Mit den besten EmpfehlungenDas Kultur-Ressort gibt Geschenktipps zum Fest
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Literatur
Peter Zadek probt „Hamlet“ und alle flippen aus: Angela Winkler flieht gleich mehrmals in Panik vor der Titelrolle, Ulrich Wildgruber hadert mit seinen schwindenden Kräften. Klaus Pohl, damals der Horatio, hat den Wahnsinn in „Sein oder Nichtsein“ aufgeschrieben. Ein gnadenlos berauschender, sagenhaft unterhaltsamer Theaterroman!
Geht es in der öffentlichen Debatte um Identitätspolitik, ist das meist eine sehr ernste Angelegenheit. Mithu Sanyal hat mit ihrem Roman „Identitti“ (Hanser) bewiesen, dass man dem Thema auch sehr viel Komik abgewinnen und dennoch alle wichtigen Fragen ansprechen kann. Ein Lesespaß, der auch noch schlauer macht? Was will man mehr.
Ulf Erdmann Zieglers kluger neuer Roman handelt vom politischen Alltag zur Zeit des NSU-Untersuchungsausschusses mit fiktiven Doppelgängern von Philipp Rösler und Sebastian Edathy in wichtigen Nebenrollen. Seinen Titel „Eine andere Epoche“ trägt er aber vor allem, weil biografische Traumata in ihm – anders als heute – noch Privatsache sind.
Dinge zu horten ist in Zeiten von Minimalismus und nachhaltigem Konsum komplett unmodern. Umso sympathischer, dass Autor Haruki Murakami sich zu seiner Sammelleidenschaft bekennt und uns in einem Buch einen Blick auf seine beeindruckende T-Shirt-Sammlung gewährt, die auch sehr viele Geschichten über den Sammler selbst erzählt.
Die DDR als Lebensform verblasst mit dem Zeitabstand. Das ist schlecht, denn sie hält Lehren bereit, nicht vergessen werden sollten. Gut, dass wir eine Autorin wie die in Ostberlin geborene Jenny Erpenbeck haben, die sie uns auch in ihrem Roman „Kairos“ prall vergegenwärtigt: einer Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des politischen Untergangs.
Musik
Tia Cabral aus Oakland, Kalifornien veröffentlicht Musik unter dem schwer googlebaren Namen Spellling (mit drei „l“), die war bislang düster und elektronisch. Für „The Turning Wheel“ aber hat sie ein 31-köpfiges Orchester zusammengestellt und das Ergebnis ist ekstatisch, mitreißend, hippiemäßig verstrahlt, ein Disney-Soundtrack für dunkle Zeiten.
Carolin Kebekus hat vor einiger Zeit in ihrer Show darüber gesprochen, dass bei Festivals meist deutlich mehr Männer als Frauen auftreten. Und sie hat sich gleich mal drangemacht, das Problem zu lösen. Beim DCKS-Festival am 6. Juni im Kölner Tanzbrunnen stehen nur Frauen auf der Bühne, unter anderem Mine, Lea und die No Angels.
Mit dem Soundtrack zu „Lovers Rock“, der zweiten, grandiosen Folge aus Steve McQueens Fernsehserie „Small Axe“, ist es nicht getan. Man muss schon gesehen haben, wie sich die schwarzen Besucher einer Party im Takt der Lovers Rock getauften Reggae-Spielart wiegen, um die darin eingegrabene Sehnsucht nach Freiheit zu verstehen.
Die Attitüde ist Punk: Einfach mal machen. Bei Nell klingt das aber überhaupt nicht nach Punk sondern meist sphärisch-verträumt. Was auch an der Band The Flaming Lips liegt, den Mentoren Nells, die mit ihr ein Album mit Songs von Nick Cave aufgenommen haben. Eine Legende, die der kanadische Teenager vorher noch nicht mal kannte.
Das Beethoven-Jahr ist vorbei, das Bruckner-Jahr (200. Geburtstag 2024) dräut. Die Berliner Philharmoniker präsentieren in einer CD-Box Aufnahmen sämtlicher neun Sinfonien aus den vergangenen zehn Jahren – mit verschiedenen und allesamt hochkarätigen Dirigenten. Faszinierend, was man so alles mit und aus Bruckner machen kann.
Bildband
Das Cowboy-Leben als schwuler Fetisch-Traum, das kann man aktuell auch in Jane Campions gefeierten Western „Power of the Dog“ betrachten. Oder eben sehr viel kuscheliger im Lucky -Luke-Hommage-Band „Zarter Schmelz“. In dem huldigt der Kölner Star-Zeichner Ralf König dem Comic-Held seiner Kindheit auf liebenswert queere Weise.
In diesem Jahr endete die Ära Angela Merkel nach 16 Jahren Kanzlerschaft. Eine, die sie schon sehr viel länger mit der Kamera begleitet, ist Herlinde Koelbl. Ihre Porträts der CDU-Politikerin umspannen einen Zeitraum von 30 Jahren (1991-2021). Der Taschen Verlag hat diese Bilder nun veröffentlicht. Hier zeigt sich, wie Macht einen Menschen verändert.
Für einen Bildband liegt Anton Legners neues Buch sensationell gut in der Hand, was vielleicht auch deshalb so ist, weil darin mit der „Faszination Bergkristall“ ein eher kleines Thema der mittelalterlichen Kunstgeschichte beleuchtet wird. Aber Legner zeigt in diesem schön gestalteten Band, dass in den Steinen aus Licht eine große Erzählung steckt.
So ein Leben als Faultier scheint für einen Menschen im Vorweihnachtsstress paradiesisch: Einfach nur im Baum rumhängen... In der schönen Reihe „Naturkunden“ (Matthes & Seitz) ist jetzt eine Kulturgeschichte dieses Tiers erschienen, das uns heute als Entschleunigungs-Talent erscheint, aber nicht immer so beliebt war.
Hochofen und Barockschloss, Flachland und Mittelgebirge – NRW ist eine Region der Gegensätze. Kaum eine zutreffende Beschreibung, deren Gegenteil nicht ebenfalls säße. Helge Matthiesen (Text) und Florian Monheim (Fotos) lassen all das in einem Band aus dem Kölner Greven-Verlag („Nordrhein-Westfalen – Die Bilder“) lebendig werden.
Film/Serie
Trauen sich Ihre Lieben derzeit ins Kino, laden Sie zu einer Vorstellung von Steven Spielbergs „West Side Story“-Neuverfilmung ein. Ein mitreißenderes Leinwand-Erlebnis ist nicht zu haben. Fürs Sofa empfiehlt sich ein Bingewatch von Peter Jacksons Beatles-Doku „Get Back“. Schenken Sie einen Monat Disney+ und bringen Sie Tee und Toast mit!
Es gibt nicht viele Serien, die mit jeder Staffel immer besser werden. „Schitt’s Creek“ ist dieses Kunststück gelungen. Kaufen Sie sich am besten die DVD Box mit allen sechs Staffeln über die reiche Familie Rose, die nach ihrem finanziellen Ruin in einem Kaff einen Neustart versucht. Und dabei sehr viel über Liebe, Zusammenhalt und Freundschaft lernt.
Ich gebe zu, dies ist eine Empfehlung aus der Kategorie Oldies but Goldies. Aber vielleicht bin ich ja nicht der einzige Mensch, der sich köstlich über Larry Davids Sitcom „Curb Your Enthusiasm“ amüsierte, ohne die neun Staffeln von Davids legendärer Serie „Seinfeld“ zu kennen. Das hole ich gerade nach und kann es nur zur Nachahmung empfehlen.
Mit der tschechoslowakischen Fantasy-Serie „Märchenbraut“ beschenken Eltern, die in den 80ern groß wurden, nicht nur sich selbst, sondern ihre Kinder gleich mit. Mit viel skurrilem Humor wird erzählt, was passiert, wenn Märchenwelt und Realität durcheinander geraten. Jetzt gibt es eine digital restaurierte DVD-Box mit viel Zusatzmaterial.
Zugegeben, besonders originell ist die Empfehlung von Chloé Zhaos Film „Nomadland“ nicht – immerhin räumte er jüngst sechs Oscars ab. Er sei hier trotzdem nachdrücklich empfohlen, weil er das Genre Roadmovie genial erneuert: Es geht um Menschen am Limit – und auf einer Selbstsuche, deren Erfolg existenziell ungewiss ist.
Für Kinder
Zeichenpower: Für etwas mehr als 30 Euro bekommt man etwa schon einen Set mit 80 Graffiti-Stiften, nicht viel mehr kosten Sets mit Buntstiften in 72 Farben – und Fineliner in 12 Größen gibt es für 12 Euro. Das weihnachtliche Auspacken generiert fast immer ein Wow! Und mit Stift und Papier die Welt zu erfassen und zu erschaffen, das kann nicht falsch sein.
In der tollen Reihe „Good Night Stories for Rebell Girls“ geht es im vierten, gerade erschienenen Band um 100 schwarze Frauen. Zeitgenossinnen wie Kamala Harris und Lyrikerin Amanda Gorman, aber auch historische Persönlichkeiten wie Fliegerin Bessie Coleman und die Journalistin Ida B. Wells werden in kurzen Porträts vorgestellt.
Seitdem gegenüber ein Haus gebaut wird, weiß ich, was ehrlicher Lärm ist, aber auch, wie faszinierend das Alltagsleben auf einer Baustelle sein kann. Bagger, Kräne, Hochseilakrobatik – es wird so einiges geboten, was nicht nur dem Kind im Mann, sondern auch dem Kind im Kind gefällt. Zum Nachspielen gibt es Lego-Kästen in allen Lärmklassen.
Corona und Klimakrise – unsere Kinder wachsen mit genug ernsten Problemen auf. Wie schön, wenn es auch mal positive Zukunftsaussichten für sie gibt, zumindest in Buchform. „Das wird bestimmt ganz toll! – Wenn ich groß bin“ ist ein buntes Sammelsurium von Kinder-Utopien, teil realistisch, teils absurd – aber immer gut gelaunt.
Die Kölner Kinderoper ist gerade 25 Jahre alt geworden – und wurde aus diesem Anlass allgemein gefeiert. Tatsächlich liefert sie stets aufs Neue Musterexempel eines kindgerechten, aber eben nicht infantilen Zugangs zum Genre Oper. Dies vor allem mit ihrem vierteiligen Wagner- „Ring“, einem Evergreen, der sicher bald wieder auf die Bretter kommt.