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Moderator kritisiert MedienMarkus Lanz über Sylt-Rassisten: „Das sind keine Nazis“

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Markus Lanz sitzt bei der Moderation seiner gleichnamigen Sendung im Studio (Archivbild)

Markus Lanz sitzt bei der Moderation seiner gleichnamigen Sendung im Studio (Archivbild)

Markus Lanz schockiert der Vorfall auf Sylt, die allgemeine Empörung allein bringe Deutschland in der Sache nicht weiter, meinen seine Gäste.

Markus Lanz hat in seiner gleichnamigen Talkshow am Dienstagabend (28. Mai) den rassistischen Vorfall im Promilokal Pony auf Sylt thematisiert und mit mehreren Gästen über das viral gegangenen Video sowie dessen Folgen gesprochen. Zu Beginn der Sendung zeigt der ehemalige „Wetten dass...?“-Moderator das Video, das in Deutschland und auch darüber hinaus seit rund einer Woche von der Politik diskutiert wird und die Medienlandschaft dominiert.

Markus Lanz: Gäste sprechen über Rassismus-Eklat auf Sylt und dessen Folgen

Martin Huber (CSU) fühlt sich dadurch laut eigener Aussage an die 1990er Jahre erinnert, „an Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, an die Ausschreitungen, an Springerstiefel und Skinheads“. Er finde solche Aufnahmen „zutiefst schockierend und ekelhaft“. An den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen 1992 gegen die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) und ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter waren mehrere hundert rechtsextreme Randalierer beteiligt, in Hoyerswerda waren ein Jahr zuvor mehrere Wohnheime für Asylbewerber und Vertragsarbeiter angegriffen worden.

Politikwissenschaftlerin Gilda Sahebi bemängelt, dass zwar die Entrüstung in der Politik groß sei, der Erkenntnisgewinn und die Bereitschaft zur Selbstkritik aber gering. „Alle sind sich einig, wie schrecklich das ist. Sich aber zu überlegen, warum es so etwas gibt, wo so etwas herkommt und was man vielleicht selbst damit zu tun hat, das wurde überhaupt nicht gemacht.“ Insbesondere der Union unterstellt sie hier Scheinheiligkeit. Sie wünsche sich, dass sich die Politik auch mal anschaue, wo weniger offensichtliche rassistische Narrative lauern.

Moderator Markus Lanz kritisiert Rolle der Medien zu Rassismus-Video auf Sylt

Melanie Amann vom „Spiegel“ moniert, „wie sicher sich die Leute fühlen, wenn sie ihren Lifestyle-Rassismus ausleben“. Sie hätten „völlig schamlos“ gehandelt, die Journalistin führt das auch auf eine Diskussionskultur in der Politik zurück. Rassistische Narrative seien normalisiert worden, Vorbild sei hier die USA und Donald Trump, pflichtet ihr Gilda Sahebi bei.

Markus Lanz möchte im Themenkomplex Sylt auch über die Rolle der Medien sprechen. Die Menschen aus dem Video seien „sehr hart an den Pranger gestellt“ worden, das sei „kurz vor Lynchjustiz“. Er sei in den USA gewesen, als der Vorfall bekannt wurde und durch die deutschen Medien gegangen sei „und ich kann Ihnen sagen: Das Bild des hässlichen Nazi-Deutschland war aber ganz schnell wieder gemalt!“ Lanz wurde das Video offenbar zu hoch gekocht. „Das finde ich schwierig. Und da haben auch wir als Medien eine Verantwortung!“

Markus Lanz diskutiert mit Gilda Sahebi über Außenwirkung von Video-Skandal

Autorin Gilda Sahebi widerspricht. „Aha! Also Rassismus benennen sollte man nicht tun, weil dann könnte das Ausland …“ – nun hakt der Moderator ein. „Drehen Sie mir bitte nicht die Worte im Mund um!“, beschwert sich der Talkmaster verärgert, rudert anschließend aber zurück. Ihn schockiere, dass die Parolen von jungen Menschen kämen, „die wahrscheinlich irgendwas studiert“ hätten, möglicherweise im Ausland gewesen seien.

Dennoch finde er „den Begriff ‚Nazi‘ in diesem Zusammenhang schwierig. Das sind keine Nazis. Das sind Rassisten, oder Leute mit rassistischen Vorurteilen!“ Nun pflichtet ihm Sahebi bei. „Wenn man ‚Rassismus’ hört, denkt man sofort an die Nazis oder die Nazi-Keule. Das hat damit nichts zu tun!“

Einig ist sich die Runde darin, dass die entbrannte Debatte über das Thema „auch einen guten Effekt“ (Amann) haben könne. Dies allerdings gelänge nur, wenn man auf eine analytische Ebene käme. „Warum gibt es diese Dinge in unserer Gesellschaft? Die Aussage, gleich nach dem Strafrecht zu rufen, ist nicht sinnvoll. Das löst kein Problem“, so Rechtswissenschaftler Kai Ambos.

Analyse statt Empörung, so seine Forderung. Er sehe es sehr kritisch, wenn Politiker nun entrüstet ein hohes Strafmaß forderten, da eine Verurteilung noch nicht mal wahrscheinlich sei. „Ich sehe überhaupt keinen Straftatbestand verwirklicht“, so Ambos.