch aufgeladen, dass die Assoziation an den Mittelsatz von Beethovens viertem Klavierkonzert samt seiner seit langem etablierten szenischen Deutung im Sinne von „Orpheus und die Furien“ schier unausweichlich wurde. Und das Verhältnis von metrisch konziser Bassfiguration und frei ausschwingender kantabler Oberstimme schien Levit in einer bereits auf Chopin vorausdeutenden Art zu gestalten.
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Entsprechendes geschah auch im Mittelsatz des Vater-Konzerts, in dem sich das Solo über einem passacaglia-haften Orchesterthema entfaltet. Er geriet diesmal zu nicht weniger als einer beklemmenden tragischen Opernszene. Pianistisch wurde der Solist durch seine Agenda zweifellos bei weitem unterfordert. Umso mehr verdient der rein musikalische Input Bewunderung, der hier ins Werk gesetzt wurde.
Konzert in der Kölner Philharmonie überzeugt nicht restlos
Ab gegenüber den Stücken mit Levit-Beteiligung fiel die Sektion des Abends, die allein von den Barock Solisten bestritten wurde – einer historisch informiert, aber auf modernen Instrumenten spielenden Formation, deren Mitglieder auch die in der Alte Musik-Szene mitunter beheimatete „Ausdruckswut“ nicht pflegen. Leichte Spiel- und Klangmängel zumal in der ersten Hälfte spielten da genauso eine Rolle wie die etwas fragwürdige Programmwahl. Streichersinfonien der Söhne Wilhelm Friedemann und, wiederum, Carl Philipp Emanuel wollten von der Substanz her nicht recht überzeugen – welcher Vorwurf den Kompositionen von Vater Johann Sebastian selbstredend nicht gemacht werden kann.
Aber auf die Schnapsidee, aus dem organisch entwickelten Kosmos der „Kunst der Fuge“ den ersten und den unvollendeten letzten Contrapunctus herauszuschneiden (letzteren samt dem transkribierten Orgelchoral BWV 668 aus der Erstausgabe), muss man erst mal kommen. Besser „isolierbar“ ist zweifellos das sechsstimmige Ricercar aus dem „Musikalischen Opfer“, dem hier immerhin eine auch in der subtilen Steigerungsdramaturgie eindringliche Darstellung zuteilwurde.