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Mahler Chamber Orchestra in der PhilharmonieElim Chan dirigiert frei von überflüssiger Pathetik

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Dirigentin Elim Chan

Dirigentin Elim Chan

In der Kölner Philharmonie dirigierte Elim Chan die Aufführungen des Mahler Chamber Orchestra – das mit vielen Tempo- und Charakterwechseln glänzte.

Der Anfang von Dimitrij Schostakowitschs zweitem Klavierkonzert F-Dur wiegt mit altbewährtem Formmodell in Sicherheit: Einem agil vorandrängenden ersten Thema folgt ein lyrisches zweites. Der neoklassizistischen Exposition schließt sich dann jedoch eine davon weitgehend unabhängige, kraftvoll stampfende Durchführung an. Nach verkürzter Reprise ist der knappe Kopfsatz auch schon zu Ende. Im neoromantischen Andante à la Chopin singt das Klavier verträumt über melancholisch verdunkeltem Streichersatz.

Die Schlusstöne führen direkt attacca ins tändelnde Final-Allegro und nach kaum 20 Minuten ist das 1957 von Schostakowitsch für seinen 19-jährigen Sohn komponierte „populäre Jugendkonzert“ auch schon wieder verrauscht. Beim Gastspiel des Mahler Chamber Orchestra spielte den Solopart Anna Vinnitskaya, auswendig, mit brillanter Geläufigkeit und packender Anschlagkraft. Über weite Strecken werden beide Hände parallel geführt und schnelle Doppeloktav-Gänge kraftvoll auf die Tasten gehämmert. Die 1983 geborene russische Pianistin studierte unter anderem an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg, an der sie seit 2009 selbst lehrt.

Das Orchester ist klassisch besetzt

Das Orchester ist mit vier Hörnern, Holzbläser-Pärchen und Streichorchester klassisch besetzt. Lediglich Pikkolo-Flöte und rasselnde Kleine Trommel gehen darüber hinaus. Dagegen vergrößerte Sergej Prokofjew den Apparat seiner fünften Sinfonie zum spätromantischen Strauss-Orchester mit vierfachen Bläsern, Klavier, zwei Harfen und sechs Schlagzeugern. Gleich zu Beginn des im Januar 1945 uraufgeführten Werks ertönt ein erwartungsvoll in die Höhe sich reckendes Hauptthema, das dunkle Bassschritte kontrapunktieren. Im Widerstreit der Kräfte obsiegt schließlich die Zuversicht.

Das tänzerisch-hektische Perpetuum Mobile des zweiten Satzes legt im Mittelteil seine repetitive Mechanik plötzlich durch uhrwerkartiges Ticken offen. Dieselbe motorische Kraft steigert der dritte Satz zu kriegerisch-brutalem Stampfen und schreienden Blechbläsern. Der vor 80 Jahren erwartbare Sieg der Sowjetarmee über Nazi-Deutschland war eben auch erkauft durch einen entsetzlichen Krieg. Das quirlige Finale „Allegro giocoso“ greift endlich das siegreiche Thema des Kopfsatzes erneut auf und setzt der Sinfonie die Triumphkrone auf.

Elim Chan leitet mit bestimmender Impulsivität

Elim Chan leitete die Aufführungen ebenso unprätentiös wie souverän, mit bestimmender Impulsivität und vorausschauender Gestaltungskraft. Frei von überflüssiger Gestik und Pathetik fokussierte die 1986 in Hongkong geborene und in den USA ausgebildete Dirigentin ihre Interpretation allerdings etwas einseitig auf die musikantische Motorik, rhythmische und klangliche Brutalität von Prokofjews Musik, sodass kantable Momente zu kurz kamen.

Das Mahler Chamber Orchestra glänzte mit vielen präzisen Tempo- und Charakterwechseln sowie schönen Soli von Flöte, Klarinette, Horn und Trompete. Die Solistinnen und Solisten spielten dann als kammermusikalische Zugaben der MCO-Academy jeweils noch ein Blech-, Holzbläser- und Klavierquintett von Victor Ewald, György Ligeti und Mieczysław.